Mittelstand weicht Negativzinsen aus
cru Frankfurt – Die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf Einlagen zwingen Unternehmen auf neue Wege beim Anlegen ihrer Vermögen. “Viele Mittelständler überdenken ihren Bedarf an kurzfristig verfügbarer Liquidität. Weniger Geld wird liquide vorgehalten”, fasst Oliver Haibt, Head of Corporate Sales der Commerzbank, anlässlich der Vorstellung einer Forsa-Studie zum Anlageverhalten von Mittelständlern die Lage zusammen. Die Commerzbank führe immer häufiger Gespräche mit ihren Unternehmenskunden über die Liquiditätshaltung.Die EZB hatte Anfang September ihre Geld- und Zinspolitik ein weiteres Mal gelockert. Nach Einschätzung der Commerzbank-Volkswirte dürften die Notenbanker im Frühjahr 2020 die geldpolitischen Schleusen noch weiter öffnen. Schon jetzt rentierten 98 % aller Bundesanleihen negativ. Die lockere Geldpolitik Mario Draghis werde voraussichtlich auch von der designierten neuen Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, mit Zinssenkungen und zusätzlichen Anleihekäufen fortgeführt werden, meint der Research Senior Economist der Commerzbank Marco Wagner. Als einen Effekt schichten schon jetzt viele Unternehmen ihr Vermögen um oder investieren vermehrt in den eigenen Betrieb, wie aus der von der Commerzbank bei Forsa in Auftrag gegebenen Umfrage bei 500 Finanzentscheidern von Unternehmen mit einem Jahresumsatz oberhalb von 15 Mill. Euro hervorgeht.Knapp ein Drittel der Unternehmen (29 %) hat in den letzten zwölf Monaten Negativzinsen bezahlt, größere Unternehmen häufiger (36 %) als kleinere. “Je länger dies währt, desto mehr werden Unternehmen ihr Anlageverhalten ändern müssen, um weiterhin positive Renditen zu erwirtschaften”, sagt Haibt. Sichere Anlage schwierigRund 86 % der befragten Unternehmen bezeichnen ihre Anlagestrategie als liquiditäts- bzw. sicherheitsorientiert. Chancen- bzw. risikoaffin – also bereit, für eine bestimmte Rendite das Risiko einzugehen, dass der Zins nicht gezahlt wird – sind dagegen nur rund 10 %. Bereits für 14 % der Unternehmen spielt das Kriterium “Nachhaltigkeit” bei Anlageprodukten eine Rolle.Angesichts der lockeren Geldpolitik seien die über Jahre währenden Kriterien “Sicherheit”, “Ertrag” und “Liquidität/Verfügbarkeit” für den Mittelstand zunehmend schwieriger zu realisieren. Folglich habe sich die erwartete Mindestverzinsung in der Vergangenheit immer weiter reduziert, außerdem standen zuletzt Anlagen mit längeren Laufzeiten verstärkt im Fokus der Unternehmen. Kurze Fristen sind TrumpfWährend im Vorjahr noch längerfristige Anlagen im Fokus standen, legt aktuell knapp die Hälfte der Unternehmen (48 %) kurzfristig mit einem Zeithorizont von bis zu einem Jahr an. Mittelfristige (ein bis drei Jahre) bzw. langfristige (länger als drei Jahre) Anlagen werden von jeweils etwa einem Fünftel favorisiert.Die mit 41 % am meisten genutzte Anlageform ist das Termingeld. Währungsanlagen oder Fonds spielen mit je 13 % eine untergeordnete Rolle. Legen Unternehmen in Fonds an, bevorzugen sie gemischte Fonds (56 %) und Aktienfonds (51 %). Die breite Mehrheit der Befragten (76 %) legt selbst an, während ein knappes Viertel eine standardisierte Vermögensverwaltung oder ein maßgeschneidertes gemanagtes Mandat nutzt.