Ohrfeige für Kohlekommissar Pofalla
Das Konzept des Co-Vorsitzenden der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission, Ronald Pofalla, wonach zwischen 2035 und 2038 die letzten Kohlekraftwerke geschlossen werden sollen, trifft auf harsche interne Kritik. Zehn der 28 Kommissionsmitglieder rufen Pofalla in einem Brief zur Ordnung.cru Düsseldorf – Die Kohlekommission der Bundesregierung steht in der Sitzung am heutigen Dienstag vor einer Zerreißprobe. Zehn der 28 Mitglieder, die nahezu die gesamte deutsche Wirtschaft repräsentieren, haben sich in einem Brief an den Co-Vorsitzenden des Gremiums, Ronald Pofalla heftig beschwert, weil dieser – zugleich Bahnvorstand, NRW-Interessenvertreter und Ex-CDU-Kanzleramtsminister – die Schließung der letzten Kohlekraftwerke zwischen 2035 und 2038 vorschlägt. Zu den Unterzeichnern des Briefs, der der Börsen-Zeitung vorliegt, zählen unter anderem BDA-Chef Steffen Kampeter, BDI-Präsident Dieter Kempf und DIHK-Präsident Eric Schweitzer sowie IGBCE-Chef Michael Vassiliadis, Verdi-Vorstand Andreas Scheidt und DGB-Vorstand Stefan Körzell.”Die Berichterstattung zu inhaltlichen Sachverhalten, die derzeit nicht innerhalb der Kommission erörtert werden, hat uns in höchstem Maße irritiert”, heißt es in dem Brief. “In der Kommissionssitzung am Dienstag (18. September) ist es daher dringend erforderlich, dass Sie den Kommissionsmitgliedern erläutern, welche Gespräche Sie mit der Bundesregierung geführt haben und wie angesichts der Veröffentlichungen eine vertrauensvolle Konsensfindung aus Ihrer Sicht noch möglich ist.” Zuvor waren schon RWE sowie die Betriebsräte des Kraftwerksbetreibers und die Gewerkschaft IG BCE gegen die angeblich konkreten Pläne der Kohlekommission für ein vorzeitiges Ende der Kohlekraftwerke auf die Barrikaden gegangen. Das kolportierte Enddatum 2035 für die Kohleverstromung könne aus Sicht von RWE nicht Bestandteil einer Lösung sein, teilte der Konzern mit. “Dieser Zeitraum ist für das Unternehmen nicht akzeptabel.” Erste Kraftwerke abschaltenDarüber hinaus werde vorgeschlagen, in Deutschland Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt fünf bis sieben Gigawatt bis zum Jahre 2020 vom Netz zu nehmen und als Reserve zu behalten. Ob das mit Blick auf die Versorgungssicherheit überhaupt möglich sei, müsse die dafür verantwortliche Bundesnetzagentur bewerten, meint RWE. Die Braunkohle leiste in diesem Zeitraum bereits ihren Beitrag zur CO2-Minderung durch die Überführung von Kraftwerken mit einer Leistung von 2,7 Gigawatt in die “Sicherheitsbereitschaft” – wofür die Braunkohleverstromer RWE, EPH und Mibrag aber mit 1,6 Mrd. Euro entschädigt werden, wie RWE unerwähnt lässt.Der Kurs der RWE-Aktie reagierte auf Pofallas offensichtlich nicht mit den übrigen Kommissionsmitgliedern abgestimmtes Konzept am Montag mit einem Minus von zeitweise 0,6 % auf 21,43 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich damit seit 2011 im Zuge der Energiewende halbiert auf 12,3 Mrd. Euro.”Ein Enddatum 2035 bis 2038 ist das K.-o.-Kriterium für eine seriöse Debatte über die Zukunft der Kohleverstromung in Deutschland”, erklärten der RWE-Konzernbetriebsratsvorsitzende Leonhard Zubrowski und der Gesamtbetriebsratschef der Kraftwerkstochter RWE Power, Harald Louis. “Es ist empörend, wie hier leichtfertig mit der Zukunft der Kollegen umgegangen wird.”Nach einem Gesetz aus dem Jahr 2015 werden 2018 schrittweise 2,7 Gigawatt oder 13 % der heutigen Braunkohlekapazität erst in eine Sicherheitsbereitschaft überführt und 2022 endgültig stillgelegt. Damit will die Regierung ihr nationales Klimaziel für 2020 doch noch erreichen, das bei der CO2-Emission eine Reduktion von 40 % vorsieht. Üppige EntschädigungIm Gegenzug erhalten die Unternehmen für ihre acht alten Braunkohleanlagen im Bereitschaftsmodus jährlich bis 2022 im Schnitt 230 Mill. Euro. Wie bei der Kapazitätsreserve werden die Kosten auf die Netzentgelte aufgeschlagen, die alle Verbraucher über den Strompreis mitzuzahlen haben. Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Reserve nie benötigt wird.Dennoch stellen die Energiekonzerne das Thema Versorgungssicherheit in den Vordergrund: “Die Dunkelflaute war das prägende Ereignis im Energiewinter 2016/17 – so gut wie keine Windkraft, keine Solarenergie und noch dazu große Kälte”, meint RWE-Braunkohlechef Lars Kulik. Nahezu der gesamte konventionelle Kraftwerkspark habe ans Netz gemusst. Während die Kohlekommission noch 2018 über den sozialverträglichen Kohleausstieg zu entscheiden versucht, lässt RWE derzeit für den Tagebau den uralten Hambacher Wald abholzen.