Nvidia schürt Anlegerhoffnung auf ungebrochenen KI-Boom
Nvidia winkt Lockerung des Korsetts
USA erwägen dauerhafte Erleichterungen für das Geschäft mit Chip-Herstellern mit China – KI-Boom nährt Euphorie der Anleger
Harte Exportkontrollen der US-Regierung gelten bisher als einer der wenigen Stolpersteine für Nvidia. Gemäß aktueller Berichte will Washington den Ambitionen der Halbleiterkonzerne aber keine größeren Steine mehr in den Weg legen. An der Börse treten politische Risiken ohnehin in den Hintergrund.
xaw/hei New York, Frankfurt
Der auf Grafikkarten und Hochleistungschips spezialisierte US-Technologiekonzern Nvidia darf darauf hoffen, dass Washington seinen Wachstumsambitionen keine größeren Steine in den Weg legen wird. Während die US-Regierung zuletzt wissen ließ, dass sie Handelsrestriktionen bezüglich der fortschrittlichsten Hochleistungschips künftig auch auf weniger potente Prozessoren ausweiten könnte, wird zugleich bekannt, dass vielfältig bestehende Ausnahmen verlängert werden sollen. Dabei geht es sowohl um Highend-Halbleiter als auch um Fertigungstechnik für solche, wie asiatische Medien berichten.
Exportkontrollen im Fokus
Zugute kommen die Ausnahmen unter anderem Konzernen wie Samsung, SK Hynix und TSMC. Sie würden normalerweise im Oktober auslaufen, eine Frist für die Verlängerung wird nicht genannt. Allerdings ist die Rede davon, dass die Ausnahmen dauerhaft gewährt werden sollen. Auch Nvidia gilt als Hauptbetroffene der umfangreichen Exportkontrollen, die Washington im vergangenen Jahr in Bezug auf Ausfuhren nach China verhängte. Die US-Regierung fürchtet, dass Peking die Halbleiterprodukte für militärische Anwendungen einsetzen könnte. Nvidia schätzte im August 2022, dass die Lizenzierungsanforderungen der US-Regierung den Absatz um bis zu 400 Mill. Dollar pro Quartal belasten könnten.
Inzwischen hat der Konzern zwar weniger leistungsfähige Varianten seiner Produkte für den chinesischen Markt entwickelt. Dennoch warnte Nvidia-CFO Colette Kress im Analystencall, dass Restriktionen für ihre Daten-Chipsets langfristig die Fähigkeit der US-Unternehmen untergraben könnten, "in einem der größten Märkte der Welt wettbewerbsfähig und führend zu sein." Laut der Citigroup machten Exporte nach China in der Vergangenheit 20 bis 25% der Nvidia-Verkäufe von Halbleitern für Datenzentren aus.
Erlöse verdoppelt
Bei den Anlegern treten politische Sorgen aber einmal mehr in den Hintergrund, nachdem Nvidia die bereits hohen Erwartungen mit der jüngsten Zahlenvorlage deutlich übertroffen hat. Im Ende Juli abgeschlossenen zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2024 verdoppelte der Konzern seine Erlöse im Vergleich zum Vorjahr auf einen Rekordwert von 13,51 Mrd. Dollar. Analysten hatten im Konsens mit einem Umsatzsprung auf 11,9 Mrd. Dollar gerechnet. Der Nettogewinn fiel mit 6,19 Mrd. Dollar ebenfalls deutlich höher aus als an der Wall Street erwartet – gegenüber dem zweiten Geschäftsquartal 2023 ergab sich somit ein Plus von 422%.
Analysten blickten unterdessen gespannt auf den Ausblick. Für das laufende Vierteljahr erwartet Nvidia nun einen Erlös von 16 Mrd. Dollar, die Prognose liegt rund 3,5 Mrd. Dollar über den an der Wall Street herumgereichten Schätzungen. Die Aktie zog darauf im nachbörslichen New Yorker Handel am Mittwoch um 10% an, auch nach Eröffnung am Donnerstag lag sie im Aufwind.
Milliardenschwere Rückkäufe
Im bisherigen Jahresverlauf hat der Titel seinen Wert bereits mehr als verdreifacht und ist mit weitem Abstand der Top-Performer im S&P 500. Außer Tesla zieht zudem keine andere US-Aktie ein so hohes Interesse an den Terminmärkten an, wo sich der Großteil der Trader vor der jüngsten Zahlenvorlage mit Call-Optionen für eine Rally bis in den Bereich zwischen 600 und 700 Dollar positionierte. Im frühen New Yorker Handel am Donnerstag notierte die Aktie zu 484,15 Dollar. Für weiteren Schwung dürfte laut Analysten nun ein 25 Mrd. Dollar schweres, zeitlich unbegrenztes Aktienrückkaufprogramm sorgen, das der Verwaltungsrat zu Beginn der laufenden Woche absegnete.
Anleger werteten die Ankündigungen als klares Zeichen dafür, dass der Nachfrageboom um die Chipsätze von Nvidia noch lange nicht nachlässt. Laut dem Analysedienst Precedence Research dürfte allein der Markt für Halbleiter, die für Anwendungen der künstlichen Intelligenz ausgelegt sind, ausgehend von einem Volumen von 16,9 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr bis 2032 mit einer durchschnittlichen Rate von nahezu 30% bis auf 227,5 Mrd. Dollar wachsen.
Gewaltiger Nachfrageüberhang
"Unternehmen weltweit stellen von Allzweck- auf beschleunigtes Computing und generative KI um", betonte Nvidia-CEO Jen-Hsun "Jensen" Huang. Die Grafikprozessoren des kalifornischen Unternehmens bilden die wichtigste technologische Grundlage für KI-Tools wie ChatGPT und Anwendungen von Microsoft und Alphabet. Der Windows-Konzern hat seine Suchmaschine Bing mit Technologie von OpenAI ausgerüstet, die Konkurrentin hält mit einer KI-Integration für die Google-Suche dagegen. Nach Schätzung von Analysten übertrifft die Nachfrage nach Chips, die leistungsfähig genug für generative KI-Anwendungen sind, das Angebot um mindestens 50%.
Nvidia kommt dabei auch deshalb nicht hinterher, weil der Konzern seine Halbleitersätze nicht selbst produziert. Vielmehr sind die Kalifornier vom taiwanesischen Auftragsfertiger TSMC abhängig. Marktbeobachter warnen davor, dass sich das Wachstum von Nvidia verlangsamen könnte, wenn der Zulieferer seine Produktion nicht ausreichend ausweite. Im Mai teilte das US-Unternehmen allerdings mit, sich für das zweite Halbjahr ein "substanziell" höheres Angebot gesichert zu haben.
Unterdessen rücken allerdings auch die Fortschritte der Konkurrenz bei der Entwicklung hochleistungsfähiger Prozessoren in den Fokus der Analysten. Advanced Micro Devices, wie Nvidia in Santa Clara ansässig, musste für das zweite Quartal zwar einen deutlichen Umsatzrückgang vermelden – gilt aber als Schlüsselwettbewerber des KI-Vorreiters.
AMD fährt Produktion hoch
AMD verfügt über eine eigene Linie an KI-Prozessoren und gewachsene Beziehungen zu Betreibern von Datenzentren, die viel Computing-Power benötigen. Bisher erreichen die Chips des Herausforderers gemäß Tests des Software-Startups MosaicML 80% der Geschwindigkeit ihrer Nvidia-Pendants. Doch AMD will die Produktion der leistungsfähigeren Prozessoren-Serie MI300, deren Marktstart noch für das laufende Jahr vorgesehen ist, direkt kräftig hochfahren.
Wie Advanced Micro Devices investiert auch der ehemalige Chip-Platzhirsch Intel Milliarden in den Ausbau seines KI-Angebotes. Im Jahr 2019 kaufte der Konzern den in Israel ansässigen Entwickler Habana Labs für rund 2 Mrd. Dollar und produziert nun dessen Prozessoren. AMD ließ sich die Übernahme von Xilinx, dem weltgrößten Designer von programmierbaren Logikchips, im vergangenen Jahr 35 Mrd. Dollar kosten. Doch auch Nvidia treibt die Entwicklung weiter rasant voran.