Streaming-Pionier

Netflix sieht ersten Kundenverlust seit zehn Jahren

Nach dem Höhenflug im Pandemiejahr 2020 droht Netflix im laufenden Jahr eine harte Landung, die sich schon im Vorjahr etwas abgezeichnet hatte. Erstmals in einem Quartal sinkt die Kundenzahl, die Konkurrenz schläft nicht.

Netflix sieht ersten Kundenverlust seit zehn Jahren

hei Frankfurt

Streaming-Pionier Netflix erfährt eine Zäsur. Zum ersten Mal seit zehn Jahren muss das Unternehmen, das den Film- und Fernsehkonsum revolutioniert hat, in einem Quartal einen Schwund bei der Abonnentenzahl hinnehmen, um netto 200000. Auslöser war der Rückzug von Netflix aus Russland, der mit dem Verlust von 700000 Teilnehmern verbunden war. Darüber hinaus kündigten von Januar bis März weitere 600000 Kunden in Kanada und den USA ihre Verträge aufgrund von Preiserhöhungen. Damit verfehlte das Unternehmen deutlich die eigenen Erwartungen, denn das Management war von einem Kundenzuwachs von 2,5 Millionen ausgegangen.

Analysten und Anleger wurden auf dem falschen Fuß erwischt, zumal Netflix im laufenden Vierteljahr keine Stabilisierung, sondern einen noch größeren Kundenschwund von 2 Millionen Abonnenten in Aussicht stellt. Die Aktie, die nachbörslich bereits eingebrochen war, setzte den freien Fall zu Handelsbeginn an der Wall Street fort und notierte gegen Mittag knapp 36% unter Vortag bei 223 Dollar. Im bisherigen Jahresverlauf hat das Papier damit über 60% eingebüßt. Der erste Kursrutsch kam bereits im Januar, als den Investoren angesichts eines mauen Ausblicks schon Übles schwante. Allerdings kommt Netflix jetzt auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19. Dies vergleicht sich mit 78 bei Konkurrent Disney und 47 bei Amazon, bei der das Streaming-Geschäft allerdings besonders schwierig zu gewichten ist.

Netflix begründete die Entwicklung mit Sättigung, insbesondere im nordamerikanischen Markt, wo der Marktanteil in den Haushalten sehr hoch und die Konkurrenz durch Disney+, Amazon Prime und HBO Max besonders scharf ist. Aufgrund der großen Anbieterauswahl haben sich viele Kunden für einen Wechsel entschieden. Allerdings betont Netflix, dass sich die Preiserhöhungen finanziell ausgezahlt haben. Der Quartalsumsatz kletterte um 10% auf 7,9 Mrd. Dollar. Der Nettogewinn sank allerdings um 6% auf 1,6 Mrd. Dollar bzw. 3,60 (3,85) Dollar je Aktie. Der Konzern kündigte eine härtere Gangart gegen Trittbrettfahrer auf einzelnen Nutzerkonten an, indem die „Monetarisierung“ in Haushalten mit mehreren Teilnehmern verbessert werden soll. Außerdem will Netflix ein werbefinanziertes Nutzungsmodell auf den Weg bringen, um das Kundenwachstum wieder anzuschieben. Die Idee war zuvor schon von Amazon lanciert worden, die hinreichend tiefe Taschen hat, um ihr Prime-Angebot auf diese Weise auch mit minimalem Return voranzutreiben. Netflix stellte indes in Aussicht, die operative Marge bei 20% halten zu wollen.

Netflix, die hohen Aufwand für die Entwicklung der Plattform und exklusiven Content betreibt – die Ausgaben stiegen im vergangenen Geschäftsjahr um 13% auf knapp 20 Mrd. Dollar –, hat schon 2021 an geschäftlichem Schwung verloren. Allerdings lag dies auch an einem steilen Vergleich zum Vorjahr, in dem die Nachfrage bei allen Streaming-Anbietern pandemiebedingt deutlich angeschwollen war. Analysten denken nun, dass der Streaming-Pionier auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist und künftig etwa kleinere Brötchen backen muss.

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