Nur vier Kursgewinner unter den Börsenneulingen
cru Frankfurt – Bis Ende November wiesen nur vier der zwölf Unternehmen, die 2021 im Prime Standard in Frankfurt an die Börse gekommen sind, eine positive Kursentwicklung auf – bei einem Kursrückgang von durchschnittlich 10%. Das ist das Ergebnis der jährlich durchgeführten IPO-Studie der Hamburger Agentur für Finanz- und Unternehmenskommunikation Kirchhoff Consult AG.
Mit 8,6 Mrd. Euro aus zwölf Börsengängen im Prime Standard erreichte das Platzierungsvolumen den zweithöchsten Wert seit der Dotcom-Ära der Jahre 1999/2000 und verzehnfachte sich gegenüber dem Vorjahr. Im Durchschnitt lag das Emissionsvolumen bei 720 Mill. Euro. Die drei größten IPOs waren der Vodafone-Funkturmbetreiber Vantage Towers, der Online-Autohändler Auto1 und der Linux-Softwareanbieter Suse.
Mehr waren es in den vergangenen zehn Jahren nur 2018, als 16 Börsenneulinge 11,6 Mrd. Euro erlösten. Einschließlich der beiden Börsengänge im Wachstumssegment Scale (Apontis und Veganz) und der vier Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) summierte sich das Emissionsvolumen in diesem Jahr auf rund 9,7 Mrd. Euro.
Am schlechtesten schnitt seit dem IPO bis dato der vom Technologieinvestor Softbank gestützte Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 mit einem Kursminus von 55% ab. Die Aktien des Online-Optikers Mister Spex mit dem Brillenkonzern EssilorLuxottica als Großaktionär verloren bislang 51%. Und der Kurs des Rohrverlegers Friedrich Vorwerk aus dem Besitz der Berliner Familienholding MBB büßte bislang 29% ein.
Synlab bisher am besten
Bessere Ergebnisse lieferten die Erstnotierungen, die aus Private-Equity-Portfolios stammten: Am besten war die Kursperformance seit IPO bei der Laborkette Synlab – einem Corona-Gewinner aus dem Portfolio des Finanzinvestors Cinven – mit einem Plus von 26%. Ebenfalls kräftig zulegen konnte der Linux-Softwareanbieter Suse aus dem Besitz des schwedischen Private-Equity-Hauses EQT mit einem Plus von 23%. Auf dem dritten Platz folgt der Online-Fahrradhändler Bike24 der New Yorker Beteiligungsgesellschaft Riverside Partners mit einem Kurszuwachs von bislang 21%.
Der Markt für Börsengänge entwickelte sich 2021 in einem guten Marktumfeld bis Juli sehr stark. Alle zwölf Börsengänge im Prime Standard fanden in diesem Zeitraum statt. Im Herbst hingegen verschoben zahlreiche Unternehmen wie etwa der Online-Autohändler Meinauto, die Sprachlern-App Babbel und die BASF-Öltochter Wintershall Dea ihre IPOs oder sagten sie ab.
Auch deshalb gibt es laut offiziellen Informationen und Marktgerüchten eine lange Kandidaten-Pipeline für Börsengänge im Jahr 2022 mit derzeit rund 100 potenziellen Emittenten. Darunter befinden sich Fintechs wie N26 und Solarisbank, Abspaltungen von Konzernen wie Uhde Chlorine Engineers (Elektrolyse, Thyssenkrupp) und Parship Meet (Online-Partnervermittlung, ProSiebenSat.1 und Finanzinvestor General Atlantic) sowie der Prothesenhersteller Ottobock und das Greifswalder Pharmaunternehmen Cheplapharm. Sofern sich die Aktienkurse stabil entwickeln und die Weltwirtschaft weiter dynamisch wächst, dürfte die Covid-19-Pandemie laut Kirchhoff Consult weiteren Börsengängen nicht im Weg stehen.
„In einem volatilen Kapitalmarktumfeld steigen die Anforderungen der Investoren“, sagt Kirchhoff-Vorstand Jens Hecht. „Die IPO-Pipeline ist aber prall gefüllt mit vielen sehr aussichtsreichen Unternehmen. Wir rechnen daher mit mindestens 15 Börsengängen im Jahr 2022.“
Als „Eisbrecher“ könnte Cheplapharm fungieren. Das auf patentfreie Arzneimittel spezialisierte Unternehmen strebt die Erstnotiz für Januar oder Februar an. Dabei könnte Cheplapharm, die zu 75% bei den Familieneigentümern Sebastian Braun und Bianca Juha bleiben soll, mit mehr als 10 Mrd. Euro bewertet werden.