Platzhirsche nicht erwünscht

Dominante Personen im Aufsichtsrat erschweren nach Meinung von Gremienmitgliedern die Kontrolle

Platzhirsche nicht erwünscht

Die Anforderungen an Aufsichtsräte steigen. Investoren verlangen Diversität, klare Rollenverteilungen, begrenzte Amtszeiten, Unabhängigkeit und eine überschaubare Anzahl an Mandaten. Wie zwei Studien zeigen, gibt es weiterhin Verbesserungsbedarf in der Besetzung der Kontrollgremien. swa Frankfurt – Die professionelle Organisation von Aufsichtsräten ist seit geraumer Zeit ein Anliegen von Investoren und auch vielen Gremienmitgliedern selbst. Wie aus einer Studie der Personalberatung Kienbaum hervorgeht, kommt es aus Sicht der Beteiligten auch auf die Persönlichkeitsstruktur an. Nicht nur mangelnde Vielfalt, sondern auch eine zu starke Dominanz einzelner Mitglieder schränken die Qualität der Aufsichtsratsarbeit am deutlichsten ein, so ein Ergebnis der Untersuchung.Dass Platzhirsche nicht erwünscht sind, wird damit begründet, dass die Beiträge anderer Gremienmitglieder in Diskussionen eingeschränkt würden. Für die Studie wurden Vorstände und Aufsichtsräte befragt. Eine unzureichende Vielfalt an Persönlichkeiten und Meinungen im Gremium führen aus Sicht der Betroffenen zu einer selektiven und eingeschränkten Wahrnehmung. Entscheidend für eine professionelle Arbeit sei zudem genügend Zeit, um sich mit wichtigen Themen in der gebotenen Tiefe auseinanderzusetzen, heißt es. Für unbefriedigend hält es noch fast die Hälfte der Befragten, wenn der Fokus des Aufsichtsrats zu stark auf kurzfristige Themen ohne Verknüpfung zur langfristigen Strategie gelegt werde.Angesichts komplexer Rahmenbedingungen und zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit wird es nach Einschätzung der Befragten immer wichtiger, den “kritischen, unabhängigen Blick von außen mit Offenheit, Neugierde und Veränderungswillen” zu kombinieren. Aus Sicht von Investoren kann diese Anforderung eher mit kürzeren Amtszeiten von Aufsichtsräten erfüllt werden. Deshalb hatte auch die für den Deutschen Corporate Governance Kodex zuständige Kommission die Empfehlung einer Bestellzeit von drei Jahren ins Regelwerk geschrieben, diesen Vorschlag aber nach heftigem Protest aus Unternehmen wieder kassiert. Im europäischen Vergleich hat Deutschland mit maximal fünf Jahren die längste Amtszeit (siehe Grafik). Internationale BesetzungAuch das Aufgabenspektrum für Aufsichtsräte verändert sich. Die Mitglieder müssen sich nach Einschätzung der Befragten noch stärker mit der Zukunftsfähigkeit von Organisationen und technologischen Entwicklungen befassen.Wie aus einer Untersuchung der Personalberatung Korn Ferry hervorgeht, mangelt es noch an internationalen Repräsentanten in den Gremien. Gerade mal etwas mehr als 10 % der Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen hätten relevante Erfahrung im Nicht-EU-Ausland erworben, heißt es in der Studie.”Diversität im Aufsichtsrat sollte nicht nur hinsichtlich des Geschlechts und Alters diskutiert werden”, mahnt Michael Bursee, Vergütungsexperte von Korn Ferry. “Auch andere Faktoren wie kulturelle Herkunft und Erfahrung im Ausland sind relevante Merkmale eines diversen ,Boards’.” Hier sieht der Berater Nachholbedarf: Gut 70 % der Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte in Deutschland seien Deutsche. Zwei Drittel hätten ihren beruflichen Erfahrungsschwerpunkt in Deutschland. Nur in Spanien seien mehr Aufsichtsräte selbst Spanier, und zwar 79 %. Am anderen Ende der Tabelle steht die Schweiz, in der weniger als die Hälfte (43 %) aus dem eigenen Land kommen. In Großbritannien sind gut 50 % britisch, im europäischen Durchschnitt 60 %. Bursee empfiehlt den Unternehmen, “insbesondere für ihre Märkte relevante Erfahrung aus dem Ausland auch im Aufsichtsgremium zu integrieren”.Die Zahl der Frauen in Aufsichtsräten nimmt zu, durchschnittlich 33 % sind es in Dax-Unternehmen. “Die Quote wirkt”, fasst es Bursee zusammen. Aber auch hier hinkt Deutschland hinterher. In den 13 von Korn Ferry untersuchten westeuropäischen Ländern sind 8 % der Vorsitzenden des Gremiums weiblich. Frauen machen ein Fünftel der stellvertretenden Vorsitzenden aus. Dem Vergütungsausschuss sitzen in 31 % der Fälle Frauen vor, dem Prüfungsausschuss in 29 % und dem Ausschuss für Risikobewertung in 20 %. In Deutschland wird nur ein Dax-Aufsichtsrat von einer Frau geführt – bei Henkel mit Simone Bagel-Trah. – Wertberichtigt Seite 6