Multimillionenklage

Nachspiel für Solarworld-Pleite

Der frühere „Sonnenkönig“ Frank Asbeck und vier seiner ehemaligen Vorstandskollegen bei Solarworld sind vom Insolvenzverwalter Horst Piepenburg verklagt worden. Sie sollen fast eine Dreiviertelmilliarde zahlen.

Nachspiel für Solarworld-Pleite

ak Bonn

Der Niedergang des einstigen deutschen Sonnenenergie-Branchenprimus Solarworld könnte für die frühere Führungsriege ein teures Nachspiel haben. Insolvenzverwalter Horst Piepenburg hat das ehemalige Vorstandsteam um Gründer und CEO Frank Asbeck wegen Insolvenzverschleppung und Insolvenzanfechtung auf insgesamt 731 Mill. Euro verklagt (Az. 14 O 31/21). Am Donnerstag trafen sich Kläger und Beklagte sowie eine Heerschar von Anwälten zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Bonn.

Piepenburgs Vorwurf lautet, dass Solarworld bereits Mitte 2016 überschuldet gewesen sei und eine positive Fortführungsprognose nicht gegeben war. Er will die fünf ehemaligen Vorstandsmitglieder für alle Zahlungen, die nach dem 1. Juli 2016 bis zum Insolvenzantrag im Mai 2017 geleistet worden sind, in Haftung nehmen.

Kometenhafter Auf- und Abstieg lagen bei Solarworld eng beieinander. Der heute 63-jährige Asbeck, Mitbegründer der Grünen und schillernde Unternehmergestalt, hatte seine 1999 an die Börse gebrachte Firma zum deutschen Solarstar mit Milliardenwert aufgebaut, als es in den Nullerjahren noch kräftig Subventionen für die damals führende deutsche Solar- und Fotovoltaikbranche gab. Extrovertierte Auftritte, seine Vorliebe für Luxusautos und der Kauf eines Schlösschens am Rhein von Entertainer Thomas Gottschalk hatten ihm den Spitznamen „Sonnenkönig“ eingebracht.

Solarworld geriet nach der ersten überstandenen Sanierung 2013 wenige Jahre später erneut in die Krise, weil chinesische Hersteller mit günstigeren Solarmodulen und -anlagen den Markt fluteten. Zudem sah sich der Konzern Forderungen im dreistelligen Millionenbereich eines Siliziumlieferanten in den USA ausgesetzt und hatte 2016 eine Klage in erster Instanz verloren.

Jetzt standen im Zentrum der ersten mündlichen Verhandlung unter anderem zwei Gutachten von PwC. In diesen hatten die Wirtschaftsprüfer für 2016 und später erneut im Februar 2017 eine positive Fortführungsprognose für die angeschlagene Solarworld bestätigt. Piepenburg hält die getroffenen Annahmen für fragwürdig. Er hat nach eigenen Angaben PwC auf die Herausgabe der Handakte zu den Gutachten verklagt, das Verfahren läuft noch.

Aufgeheizte Wortwechsel drehten sich zum Prozessauftakt um weitere fehlende Informationen. Die Anwälte der beklagten Ex-Vorstände werfen Piepenburg vor, Zugang zu den Firmenunterlagen nur scheibchenweise oder unvollständig zu gewähren. Verschwunden sei zum Beispiel die E-Mail-Korrespondenz von CFO Philipp Koecke.

Der Vorsitzende Richter Uwe Schneiders sah in einer ersten Stellungnahme „noch keine Entscheidungsreife“. Er ließ jedoch Zweifel angesichts der Höhe der Klage durchblicken. So beziehen sich mit 460 Mill. Euro weit mehr als die Hälfte der Forderungen auf geleistete Zahlungen für Warenbezüge. Denen hätten ja auch Gegenleistungen gegenübergestanden, die für die Gläubiger verwertet worden seien, merkte Schneiders an. Weitere 169 Mill. Euro waren Geldtransfers innerhalb des Konzernverbundes.

Sollte der Insolvenzverwalter mit seiner Klage Erfolg haben oder am Ende ein Vergleich herausspringen, dürften die D&O-Versicherer zur Kasse gebeten werden. Laut Solarworld-Geschäftsbericht 2016 existieren Managerhaftpflichtversicherungen, die aber auch einen Selbstbehalt von 10% des Schadens vorsehen.

Die Ex-Vorstandsmitglieder sind heute weiter in der Energiebranche tätig. Zwei gehören zum Spitzenmanagement von EnBW: Colette Rü­ckert-Hennen ist Personalvorständin und Arbeitsdirektorin, Jürgen Stein fungiert als Chief Innovation Officer.

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