RECHT UND KAPITALMARKT

Neuer Rahmen für Bankenrestrukturierung

Umsetzung der europäischen Richtlinie - Hohe Komplexität - Verbleibender Spielraum für staatliche Stützungsmaßnahmen

Neuer Rahmen für Bankenrestrukturierung

Von Tim Oliver Brandi *)Derzeit läuft das deutsche parlamentarische Verfahren zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD). Die Umsetzung erfolgt durch ein Artikelgesetz, das ein neues Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG) sowie Änderungen des Kreditwesengesetzes und weiterer Gesetze und Verordnungen enthält.Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf des SAG implementiert unter anderem die von der BRRD vorgesehenen Abwicklungsinstrumente in das deutsche Recht. Diese bestehen aus dem Instrument der Beteiligung der Anteilsinhaber und Gläubiger des betroffenen Instituts (sog. Bail-in), dem Instrument der Übertragung von Anteilen bzw. Vermögensgegenständen des betroffenen Instituts auf einen Dritten oder auf ein hierfür gegründetes Brückeninstitut zum Zwecke der Sanierung der systemrelevanten Unternehmensteile sowie dem Instrument der Ausgliederung von Vermögensgegenständen auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft zum Zweck deren geordneter Abwicklung.Ferner übernimmt und modifiziert das SAG die Regelungen zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung, die bislang im Kreditwesengesetz enthalten sind. Außerdem sieht der Regierungsentwurf des SAG die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung als nationale Abwicklungsbehörde im Sinne der BRRD vor. Das SAG soll zum 1. Januar 2015 in Kraft treten.Parallel zum deutschen Gesetzgebungsverfahren haben die EU-Gremien die Verordnung zur Festlegung eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen verabschiedet (SRM-Verordnung). Die SRM-Verordnung gilt nur für Mitgliedstaaten der Eurozone und für diejenigen übrigen EU-Mitgliedstaaten, die sich freiwillig der Bankenaufsicht der EZB unterwerfen. Die SRM-Verordnung wiederholt die Regelungen der BRRD zu den oben beschriebenen Abwicklungsinstrumenten. Ferner schafft sie eine einheitliche europäische Abwicklungsbehörde in Gestalt des Single Resolution Board, das für die Abwicklungsplanung und die Anordnung und Überwachung der Abwicklung derjenigen Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften und sonstigen Unternehmen zuständig ist, die der EZB-Aufsicht unterstehen.Für die konkrete Umsetzung bleiben die nationalen Abwicklungsbehörden zuständig. In deren Zuständigkeit fällt ferner die Abwicklungsplanung sowie die Abwicklung derjenigen Kreditinstitute und sonstigen Unternehmen, die nicht der EZB-Aufsicht unterstehen. Die SRM-Verordnung wird in wesentlichen Teilen zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Zweifel an RechtsgrundlageEs bestehen Zweifel an einer hinreichenden Rechtsgrundlage im primären EU-Recht für die Übertragung solch weitreichender Kompetenzen auf das Single Resolution Board. Daher sieht die SRM-Verordnung ein komplexes Entscheidungsverfahren vor, das auch die EU-Kommission und den Europäischen Rat in die Entscheidungsfindung einbezieht. Es ist fraglich, ob das komplizierte Entscheidungsverfahren der SRM-Verordnung dafür geeignet ist, die Restrukturierung eines systemrelevanten Kreditinstituts während eines Wochenendes zu gewährleisten. Daher ist eine Änderung des EU-Primärrechts anzustreben, um den Entscheidungsprozess zu verschlanken. GemengelageWeitere Komplexität resultiert aus der rechtlichen Gemengelage zwischen der SRM-Verordnung einerseits und den nationalen Gesetzen zur Umsetzung der BRRD andererseits, in Deutschland also des SAG. Die SRM-Verordnung sieht vor, dass die nationalen Abwicklungsbehörden der Euromitgliedstaaten bei der Abwicklungsplanung und Anwendung von Abwicklungsinstrumenten die Bestimmungen der SRM-Verordnung anzuwenden haben, aber im Übrigen ihre Befugnisse gemäß den nationalen Gesetzen zur Umsetzung der BRRD ausüben sollen. Dies gilt nicht nur für diejenigen Kreditinstitute, die der EZB-Aufsicht und der Abwicklungsaufsicht des Single Resolution Board unterliegen, sondern auch für diejenigen kleineren Kreditinstitute, die weiterhin originär der nationalen Abwicklungsaufsicht unterstehen.Dem Grundsatz nach verbleibt für die materiellen Regelungen des SAG zur Abwicklungsplanung und zu den Abwicklungsinstrumenten ab dem 1. Januar 2016 daher eigentlich kein Raum mehr. In Einzelbereichen werden die Regelungen des SAG als ergänzende einzelstaatliche Konkretisierung der SRM-Verordnung zwar auch nach dem 1. Januar 2016 noch eine Existenzberechtigung besitzen. Im Übrigen stellt sich jedoch die Frage, welche Bestimmungen im konkreten Fall anzuwenden sind. Es ist zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber insoweit im weiteren Gesetzgebungsverfahren des SAG für Klärung sorgt.Zentrale Grundlage der neuen Instrumente zur Bankenabwicklung ist, dass die Fehlanreize (moral hazard) vermieden werden sollen, die in der Vergangenheit aus der Hoffnung auf eine staatliche Stützung kriselnder Kreditinstitute resultierten. Gänzlich ausgeschlossen sind derartige Stützungsmaßnahmen jedoch auch in Zukunft nicht. SAG und SRM-Verordnung erlauben in Ausnahmefällen weiterhin staatliche Stützungsmaßnahmen in Form von Eigenkapitalzufuhr oder Liquiditätsgarantien, sofern diese zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft und zur Wahrung der Finanzstabilität erfolgen.Insbesondere eine Eigenkapitalzufuhr soll weiterhin zwecks Schließung von Kapitallücken zulässig sein, die durch nationale oder europäische Stresstests festgestellt werden. Dies gilt auch für Kapitallücken, die durch die gerade abgeschlossene Asset Quality Review unter Aufsicht von EZB und EBA aufgedeckt werden. Zu diesem Zweck sieht der Regierungsentwurf des SAG vor, dass die Antragsfrist für Stützungsmaßnahmen des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (Soffin) bis zum 31. Dezember 2015 verlängert wird.Allerdings ist eine Eigenkapitalzufuhr des Soffin gemäß den Vorgaben des SAG nur als präventive und zeitlich befristete Maßnahme zulässig. Sie darf also nicht zum Zweck des Ausgleichs bereits aufgelaufener Verluste eingesetzt werden. Ferner muss eine derartige Maßnahme den strengen beihilferechtlichen Anforderungen der sogenannten Bankenmitteilung der EU-Kommission genügen, die seit dem 1. August 2013 gilt. Sie ersetzt weitgehend die früheren beihilferechtlichen Mitteilungen der EU-Kommission zu staatlichen Stützungsmaßnahmen für Banken aus der Zeit der Finanzmarktkrise.Nach den Vorgaben der Bankenmitteilung müssen vor einer staatlichen Rekapitalisierung zunächst die Anteilseigner sowie die Hybrid- und Nachranggläubiger des Kreditinstituts ihren Beitrag zur Verringerung der Kapitallücke leisten. Dies soll zum Beispiel durch eine Umwandlung der Hybridkapital- bzw. Nachranginstrumente in hartes Kernkapital oder durch deren Herabschreibung erfolgen. Eine solche Umwandlung bzw. Herabschreibung muss jedoch nur insoweit erfolgen, wie dies aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen mit den betroffenen Gläubigern möglich ist. Das staatliche Zwangsmittel des Bail-in steht hierfür nicht zur Verfügung. Sein Anwendungsbereich ist auf die Abwicklung bestandsgefährdeter Kreditinstitute beschränkt. Drastische EinschränkungDurch das Zusammenwirken dieser neuen aufsichts- und beihilferechtlichen Vorgaben wird der verbleibende Anwendungsbereich staatlicher Stützungsmaßnahmen zukünftig drastisch eingeschränkt. Daher ist zu erwarten, dass Kreditinstitute, bei denen die Asset Quality Review von EBA und EZB etwaige Kapitallücken aufdeckt, sich auf andere Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis konzentrieren werden. Hierzu gehören zum Beispiel die Aufnahme von Eigenkapital im Aktionärskreis, Maßnahmen des Liability Management oder kapitalgenerierende Verkäufe von Vermögensaktiva.—-*) Dr. Tim Oliver Brandi ist Partner bei Hogan Lovells in Frankfurt.