Minibonds am Boden

Drei Viertel des Emissionsvolumens von bisher 7 Mrd. Euro stehen noch aus - Equinet: "Markt ist nicht tot"

Minibonds am Boden

Von Walther Becker, FrankfurtIrgendwann haben die meisten Beobachter aufgehört, Buch zu führen über Pleiten, Pech und Pannen von Mittelstandsanleihen. Der Ausfall von KTG Agrar, wo es um 250 Mill. Euro geht, hat den Ruf des Segments nach der Insolvenz von Steilmann, dem Aus für German Pellets oder dem Debt-to-Equity-Swap von Singulus und der Miniquote beim Recycler Scholz noch ärger ramponiert, als dies nach dem mutmaßlichen Betrugsfall Mifa (Fahrräder) oder Windreich der Fall gewesen ist. Ungewiss ist das Schicksal von Air Berlin, wo 2018 und 2019 Bonds über 225 Mill. bzw. 252 Mill. Euro fällig werden. Auf 26,4 % beziffert die Ratingagentur Scope aktuell die Quote insolventer Unternehmen an der gesamten Emittentenzahl und auf 20,7 % in Bezug auf das Volumen. 34 Unternehmen mit 43 Minibonds sind demnach bisher im Default. Capmarcon beziffert die Ausfallquote auf 23,3 % und das bislang leistungsgestörte Volumen (Insolvenz oder ausgesetzter Kapitaldienst) auf 1,43 Mrd. Euro.Doch “der Markt ist nicht tot”, beschwört Christoph Demuth, General Manager und Leiter Corporate Finance der Equinet Bank, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und räumt ein: “Der Markt wurde teilweise missbraucht.” Das Institut hat jüngst die Refinanzierung von Schalke 04 begleitet, die er als Blaupause für weitere Transaktionen betrachtet. Denn das dicke Ende kommt noch. “Mehr als zwei Drittel der Fälligkeiten stehen noch aus”, schätzt er, wobei die Boomjahre für Emissionen 2012 bis 2014 waren. Drei von vier Papieren hatten eine Laufzeit von fünf Jahren. “Seit 2010 wurden 7 Mrd. Euro eingesammelt”, verdeutlicht er das Volumen. Das niedrige Zinsumfeld dürfte einige Unternehmen über Wasser halten. Doch der “Reifungsprozess” tut weh. Demuth beobachtet aber, dass sich der Markt professionalisiert, zunehmend weg von öffentlichen Angeboten in Richtung Privatplatzierungen mit anderen Sicherheitsprofilen geht und auch Vermögensverwalter, Family Offices sowie Pensionskassen und Versicherungen mit größeren Tickets anzieht.Viel zu lange wurde nachrangiges Fremdkapital für riskante Projekte zu einem Kupon eingesammelt, der mit 7 oder 8 % zwar hoch erschien, für den Eigenkapitalcharakter der Wagnisvorhaben aber zu niedrig war. Und mancher Emittent entpuppte sich als Betrüger. Woher nehmen und nicht stehlen? Laut Scope ist es dieses Jahr mit “Refis” noch relativ ruhig, doch 2017 stehen 1,05 Mrd., 2018 gar 1,87 Mrd. und 2019 dann 1,18 Mrd. Euro an.Anfänglich, also zu Zeiten, in denen Minibonds nach dem Scherbengericht der Mezzanine-Finanzierungen als neues Instrument aufkamen, wurden besonders für erneuerbare Energien Projektfinanzierungen platziert. An die 70 % der Emittenten aus der Branche dürften ausgefallen sein, und auch aus anderen Sektoren sind viele Unternehmen überschuldet und bräuchten Eigenkapital. Nun gehen Berater mit der Idee herum, Anleihen über Schuldscheine abzulösen – was aus Sicht seriöser Corporate-Finance-Experten kaum möglich ist. Bei bisherigen Ausfällen ist kein Zusammenhang mit der Kuponhöhe festzustellen – es fehlt an risikoadäquatem Pricing. In manchen Fällen, bei denen noch Hoffnung besteht, dürften sich künftig Debtfonds engagieren. Und: “Institutionelle Investoren kaufen die Anleihen billig auf und versuchen dann über die Gläubigerversammlung, eine schnelle Zerschlagung des Unternehmens zu erreichen. Das bringt ihnen eine schöne Rendite. Die Interessen der restlichen Anleihegläubiger fallen dabei hinten runter”, schwant es Klaus Nieding, Vorstand der Nieding+Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft.