Phosphat

Neuer Rohstoff-Hype in Norwegen

Ein kleines Start-up-Unternehmen aus Großbritannien will in Norwegen Phosphat-Vorkommen der Superlative gefunden haben.

Neuer Rohstoff-Hype in Norwegen

Neuer Rohstoff-Hype in Norwegen

Britisches Start-up-Unternehmen will die größten Phosphatvorkommen der Welt gefunden haben

Ein kleines Start-up-Unternehmen aus Großbritannien will in Norwegen Phosphatvorkommen der Superlative gefunden haben. Angestrebt wird die Förderung ab 2028. Für die EU gehört Phosphat zu den knappen und strategisch wichtigen Rohstoffen, die unter anderem in der Elektromobilität eine Rolle spielen.

ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Von einem “Game Changer” für Europa ist die Rede, und von der Möglichkeit, die weltweite Industrie für Elektromobilität für nicht weniger als 100 Jahre anzutreiben: Michael Wurmser, Gründer des britisch-norwegischen Bergbauunternehmens Norge Mining, rührt gerade die Werbetrommel für den Abbau eines gigantischen Phosphatfundes in Norwegen, der schon seit 2018 grundsätzlich bekannt ist, dessen Umfang inzwischen aber als sehr viel größer angesehen wird. In Rogaland im Südwesten des Landes sollen “mindestens” 70 Mrd. Tonnen im Boden auf ihren Abbau warten. Das würde die bisher bekannten Vorkommen von weltweit 71 Mrd. Tonnen glatt verdoppeln. Phosphat wird für einen der aktuell in der Elektromobilität eingesetzten Batterietypen, die Lithium-Eisenphosphat-Batterie, eingesetzt. Diese Akkumulatoren neigen im Gegensatz zu klassischen Lithium-Ionen-Batterien nicht zu spektakulären explosionsartigen Feuern. Starten soll der Abbau in Norwegen aber erst 2028. Norwegen soll angeblich eine rasche Genehmigung der Mine erwägen, sofern die weitere Exploration günstige Ergebnisse liefere.

Norge Mining selbst ist ein kleines, erst im November 2018 gegründetes nicht börsennotiertes Unternehmen mit Sitz in London, das über eine norwegische Tochtergesellschaft verfügt. Es besitzt nach eigener Darstellung 61 Explorationslizenzen, die eine Fläche von 520 Quadratkilometern abdecken, in denen es nach Unternehmensangaben nicht nur Phosphat, sondern auch noch Vanadium, Titan und Gold geben soll. Gemäß dem am 22. Februar dieses Jahres veröffentlichten Geschäftsbericht für die 18 Monate per Ende Juni 2022 gibt es bisher noch keine nennenswerten Erlöse, sondern lediglich Kosten und dementsprechend einen Verlust von 14,5 Mill. Pfund. Neue Geschäftszahlen wurden seither auf der Website nicht veröffentlicht. Das Unternehmen erinnert an zahlreiche andere Start-up-Unternehmen aus dem Bergbausektor, von denen viele mit großen Plänen angetreten, später aber gescheitert sind.

Start-up-Unternehmen im Bergbausektor sammeln traditionell Geld bei privaten Investoren mit einer hohen Risikobereitschaft ein, hier scheint es aber auch um öffentliche Fördergelder in beträchtlicher Höhe zu gehen. Grundsätzlich ist Phosphat einer der Rohstoffe, bei denen es in der EU eine gewisse Knappheit gibt und die daher auf der Prioritätenliste der EU-Kommission oben stehen. Auf Anfrage des Online-Mediums Euractiv äußerte sich ein Sprecher der Kommission vorsichtig optimistisch: “Die Entdeckung ist eine bedeutende Neuigkeit, die beitragen würde zu den Zielen des Vorschlags der Kommission zum Critical Raw Material Act.”

Knappheit in Europa

Derzeit gibt es in Europa keinen nennenswerten Abbau des Rohstoffs. Bislang kontrollieren fünf Länder 85% der bekannten Vorkommen, von denen 70% in Marokko liegen. Größter Produzent ist China mit 85 Mill. Tonnen pro Jahr, vor Marokko mit 38 Mill. Tonnen. Ein wichtiger Lieferant ist auch Russland, von dem sich die EU aber dauerhaft lösen will. Rund 90% des Phosphats gehen in Dünger für die Landwirtschaft. 10% sind für den erwähnten Verkehrssektor bestimmt, wobei für die Produktion von Batterien nur 10% der Förderung überhaupt geeignet sind, aus denen dann hochreine Phosphorsäure für die Batterien produziert wird. In China wird dieser Batterietyp in 30% aller Elektroautos eingebaut.

Abgesehen von der – durch den Verzicht auf Lieferungen aus Russland in Kauf genommenen – Knappheit in der EU gilt Phosphat weltweit nicht als knappes und daher strategisch wichtiges Material in dem Maße wie die Seltenen Erden, Kobalt oder Metalle wie Titan, bei denen die EU ebenfalls schlecht aussieht. Sie ist nämlich bei all diesen Rohstoffen auf Lieferungen aus Ländern wie Russland und China angewiesen oder auf den Bezug aus Ländern mit oft instabilen Regierungen wie dem Kongo. Erfolgsmeldungen bei anderen zumindest in Europa knappen Rohstoffen könnten der EU-Kommission also gerade recht kommen. Es könnten daher Subventionen für den Bau der Mega-Minen in Milliardenhöhe fließen.

Als erhebliches Problem könnten sich aber umweltrechtliche Genehmigungen für die schmutzige Phosphatproduktion erweisen. Bislang ist die Herstellung vieler strategischer Rohstoffe in Europa wegen der damit verbundenen Umweltschäden praktisch unmöglich. Aber auch hier weiß das Unternehmen die Antwort: Wurmser betont, dass die geplanten Minen deutlich grüner sein würden als die bisher existierenden, zumal auch das zur Verfügung stehende Phosphatgestein einen höheren Reinheitsgrad aufweise und man das freiwerdende CO2 auffangen und lagern wolle.

Steiniger Weg

Es dürfte ein noch steiniger Weg werden, bis Europa eine eigene Phosphatproduktion hat. Die strategisch-geopolitische Dimension der Angelegenheit sorgt schon jetzt für Aufmerksamkeit, führt aber manchmal auch zu Skurrilitäten. Der britische “Economist” illustrierte einen Bericht über das Unternehmen mit dem Foto einer unberührten norwegischen Landschaft und der Bildunterschrift: “Wo Schlachten gewonnen werden.”

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