Münchner Firma Celonis ist 11 Mrd. Dollar wert
jh München
Die Rekordjagd in der deutschen Start-up-Branche geht rasant weiter. Nur einen Tag nachdem das Berliner Insurtech Wefox eine Finanzierungsrunde von 650 Mill. Euro bekanntgegeben hat, setzt das Münchner Softwareunternehmen Celonis noch eins drauf: Es erhält in einer neuen Finanzierungsrunde 1 Mrd. Dollar von Investoren. Das ist der bisher höchste Betrag einer Tranche für ein junges deutsches Unternehmen. Der Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas in Berlin bekommt nach Informationen aus der Finanzbranche demnächst womöglich ebenfalls Geld in dieser Größenordnung (vgl. BZ vom 2. Juni). Für den Berliner Neobroker Trade Republic gab es vor kurzem 900 Mill. Dollar.
Zehn Jahre nach der Gründung von drei ehemaligen Studenten der Technischen Universität München wird Celonis mit 11,1 Mrd. Dollar bewertet und ist damit in der Rangliste der Datenspezialisten von CB Insights das teuerste deutsche Einhorn, mit mehr als 10 Mrd. Euro das erste Decacorn hierzulande und in Europa an dritter Stelle (siehe Tabelle). In der vorangegangenen Runde im Herbst 2019 lag die Bewertung bei 2,5 Mrd. Dollar. Nun sind unter den Geldgebern von Celonis auch neue: Angeführt wird die Serie-D-Finanzierungsrunde von Durable Capital Partners und T. Rowe Price. Zudem beteiligen sich die US-amerikanische Investmentgesellschaft Franklin Templeton, Splunk Ventures und bisherige Investoren, darunter Arena Holdings.
Starke Nachfrage
Mit dem frischen Geld wolle das Unternehmen den Vertrieb, den Service und die Entwicklung seiner Produkte ausbauen, nach der es eine sehr starke Nachfrage gebe, sagte Bastian Nominacher, einer der drei Gründer und Co-Vorstandschefs, der Börsen-Zeitung. Zudem halte Celonis Ausschau nach ergänzenden Unternehmen. Der Vorstand ist zuversichtlich, dass sich im vergangenen Geschäftsjahr (31. Mai) wie in den Jahren zuvor der Umsatz mindestens verdoppelt hat. Absolute Zahlen nennt Celonis nicht.
Die Zahl der Mitarbeiter stieg seit Mitte 2018 von etwa 400 auf 1300. Nach eigenen Angaben machte das Unternehmen zunächst Gewinn. Seit zwei Jahren liege der Schwerpunkt jedoch auf dem Wachstum, heißt es. Das Unternehmen, dessen zweiter Hauptsitz in New York ist, ernannte jetzt Carlos Kirjner zum Finanzvorstand. Er kommt von Google, wo er die Finanzen von Google Ads, Google Search und Google Maps geleitet hat.
Kern der Software von Celonis ist das sogenannte Process Minining, das vor einem halben Jahr um die Kategorie Execution Management System (EMS) erweitert wurde. Process Mining unterstützt Unternehmen mit Hilfe der Analyse einer Vielzahl von Daten, um Geschäftsprozesse besser zu verstehen und zu optimieren. EMS setze darauf auf und automatisiere die Optimierung, berichtet Nominacher. Die eigene Entwicklung auf dem neuen Gebiet ergänzte Celonis im vergangenen Jahr mit dem Kauf des tschechischen Unternehmens Integromat.
Henry Ellenbogen, Managing Partner und Chief Investment Officer von Durable Capital Partners, lobt das Unternehmen in höchsten Tönen: „Celonis ist ein seltenes Juwel, das im Zentrum eines der größten Technologietrends unserer Zeit steht: der Modernisierung von Unternehmen dank datengesteuerter, intelligenter Geschäftsentscheidungen.“ Das Marktpotenzial von Celonis sei sehr groß, um eine neue und moderne Art der Unternehmenssteuerung zu schaffen.
Die Coronakrise habe sich eher positiv auf die Nachfrage nach der Software ausgewirkt, sagt Nominacher. „Die Unternehmen setzen noch viel mehr auf Digitalisierung als zuvor.“ Mittlerweile seien auch mittelständische Unternehmen dabei. Zu den großen der insgesamt mehr als 2000 Kunden gehören Siemens, Lufthansa, Bosch, die Deutsche Bahn, ABB, Dell, L‘Oréal, Vodafone und Banken wie Citi.
Auch für ihre Lieferketten setzten Kunden die Software von Celonis verstärkt ein. „Das ist vor allem eine Frage der Organisation“, meint Nominacher. „Wir haben Unternehmen geholfen umzuplanen.“ Das könne die Transportroute, den Lieferanten oder das Gebinde betreffen. Oft gebe es auch hausgemachte Probleme. Als Beispiel nennt er die Schichtplanung für Lagerhäuser. Nominacher bestreitet nicht, dass es Engpässe gibt, etwa für Halbleiter. Mit dem Einsatz der richtigen Software ließen sich negative Folgen jedoch minimieren.
Auf die Frage nach einem Börsengang antwortet der Vorstand, mittelfristig sei das ein Thema, wenn ein Börsengang helfen würde, das Unternehmen auf die nächste Entwicklungsstufe zu bringen. Bisher beschafft sich Celonis in den Finanzierungsrunden genügend Kapital. Die jüngste Runde sei überzeichnet gewesen, berichtet Nominacher. „Und wir haben zum Glück langfristig orientierte Investoren.“ Die seien vor allem am starken Wachstum des Unternehmens interessiert. Allein für den Process-Mining-Markt werde in den nächsten Jahren eine Steigerung um jeweils 75% erwartet.
Die teuersten Einhörner* in Europa | ||
Land | Bewertung(Mrd. Dollar) | |
1 Klarna | Schweden | 31,0 |
2 Checkout.com | Großbritannien | 15,0 |
3 Celonis | Deutschland | 11,1 |
Global Switch | Großbritannien | 11,1 |
5 Hopin | Großbritannien | 5,7 |
6 Revolut | Großbritannien | 5,5 |
7 Trade Republic | Deutschland | 5,3 |
8 Blockchain.com | Großbritannien | 5,2 |
9 Wise | Großbritannien | 5,0 |
10 Howden Group Holdings | Großbritannien | 5,0 |
11 Vinted | Litauen | 4,5 |
12 Bolt | Estland | 4,3 |
*) Nichtbörsennotierte Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar | ||
Quelle: CB Insights, CelonisBörsen-Zeitung |