Operation an Haupt und Gliedern nötig

Alix Partners empfiehlt Telekomfirmen radikale Restrukturierung - Vereinfachung und Kostensenkung geboten

Operation an Haupt und Gliedern nötig

Dem Dilemma der europäischen Telekomfirmen, die wachsende Kluft zwischen hohen Investitionserfordernissen in Infrastruktur und stagnierenden Einnahmen, ist aus der Sicht der Beratungsgesellschaft Alix Partners nur mit radikaler Restrukturierung zu begegnen.hei Düsseldorf – Ein langfristiger Vergleich der Börsenkurse des europäischen Telekomsektors (Euro Stoxx 600 Telecoms) mit der Wertentwicklung des sogenannten Gafa-Korbs (Google, Apple, Facebook und Amazon) zeigt die bevorzugte Kapitalallokation der Anleger auf einen Blick. Während die Gafa-Aktien seit Jahresbeginn 2009 rund 750 % gewonnen haben, hat der Euro Stoxx Telecoms in diesem Zeitraum nahezu stagniert. Die Börse ist Spiegelbild der Umsatzentwicklung. Seit 2011 haben Gafa ein Umsatzplus von 200 % erzielt, die europäischen Telekomunternehmen dagegen ein Minus von 2 % zu verzeichnen.Um der Misere zu entkommen und Umsatz und Ertrag zu steigern, müssen die europäischen Konzerne aus der Sicht von Roman Friedrich, Telekommunikationsexperte und Managing Director bei Alix Partners, eine Operation an Haupt und Gliedern vornehmen. Den Unternehmen laufen die Kosten davon, weil die explodierenden Datenverkehre immer höhere Investitionen in die Netze, aber auch einen erhöhten operativen Aufwand nach sich ziehen. Noch immer ist die Netzarchitektur vieler Konzerne ein Wildwuchs zahlreicher Technologien, was äußerst kostentreibend sei. Da die Umsatzentwicklung mit den Verkehren auf den Netzen mitnichten Schritt hält, haben nahezu alle Unternehmen wiederholt Kostensenkungsprogramme angestoßen. Die kratzen laut Friedrich aber häufig nur an der Oberfläche. Nötig sei eine tiefgehende Umgestaltung des Geschäftsmodells. Digitalisierung ist Treiber”Dabei ist es nachrangig, welche und wie viele Mehrwert-Services sie zusätzlich anbieten. Zunächst geht es um die Restrukturierung und Digitalisierung ihres Kerngeschäftes – als Grundlage für mögliche weitere digitale Dienste”, so Friedrich.Der Experte räumt ein, dass neue digitale Geschäftsmodelle in der Regel mit einem deutlichen verringerten Personalbestand auskommen – ein Umbau, bei dem Konzerne wie die Deutsche Telekom auf massive Widerstände stoßen. Jedoch führe kein Weg an einer Neuausrichtung vorbei, wenn sich die Unternehmen für die Zukunft rüsten wollten und zugleich den Aufbau einer breitbandigen Netzinfrastruktur beschleunigen wollten. Deutschland hinkt hier im internationalen Vergleich hinterher.Alix Partner betrachtet in der Branche drei unterschiedliche Archetypen von Geschäftsmodellen als denkbar und vielversprechend. Zum einen könnten sich Telekomfirmen als reine Konnektivitätsanbieter profilieren, das heißt, sie verkaufen hochwertige Netzkapazitäten an Dritte, die darauf ihre Dienste anbieten. Dieses Versorgermodell, wie es aktuell beispielsweise Tele2 betreibt, könne auf Basis moderner digitaler Systeme mit geringem Personalaufwand betrieben werden und sei daher lukrativ. Eine zweite Möglichkeit sei eine Plattform-Strategie, wie sie etwa TDC oder die Deutsche Telekom verfolgen. Auch hier eröffnen sich Ertragschancen von bis zu 40 %. Hier hat die Telekom noch deutlichen Nachholbedarf.Als Drittes komme noch die Strategie eines “Innovationsführers” vornehmlich mit intelligenten Netzservices in Betracht, dafür seien aber heute allenfalls Marktführer in Asien wie SK Telecom oder NTT Docomo aufgestellt.Von den drei Transformationsbereichen interne Prozesse (Support), Technology und Geschäftsprozesse sind die europäischen Telekomfirmen aus der Sicht der Berater vor allem bei Letzteren noch lange nicht weit genug. Eine nahtlose und befriedigende digitale Kundenerfahrung, wie sie die Gafa-Gruppe bietet, sei noch nicht erreicht. Hier fehle es an Produktinnovation ebenso wie an Data Analytics und entsprechenden Kompetenzen. Die Zeit drängt jedoch, wenn die Branche von der Digitalisierung im kommerziellen Bereich (Internet der Dinge u. a.) profitieren wolle.