Arzneimittelversorgung

Pharma zeigt Resilienz in den Lieferketten

Pandemie und Ukraine-Krieg heizen die Diskussion über regionale Abhängigkeiten in der Arzneimittelversorgung an. Bislang haben die Lieferketten gehalten, doch die Branche warnt vor strukturellen Defiziten.

Pharma zeigt Resilienz in den Lieferketten

swa Frankfurt

Die Diskussion über die Anfälligkeit globaler Wertschöpfungs- und Lieferketten läuft seit vielen Jahren. Mit Beginn der Corona-Pandemie hat sich diese Debatte speziell in der Pharmaindustrie verschärft, der Angriffskrieg in der Ukraine und die angespannten Beziehungen zwischen den USA und China forcieren die Überlegungen, Abhängigkeiten abzubauen. In Politik und Wirtschaft wird zunehmend die Notwendigkeit gesehen, die Produktion systemrelevanter Güter wie Medikamente oder Impfstoffe in die eigene Einflusssphäre zurückzuverlagern.

Aus Sicht des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) hat die Branche den Stresstest bislang bestanden. „Trotz der Störung während der Corona-Pandemie wurde die Versorgung mit Arzneimitteln jederzeit gewährleistet“, sagt VFA-Präsident Han Steutel. Gleichwohl müsse es darum gehen, einzelne Abhängigkeiten innerhalb der pharmazeutischen Lieferketten zu verringern. Dies gehe aus einer Studie hervor, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln gemeinsam mit IW Consult und dem Healthcare Supply Chain Institute in Heilbronn erstellt hat.

Mit Blick auf den Anstieg von Meldungen über Lieferengpässe im Frühjahr des ersten Corona-Jahres 2020 verweisen die Autoren der Studie darauf, dass sich die Situation nach etwa sechs Wochen auf dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie stabilisiert habe. Die pharmazeutischen Hersteller hätten im Vergleich zu anderen Industrien sehr hohe Bestände, so dass sich keine Unterbrechung der Versorgung habe erkennen lassen.

Globales Phänomen

Je nach Produktsegment zeigen sich indes teilweise hohe Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern – speziell bei pharmazeutischen Grundstoffen und generischen Arzneimitteln. Dabei ist die intensiv diskutierte Dominanz asiatischer Wirkstoffherstellern der Studie zufolge ein globales Phänomen. Die deutsche Arzneimittelindustrie kauft pharmazeutischen Grundstoffe, die sie nicht selbst herstellt, nahezu vollständig von ausländischen Anbietern, wobei China und Indien hier eine herausgehobene Stellung haben – etwa bei Vitaminen oder Antibiotika. Auch pharmazeutische Spezialitäten importieren die deutschen Arzneimittelhersteller zu rund drei Vierteln aus dem Ausland; hier ist jedoch die Schweiz als großer Produzent das größte Zulieferland – dort hat Lonza als einer der weltweit führenden Auftragsfertiger für die Pharma seinen Sitz. Chemische Vorleistungen wiederum importiert die deutsche Pharmabranche zu rund zwei Dritteln aus EU-Ländern.

Zieht man den Radius breiter, zeigt sich Asien mit 68% der Registrierungen als bedeutendste Region für Arzneimittelwirkstoffe, die für den gesamten europäischen Markt bestimmt sind. Als führend wird hier Indien genannt mit 37% der Produktion sowie China mit 24%. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die USA. Für einzelne generische Wirkstoffe liegt der Anteil asiatischer Hersteller am europäischen Bedarf bei über 90%.

Das Bild dreht sich, wenn biopharmazeutische Wirkstoffe betrachtet werden. Für dieses Segment befinden sich die Produktionsstätten überwiegend in Europa (54%) und in den USA (32%). Nach Überzeugung des Pharmaverbands VFA ist hier aber ein Wandel zu erkennen. So habe die europäische Arzneimittelbehörde EMA seit 2013 zehn Biopharmazeutika mit Fertigung in China und Indien zugelassen. Die beiden Länder entwickelten sich zu „ernstzunehmenden Konkurrenten“ auch im innovativen Arzneimittelsegment. Angesichts dieses Szenarios sei es notwendig, den Standort Deutschland durch verlässliche industriepolitische und regulatorische Rahmenbedingungen zu sichern.

Die Stärkung der EU als Produktionsstandort ist auch strategisches Ziel europäischer Auftragsfertiger. Der französische Arzneimittelhersteller Sanofi hat via Carve-out das Unternehmen EuroAPI aus der Taufe gehoben, um zusätzliche Lieferkapazitäten für pharmazeutische Wirkstoffe für Europa sicherzustellen.