Pleitewelle beginnt im Herbst

Euler Hermes befürchtet bis 2021 weltweiten Anstieg der Insolvenzzahlen um 35 Prozent

Pleitewelle beginnt im Herbst

ab Düsseldorf – Im Gefolge der Covid-19-Pandemie dürfte es in diesem und im nächsten Jahr zu einem Anstieg der weltweiten Insolvenzzahlen um kumuliert 35 % kommen. Das ist das ernüchternde Ergebnis der jüngsten Studie des Kreditversicherers Euler Hermes. Haben staatliche Stützungsmaßnahmen und veränderte Insolvenzantragspflichten das Insolvenzgeschehen in vielen Ländern bislang begrenzt, dürfte spätestens im Herbst überall auf der Welt die Pleitewelle einsetzen. Zu einem ähnlichen Ergebnis war die Wirtschaftsauskunftei Creditreform vor einem Monat bei der Analyse des Insolvenzgeschehens in Deutschland gekommen (vgl. BZ vom 16. Juni).Nach Einschätzung von Euler Hermes wird die Pleitewelle bis weit ins nächste Jahr andauern. “Spätestens im dritten Quartal des Jahres wird die Zeitbombe hochgehen, und die Schockwellen dürften sich ins gesamte erste Halbjahr 2021 ausbreiten”, schätzt Ron van het Hof, Deutschland-CEO von Euler Hermes.Während Deutschland trotz der starken Abhängigkeit von der Exportindustrie mit einem blauen Auge durch die Krise kommen dürfte, sei nicht zu übersehen, dass es hierzulande bereits im ersten Halbjahr zu einer Häufung von Großinsolvenzen in Schlüsselbranchen wie der Automobil- und der Metallindustrie gekommen sei.Im internationalen Vergleich kommt die Bundesrepublik nach der Studie mit einem Anstieg der Insolvenzzahlen in den Jahren 2020 und 2021 um geschätzt 12 % auf etwa 21 000 Insolvenzen jedoch noch glimpflich davon. Auf Zwei-Jahres-Sicht führen die USA, Brasilien und China mit Zuwächsen um 57 %, 45 % und 40 % das Negativranking an. Mit Großbritannien (43 %), Spanien (41 %), Italien (27 %), Belgien (26 %) und Frankreich (25 %) gehören jedoch auch einige Kernländer aus Europa zu den “Hotspots”.Zudem lasse sich eine Zweiteilung im Insolvenzgeschehen erwarten. Während es in zwei Dritteln der Länder 2020 zu einem sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten kommen dürfte, könnte sich das Insolvenzgeschehen in einigen Ländern erst 2021 verschärfen. Zu diesem Ländern gehören gemäß der Studie Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, die Schweiz oder auch Indien. Einer der Hauptgründe dafür seien neben staatlichen Stützungsmaßnahmen die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie aufgrund des Lockdown behördliche Verzögerungen bei der Bearbeitung von Insolvenzanträgen. Noch sinken die ZahlenDie kurzfristige Wirkung staatlicher Stützungsmaßnahmen lässt sich auch an den Insolvenzstatistiken für die ersten Monate des Jahres ablesen. So sei es in vielen Ländern im Zeitraum März bis Mai zu deutlichen Rückgängen bei der Zahl der gestellten Insolvenzanträge gekommen, die letztlich zu einem prozentual zweistelligen Rückgang der Insolvenzzahlen seit Jahresbeginn führten. Unter den großen Volkswirtschaften bildeten lediglich die USA und China in dieser Hinsicht Ausnahmen. So verringerte sich der globale Insolvenzindex im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem zweiten Halbjahr 2019 um 4 %. Dabei kam es nach den Angaben in Westeuropa zu einem Rückgang um 15 %, gefolgt von Zentral- und Osteuropa, wo die Insolvenzen im Jahresvergleich um 7 % nachgaben. Mit dem Ende der temporären Änderungen der Insolvenzantragspflichten dürfte sich der Trend umkehren – in Europa wird damit im vierten Quartal gerechnet.Letztlich dürfte der globale Insolvenzindex 2020 auf das Niveau von 2009 steigen, bevor 2021 ein Negativrekord erreicht werde. Das Insolvenzgeschehen dürfte sich noch verschärfen, sollten die Staaten ihre Stützungsmaßnahmen vorzeitig beenden. Umgekehrt fördere die Verlängerung staatlicher Stützungsmaßnahmen das Entstehen von Zombie-Firmen, heißt es in der Studie. Dadurch steige das Risiko für einen mittel- bis langfristigen Anstieg der Insolvenzzahlen.