Martin Lemke und Iryna Pylypchuk

„Nachfrage reduziert sich deutlich“

Der Zinsanstieg hat das Interesse an Immobilien stark sinken lassen. Eine Umfrage des Investorenverbandes Inrev zeigt, dass Anleger aus Asien weiterhin optimistisch auf den europäischen Markt blicken.

„Nachfrage reduziert sich deutlich“

mic München

Die Investoren wollen sich in den nächsten beiden Jahren weltweit ein Stück weit aus der Assetklasse Immobilien zurückziehen. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Europäischen Branchenverbands der Immobilieninvestoren (Inrev) gemeinsam mit den Anlegerverbänden Anrev und Prea unter 82 institutionellen Investoren, die 800 Mrd. Euro verwalten. „Erstmals seit Jahren gibt es ein derartiges Signal“, sagt Inrev-Chairman Martin Lemke der Börsen-Zeitung in München.

Ein wesentlicher Faktor aus Sicht von Lemke, der zugleich Managing Director von AM Alpha ist: „Es gibt eine technische Überallokation bei vielen Anlegern.“ Mit dem Einbruch der Aktienmärkte und dem Bewertungsrückgang von Anleihen sei die Immobilienquote in den Anlagen der Investoren automatisch gestiegen: „Die Nachfrage nach Immobilien wird sich daher deutlich reduzieren.“ Zu ähnlichen Ergebnissen war eine Investorenumfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY ge­kommen (vgl. BZ vom 13. Januar).

Europäer sind vorsichtig

Die europäischen Investorenverbände haben jedoch darüber hinaus eine global stark unterschiedliche Investmentneigung ermittelt. „Europäische Investoren sind besonders zurückhaltend“, sagt Iryna Pylypchuk, Leiterin Inrev Research & Market Information. Infolge der technischen Überallokation planten sie, ihren Immobilienanteil von 10,8 auf 10,5% zu verringern. Die Konsequenz: 37% der Europäer wollten ihre Allokation senken (siehe Grafik).

Dagegen seien asiatische Anleger positiver gestimmt, erklärt Pylypchuk: „Sie planen durchschnittlich, von 6,3% auf 8,3% aufstocken.“ Dort wollten mit 45% der Investoren sogar weit mehr Anleger ihr Engagement erhöhen als abbauen (5%).

Die asiatischen Immobilieninvestoren seien strukturell unterinvestiert, profitierten teils von einer vor längerer Zeit gelockerten Regulierung für grenzüberschreitende Immobilieninvestments und wollten die Opportunität vergleichsweise günstiger Investments in Europa abwarten, sagt Pylypchuk. Nordamerikanische Anleger wollen den Immobilienanteil an ihren Assets der Studie zufolge im Durchschnitt von 12,0 auf 12,7% erhöhen, zeigen dabei aber derzeit wenig Interesse an europäischen Immobilien.

Ein Revival unter Europäern erleben Lemke zufolge die Immobilieninvestments mit weniger Risiko. Die Core Investments seien mit 57% die dominierende Assetklasse, wenn die Anleger eine Investition auf ihrem Heimatmarkt planten – für Investments weltweit liege die Quote der Europäer bei 46%. Im Vorjahr habe der Core-Anteil nur 39% betragen. Asiatische Anleger dagegen planten im laufenden Jahr nur 20% ihrer Europa-Anlagen in die Core-Kategorie zu lenken, sagt Pylypchuk: „Interessanterweise hat sich der Anteil der riskanteren Kategorie Opportunistic auf 20% mehr als verdoppelt.“

Lemke und Pylypchuk wagen keine Vorhersage, wenn der Marktabschwung seine Talsohle erreicht haben wird. „Der Markt kann sich aber sehr schnell drehen“, ist Pylypchuk überzeugt. Anders als in der Finanzkrise sei grundsätzlich kein Mangel an Kapital zu beobachten. Zudem habe sich die Immobilienfinanzierung strukturell verändert, so dass die eventuell zurückhaltenden traditionellen Kreditgeber ersetzt werden könnten. Pylypchuk glaubt darüber hinaus, dass die Anleger die Assetklasse Immobilien als Absicherung gegen Inflation entdecken würden.

Der Rückgang der Bewertungen verläuft nach Beobachtung von Inrev in Europa nicht gleichmäßig. „Großbritannien ist mit einem Abschlag von 20 bis 25% am weitesten“, erklärt Pylypchuk. Daher habe sich AM Alpha jüngst entschieden, ein Bürogebäude in London zu kaufen, ergänzt Lemke. Deutschland dagegen hinke in der Marktentwicklung hinterher. Entscheidend für den weiteren Trend sei, wie stark die Europäische Zentralbank die Leitzinsen anhebe. Das Problem für die Investoren sei die Geschwindigkeit des Anstiegs gewesen, sagt Lemke.