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Mit Pocken fing es an

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Impfungen gelten seit langer Zeit als eine der wirksamsten medizinischen Anwendungen gegen Infektionskrankheiten. Für den Anfang der Erfolgsgeschichte steht der britische Landarzt Edward Jenner, der Ende des 18....

Mit Pocken fing es an

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtImpfungen gelten seit langer Zeit als eine der wirksamsten medizinischen Anwendungen gegen Infektionskrankheiten. Für den Anfang der Erfolgsgeschichte steht der britische Landarzt Edward Jenner, der Ende des 18. Jahrhunderts in einem Experiment die erste Pockenimpfung durchgeführt haben soll. Er hatte beobachtet, dass Beschäftigte in der Landwirtschaft, die sich an für sie harmlosen Kuhpocken angesteckt hatten, immun wurden gegen Menschenpocken. Um die Kausalität nachzuweisen, injizierte er einem achtjährigen Jungen das Sekret aus dem Bläschenausschlag einer an Kuhpocken erkrankten Melkerin. Einige Wochen später infizierte er den Jungen mit Pockensekret und konnte beweisen, dass dieser nicht an “Blattern” erkrankte.Schon vor Jenners Forschungen war bekannt, dass bestimmte Infekte einen Menschen nach Genesung kein zweites Mal treffen können. Pocken gelten als erste Erkrankung, die durch Aktivierung des Immunsystems durch eine Impfung mit infizierter Substanz verhindert werden konnte. Jenner soll es als “Vaccination” bezeichnet haben, abgeleitet vom lateinischen Wort “vacca” für “Kuh”.Trotz der Entdeckung dauerte es lange, bis die tödliche Krankheit ausgerottet war, zumal sich kein bekanntes Medikament zur Behandlung von Pocken finden ließ. Im Jahr 1979 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO die Welt für pockenfrei. Dennoch werden weitere Pockeninfektionen nicht ausgeschlossen. Das aktive Virus lagert angeblich zu Forschungszwecken nur noch in zwei Hochsicherheitslaboren in den USA und Russland, doch wer darüber hinaus Zugriff hat, ist umstritten. Es wird als biologische Waffe gefürchtet, weshalb Regierungen unter dem Eindruck von Terrorgefahren vorsorglich Pockenimpfstoffe einlagern. Davon profitiert zum Beispiel das dänisch-deutsche Biotechunternehmen Bavarian Nordic als einer der weltweit führenden Hersteller von Pockenimpfstoffen und langjähriger Lieferant an das staatliche Vorratslager Strategic National Stockpile in den USA.Einige Jahrzehnte nach Jenners Forschungserfolg erhielt die Entwicklung von Impfstoffen neue Dynamik mit Arbeiten von Wissenschaftlern wie Louis Pasteur, Robert Koch, Emil von Behring und Paul Ehrlich. Die Bakteriologie entstand als neues Forschungsgebiet, zumal die Erreger zahlreicher Infektionskrankheiten noch nicht identifiziert waren. Im 19. Jahrhundert galten Leiden wie Tuberkulose, Diphtherie, Wundinfektionen und Cholera weltweit als Haupttodesursachen.Der französische Forscher Pasteur, nach dem unter anderem die Pasteurisierung benannt ist, hat 1885 erstmals einen Menschen erfolgreich gegen Tollwut geimpft. Emil von Behring wird für die Entdeckung von Antitoxinen gefeiert, was die Herstellung von Blutseren gegen Diphtherie ermöglichte – eine Krankheit, die damals hohe Kindersterblichkeit verursachte. Es folgten Anfang des 20. Jahrhunderts Impfstoffe gegen Tuberkulose, Wundstarrkrampf und Gelbfieber, nach dem Zweiten Weltkrieg ging es bis heute mit Immunisierungen gegen Kinderlähmung, Masern, Mumps, Röteln und Hepatitis B weiter. Speziell die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung wurde als großer Fortschritt bejubelt. Weniger Aufmerksamkeit erhielten Vakzine gegen Grippe oder Pneumokokken, die ebenfalls zu den Standardimpfungen zählen.Es ist kein Selbstläufer, nicht immer sind jahrzehntelange Forschungsarbeiten von Erfolg gekrönt. So gibt es bis heute keinen Impfstoff gegen HIV, bei hoher Notwendigkeit – mit dem Virus sind aktuell weltweit 38 Millionen Menschen infiziert. Wirksame Medikamente immerhin ermöglichen inzwischen ein langes Leben trotz dieser Infektion.Als Durchbruch in der Krebsprävention sorgte 2006 ein Impfstoff gegen Humane Papillomviren (HPV) für Aufmerksamkeit. Der deutsche Wissenschaftler Harald zur Hausen, der den Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Krebsentstehung nachweisen konnte, bekam für diese bahnbrechende Entdeckung 2008 den Nobelpreis für Medizin.