Strategiewechsel

Novartis gibt Druck der Börse nach

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis erwägt den Verkauf der Generikasparte Sandoz. Damit rückt das Unternehmen weiter von der früheren Strategie der Diversifizierung ab.

Novartis gibt Druck der Börse nach

dz Zürich

Ein Vierteljahrhundert nach der Gründung von Novartis bleibt stetige Veränderung die einzige Konstante beim Baseler Medikamentenmulti. Am Dienstag hat der Konzern anlässlich der Quartalsbilanz eine „strategische Überprüfung“ der Division Sandoz angekündigt. Diese erfolge ergebnisoffen und könne jeden Ausgang, von der Beibehaltung des Geschäfts bis zur Trennung, zum Resultat haben, teilte Novartis mit. Erfahrungsgemäß dürfte die Überprüfung aber in einer Abspaltung von Sandoz enden.

Seit der frühere Sandoz-Manager Jörg Reinhardt im Februar 2014 bei Novartis das Präsidium des Verwaltungsrates übernommen hat, ist der Konzern in schnellen Schritten von der Strategie seines Vorgängers Daniel Vasella abgerückt. Mit der Idee einer Risikodiversifizierung hatte Vasella den Konzern auf mehrere Beine gestellt und diese mit Akquisitionen systematisch verstärkt.

2004 rezyklierte Vasella den Namen der Novartis-Vorgängerfirma Sandoz als Marke für die damals im vollen Aufbau befindliche Generika-Division. In jenem Jahr brachte das Geschäft mit Nachahmermedikamenten mit rund 13000 Angestellten einen Umsatz von knapp 3 Mrd. Dollar ein. Im Jahr darauf erfolgte die Übernahme der deutschen Hexal-Gruppe in Holzkirchen, die das Verkaufsvolumen um weitere 1,7 Mrd. Dollar erhöhte und die Zahl der Mitarbeiter auf 20000 steigen ließ.

Im Jahr 2020 brachte Sandoz mit immer noch 20000 Mitarbeitenden 9,6 Mrd. Dollar Umsatz auf die Waage, fast doppelt so viel wie 2004. Trotz dieser eindrücklichen Produktivitätssteigerung ist die Umsatzmarge von Sandoz seit Jahren tendenziell rückläufig. Vor zehn Jahren hatte Sandoz aus jedem Umsatzdollar rund 15 Cent Be­triebsgewinn gezogen. 2020 betrug dieser Wert noch 10 Cent – halb so viel wie der Novartis-Konzern als Ganzes.

Es gehe darum herauszufinden, wie der Wert der Novartis-Aktionäre am besten maximiert werden können, erklärte CEO Vasant Narasimhan das Motiv für die „strategische Überprüfung“. Die Novartis-Aktionäre mussten sich in der jüngeren Zeit in der Tat mit einer eher bescheidenen Rendite zufriedengeben. Seit der Amerikaner Narasimhan im Februar 2018 als Nachfolger seines Landsmannes Joe Jimenez nach Basel gekommen war, um Novartis zu lenken, hat der Aktienkurs gerade einmal gut 4% zugelegt. Im Vergleich dazu haben die Genussscheine des großen Stadtrivalen Roche 60% gewonnen. Auch der Swiss Market Index liegt mit einem Plus von 30% seit Februar 2018 weit vor Novartis.

Deutlich vor Ende 2022

Eine Abspaltung von Novartis wäre deshalb keine Überraschung. In Finanzkreisen wird erwartet, dass ein solcher Schritt deutlich vor Ende 2022, dem von Novartis selbst genannten spätesten Datum, kommuniziert werden könnte. Ein nicht genannt sein wollender Beobachter glaubt, die Abspaltung könnte bereits Anfang 2022 mit der Veröffentlichung der Geschäftszahlen angekündigt werden. Es sei mit einer separaten Notierung von Sandoz nach dem Vorbild der 2019 abgespalteten Alcon zu rechnen, meint der langjährige Novartis-Kenner. Gegenüber den Finanzanalysten hatte Narasimhan betont, Sandoz sei im Vergleich zu Alcon stärker in den Novartis-Konzern integriert, was gegen einen schnellen Prozess sprechen würde. Allerdings ist die Novartis-Führung schon seit drei Jahren damit beschäftigt, Sandoz operativ aus dem Konzernverbund zu lösen.

Ironischerweise hatte Novartis in den Jahren davor, ebenfalls unter der Ägide von Präsident Reinhardt, viele industrielle und administrative Prozesse zentralisiert – in der vergeblichen Hoffnung, eine höhere Rendite für die Aktionäre herauszuholen. Vasellas Diversifizierungsstrategie hat Reinhardt bis auf Sandoz schon vollständig rückgängig gemacht. Viel erreicht hat er damit für die Aktionäre aber nicht. Die Novartis-Aktie notiert aktuell 22% über dem Stand zum Führungswechsel im Februar 2014. Die Roche-Titel und der Index haben sich doppelt so gut entwickelt.

Novartis
Kennzahlen nach IFRS
9 Monate
in Mill. Dollar20212020
Umsatz3839735889
 davon Sandoz71067109
Betriebsgewinn91277508
 davon Sandoz1214671
Gewinn77125972
Börsen-Zeitung
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