ProSiebenSat.1 will sich allein behaupten
jh München
Das wichtigste und margenstärkste Geschäft von ProSiebenSat.1 holt auf: Der Werbeumsatz im Mai liege auf dem Niveau des vor zwei Jahren erzielten Werts, berichtete der Vorstandssprecher Rainer Beaujean auf der Hauptversammlung. Im Mai sei der Reklameerlös um 60% gestiegen. Auch für den Juni sehe es sehr gut aus. Die Erholung ist aus seiner Sicht ein Beleg, dass Corona das Werbegeschäft nicht strukturell geschwächt habe. Der Kurs des im MDax notierten Titels legte am Dienstag um 2,1% auf 18,92 Euro zu.
Auf der Hauptversammlung beantworteten die drei Vorstände und der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Brandt mehr als 260 Fragen, darunter viele Details wie Mitgliedsbeiträge für Verbände und Dienstwagen. Es gab zudem die Möglichkeit, Fragen während des Aktionärstreffens zu stellen. Die Veranstaltung dauerte länger als sieben Stunden – auch weil mehrfach gestellte Fragen einzeln beantwortet wurden.
Ein Thema war der wiederholt vom italienischen Großaktionär Mediaset öffentlich geäußerte Wunsch für eine stärkere Zusammenarbeit mit ProSiebenSat.1. Nach Darstellung des deutschen Unternehmens wandte sich Mediaset damit bisher aber nicht an den Vorstand. Beaujean sagte, er stehe Vorschlägen offen gegenüber und würde Strategien prüfen. Diese müssten jedoch allen Beteiligten Vorteile bringen. „Denn unsere eigene Strategie ist klar, und sie bedarf keiner Hilfe von außen“, fügte der Vorstandschef hinzu. „Kolportierte Kostensynergien sind grenzübergreifend im lokalen Mediengeschäft kaum zu realisieren.“ Auf nationaler Ebene würden solche Vorteile von „Dyssynergien neutralisiert“. RTL-Chef Thomas Rabe deutet immer wieder ein Interesse an einer Übernahme von ProSiebenSat.1 an. Voraussetzung wäre freilich die Zustimmung des Bundeskartellamts. Beaujean weist erneut auf ein öffentliches Interesse an der Meinungs- und Medienvielfalt in Deutschland hin. Angst vor Google, Facebook, Netflix und Co. habe er nicht. „Weil wir uns auf die Felder konzentrieren, in denen wir unsere Stärken skalieren und gewinnbringend einsetzen können.“
Ein weiterer Schwerpunkt der von den Aktionären angesprochenen Themen war die Wahl des Wirtschaftsprüfers: Trotz der Kritik wegen des Wirecard-Skandals hält der Aufsichtsrat an EY fest. Für den Fall einer fehlenden Mehrheit in der Abstimmung der Hauptversammlung hatte das Unternehmen jedoch PwC als Alternative vorgeschlagen (vgl. BZ vom 28. April). Dazu kam es aber nicht, da für EY 96,55% des Grundkapitals stimmten.
„EY war die beste Wahl“
Aufsichtsratschef Brandt berichtete zuvor über das von einem Aktionär als kurios bezeichnete Vorgehen, EY habe in der Ausschreibung den ersten Platz vor PwC belegt: „EY war die beste Wahl für uns.“ Von den Prüfern, die bei Wirecard tätig gewesen seien, sei keiner im Team für ProSiebenSat.1. Um aber auf eine mögliche Ablehnung von den Aktionären vorbereitet zu sein, sei der Aufsichtsrat dem Vorschlag des Prüfungsausschusses gefolgt. Ziel sei gewesen, eine außerordentliche Hauptversammlung oder eine Bestellung des Prüfers per Gericht zu verhindern.
Wertberichtigt Seite 6