Mittelstand bleibt Digitalisierung fern

NRW-Studie fördert ernüchterndes Ergebnis zutage - Kein Schub durch Corona-Pandemie erkennbar

Mittelstand bleibt Digitalisierung fern

ab Köln – Allen Mutmaßungen und Hoffnungen zum Trotz hat die Coronakrise bei den kleinen und mittleren Unternehmen keinen Digitalisierungsschub ausgelöst. Im Gegenteil: Im Vergleich zu einer 2018 durchgeführten Studie habe sich der Mittelstand in Nordrhein-Westfalen in puncto Digitalisierung nicht vom Fleck bewegt, ergab die vom Sparkassenverband Westfalen-Lippe (SVWL) bei der Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld (FHM) in Auftrag gegebene Studie. Die Firmen erreichten im Durchschnitt einen Indexwert von lediglich 4,2 Punkten bei einem Maximalwert von zehn Punkten. Jedes vierte Unternehmen sei als “eher nicht digitalisiert” zu bezeichnen, lautet die ernüchternde Erkenntnis. Als stark digitalisiert ließen sich lediglich 0,3 % – faktisch sind das nur zwei von 657 befragten Unternehmen – bezeichnen.Die FHM ermittelte den Index in acht Branchen, am schwächsten schnitten Gastronomie/Hotellerie und Handwerk mit 2,5 bzw. 2,8 Punkten ab. Doch auch im Bergbaugewerbe und bei Industrieunternehmen sind die Indexwerte mit 3,6 und 3,7 Punkten verbesserungswürdig. Am besten schnitten die industrienahen Dienstleistungen (5,1 Punkte) und die Branche Energie/Wasser/Abwasser/Entsorgung (4,9 Punkte) ab. Die Unternehmen begründeten die Entwicklung mit der aus ihrer Sicht unausgeglichenen Kosten-/Nutzenbilanz.”Die Unternehmen müssen jetzt digital werden, das ist die Lehre aus der Corona-Pandemie”, appellierte SVWL-Verbandspräsidentin Liane Buchholz an die Unternehmen. Die Pandemie habe die Bedeutung und die Chancen der Digitalisierung wie unter einem Brennglas aufgezeigt. “Unternehmen, bei denen die Digitalisierung schon recht weit fortgeschritten ist, sind robuster durch die Krise gekommen”, sagte Buchholz.In der Studie wurden 657 Unternehmen mit 10 bis 499 Beschäftigten zu dem eigenen Digitalisierungsstand, der Wettbewerbsfähigkeit, Investitionsvorhaben und zum Informationsbedarf bei Digitalisierungsthemen befragt. Themen wie künstliche Intelligenz, Big-Data-Analysen sowie Virtual und Augmented Reality seien vielfach Fremdworte für die Unternehmen. Hier liege der Indexwert bei lediglich einem Punkt. Die höchste Bewertung mit 5,8 Punkten erzielen die Unternehmen hinsichtlich ihrer IT-Infrastruktur. Dagegen gebe es bei der Digitalisierung der Produktion und der Leistungserbringung erheblichen Nachholbedarf, wie der Indexwert von 3,1 Punkten verdeutlicht. Etwas besser sieht es in Einkauf und Logistik (4,4 Punkte) aus. Mehr Homeoffice Auch die Zusatzstudie, mit welcher der SVWL die Folgen der Pandemie auf die Digitalisierung untersuchen ließ, fiel ernüchternd aus: So habe die Viruskrise zwar zu einer vermehrten Nutzung von Videokonferenzen und anderen Formen der digitalen Zusammenarbeit geführt, von einem “Digitalisierungsschub durch Corona” könne jedoch keine Rede sein, beklagte Studienautorin Ellena Werning von der FHM. Vielmehr gaben 40 % der Befragten an, auch nach der Pandemie keine zunehmende Bedeutung für die Digitalisierung zu erkennen. Investitionen in Technologien für die Industrie 4.0 lehnten mehr als 60 % der Unternehmen ab. Immerhin wollten 43 % der Unternehmen das mobile Arbeiten teilweise ausbauen, umgekehrt lehnten das fast 40 % kategorisch ab.Homeoffice habe während des Lockdown zwar Hochkonjunktur gehabt, mehr Investitionen in Cybersicherheit habe es jedoch nicht gegeben, wundert sich Werning. Buchholz rief dazu auf, den Beschäftigten nicht nur das Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen. “Wer sein Unternehmen digitaler aufstellen will, wird sich auch über einen soziokulturellen Wandel Gedanken machen müssen.”Im Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalens bescheinigt man sich Fortschritte beim Ausbau der Gigabitnetze und beim mobilen Breitband. Der Digitalisierungsindex zeige aber zugleich, “dass in manchen Branchen noch viel Luft nach oben besteht”, räumte Christoph Dammermann, Staatssekretär im Landeswirtschaftsministerium, ein.