Netflix

Neukundenzahl geht auf Talfahrt

Weniger Inhalte, weniger Neukunden und ein trüber Ausblick: Der Videostreaming-Dienst Netflix ist schwach ins Jahr gestartet, behauptet aber, das liege nicht am rasant wachsenden Rivalen Disney+.

Neukundenzahl geht auf Talfahrt

scd Frankfurt

Der steile Aufstieg des Videostreaming-Anbieters Netflix ist vorerst gestoppt. Im ersten Quartal gewann der US-Konzern, der TV-Sendern in den vergangenen Jahren global die Kunden abgegraben hat, nur noch 4 Millionen Neukunden. Traditionell sind im Schlussvierteljahr und im anschließenden ersten Quartal besonders starke Zuwächse zu verzeichnen – ein Netflix-Abonnement wird eben gerne mal zu Weihnachten verschenkt (siehe Grafik). In diesem Jahr fiel der Absturz indes besonders steil aus. Nach 8,5 Millionen Neukunden im vierten Quartal kamen in den ersten drei Monaten knapp 4 Millionen zahlende Abonnenten hinzu. Netflix selbst hatte sich ein Plus von 6 Millionen zugetraut, die Analysten hatten laut Bloomberg im Schnitt sogar noch 300 Millionen mehr auf dem Zettel.

Noch größer fällt die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Wirklichkeit indes im Ausblick aus. Bislang hatten die Unternehmensbeobachter im Schnitt 4,4 Millionen Neukunden für die Monate April bis Juni auf ihren Zetteln stehen. Netflix prognostiziert derweil nur ein Plus von 1 Million Kunden. Das entspräche dem schwächsten Wachstum seit fast einem Jahrzehnt. Die Zahlen sind besonders enttäuschend, wenn sie mit den Vorjahresperioden verglichen werden. Im ersten Quartal 2021 hatte Netflix mit fast 16 Millionen Neukunden einen Rekord aufgestellt. Und auch das zweite Quartal 2020 war mit mehr als 10 Millionen Neukunden außergewöhnlich positiv verlaufen. Nun folgte die Ernüchterung.

Micky Mouse im Nacken

Die Anleger reagierten auf die Wachstumsverlangsamung entsprechend verschnupft. Die Netflix-Aktie verbilligte sich im Vormittagshandel an der US-Börse Nasdaq um 6,4% auf 514,20 Dollar. Der Börsenwert betrug damit noch knapp 228 Mrd. Dollar – etwa 100 Mrd. Dollar weniger als der größte Streaming-Rivale Walt Disney. Der Unterhaltungskonzern ist deutlich später in den Streamingmarkt eingestiegen als Netflix, holt derzeit aber noch mit Siebenmeilenstiefeln auf. Im vierten Quartal des Kalenderjahres, das für Disney das erste des Geschäftsjahres ist, gewann der Mickey-Mouse-Konzern gut 20 Millionen Neukunden auf fast 95 Millionen Abonnenten hinzu. Die 100-Millionen-Marke wurde mittlerweile genommen. Endgültige Zahlen zum abgelaufenen Quartal sollen am 13. Mai vorgelegt werden. Netflix kommt weltweit mit 208 Millionen Kunden auf eine doppelt so hohe Zahl.

Mitgründer und CEO Reed Hastings spielte die Wachstumsdelle des Streaming-Dienstes in der Telefonkonferenz mit Analysten dann auch herunter. Das Unternehmen sei 10 Jahre geräuschlos gewachsen und nun werde es eben etwas ruppiger. CFO Spencer Neumann führt die Flaute darauf zurück, dass es aufgrund des Bedarfs an Unterhaltung im Lockdown vergangenes Jahr einen Vorzieheffekt gegeben habe, der nun geringere Steigerungsraten im laufenden Jahr nach sich ziehe.

Auch ein geringeres Angebot an neuen Shows habe das Wachstum gebremst, glaubt Netflix. Aufgrund der Pandemie sind die Produktionsbedingungen erschwert. Zeitweise musste der Dreh neuer Serien und Filme im Jahr 2020 komplett unterbrochen werden. Das hat nun eine Lücke bei den Neuerscheinungen nach sich gezogen. Im vergangenen Jahr konnten derweil viele Titel, deren Dreharbeiten abgeschlossen waren, noch wie geplant veröffentlicht werden. Mittlerweile ist die Produktion in den meisten Ländern wieder angelaufen. Bis diese in fertige Produkte mündet, dürfte es allerdings noch einige Monate dauern. Erwartet wird ein breiter gefächertes Angebot an neuen Filmen und Serien erst für das zweite Halbjahr.

Zwangspause treibt Cash-flow

Einige positive Nebeneffekte hatte die erzwungene Produktionspause aber auch. Das Ergebnis wurde dank geringerer Kosten auf 1,7 Mrd. Dollar verdoppelt. Je Aktie verdiente Netflix 3,75 Dollar. Im Schnitt hatten Analysten nur mit 2,98 Dollar je Aktie gerechnet. Der freie Cash-flow wurde mehr als verdreifacht auf knapp 700 Mill. Dollar. Die Barreserve ist mittlerweile auf mehr als 8 Mrd. Dollar angewachsen (siehe Tabelle). Netflix hatte 2020 mit 12,5 Mrd. Dollar über 2 Mrd. Dollar weniger für neue Inhalte ausgegeben als 2019. In diesem Jahr sollen die Ausgaben wieder anziehen. Netflix plant mit Investitionen von 17 Mrd. Dollar ins eigene Programm.

Die Konkurrenz durch andere Anbieter wie Disney+ sei nicht der Grund für das langsamere Wachstum, behauptet Netflix. Begründet wird diese Einschätzung damit, dass sich das Wachstum in allen Regionen verlangsamt habe. Allerdings ist der Streaming-Konkurrent, der neben Zeichentricksendungen auch Filme und Serien des Star-Wars-Universums, Dokumentationen von National Geographic und Filme aus dem Marvel-Comic-Helden-Universum im Portfolio hat, bereits in 36 Märkten auf mehreren Kontinenten vertreten. Damit deckt auch Disney die kundenstärksten Märkte ab. Zudem ist das Angebot, trotz der jüngsten Preisanhebung im Herbst, deutlich günstiger als die Netflix-Abos.

Wertberichtigt Seite 8

Netflix
Konzernzahlen nach US-GAAP
1. Quartal
in Mill. Dollar20212020
Umsatz71635768
 USA/Kanada31712703
EMEA23441723
Operatives Ergebnis1960954
Nettoergebnis1707709
Ergebnis je Aktie (Dollar)3,751,57
Operativer Cash-flow777260
Liquide Mittel84365178
Börsen-Zeitung