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Prosus will den Essenslieferdienst Just Eat Takeaway schlucken

Die Internet-Beteiligungsholding Prosus will mit der Übernahme des Essenslieferdienstes Just Eat Takeaway einen europäischen Champion formen. In Marktkreisen gilt die Transaktion als Vorspiel für ein mögliches Zusammengehen mit Delivery Hero.

Prosus will den Essenslieferdienst Just Eat Takeaway schlucken

Prosus will Just Eat Takeaway schlucken

Internetholding bietet 20,30 Euro je Aktie – Transaktionswert 4,1 Mrd. Euro – Künstliche Intelligenz soll Geschäft voranbringen

hek Frankfurt

Die Internet-Beteiligungsholding Prosus will mit der Übernahme des Essenslieferdienstes Just Eat Takeaway einen europäischen Champion formen. In Marktkreisen gilt die Transaktion als Vorspiel für ein mögliches Zusammengehen mit Delivery Hero. Denn Prosus ist bereits mit 28% an dem Just-Eat-Konkurrenten aus Berlin beteiligt.

Der Großaktionär von Delivery Hero, die Internetholding Prosus, will den britisch-niederländischen Essenslieferdienst Just Eat Takeaway in einem 4,1 Mrd. Euro schweren Deal übernehmen. Die Barofferte beläuft sich auf 20,30 Euro je Aktie. Wie die Unternehmen mitteilen, stehen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft hinter dem Deal. CEO Jitse Groen, der Takeaway gegründet hat, und weitere Board-Mitglieder haben sich verpflichtet, ihre Anteile zu verkaufen. Sie halten zusammen 8,1% der Aktien.

„Einmalige Gelegenheit“

Prosus bezeichnet den Griff nach Just Eat Takeaway als „einmalige Gelegenheit, einen europäischen Champion für Essenslieferungen aufzubauen“ und die eigene Position in einem wichtigen Wachstumssektor zu stärken. Dem Internetkonzern gehört die in Lateinamerika führende Essenslieferplattform iFood. Außerdem hält er Beteiligungen an mehreren Branchenfirmen, darunter 28% an Delivery Hero in Berlin, 25% an Swiggy aus Indien und 4% an Meituan aus China, dem weltweit größten Esenslieferdienst. Prosus selbst gehört mehrheitlich dem südafrikanischen Konzern Naspers.

Die Akquisition, mit der Prosus ihr Lieferdienst-Portfolio erweitert, markiert einen weiteren Schritt in der seit Jahren laufenden Konsolidierung. Marktspekulationen zufolge könnte der Deal der erste Schritt für eine Fusion mit Delivery Hero sein. Prosus-Chef Fabricio Bloisi sagte allerdings der Nachrichtenagentur Reuters, dass es hierfür bislang keine Pläne gebe.

Marktführer in Europa

Nach dem Wachstumsschub durch die Corona-Pandemie machen der Branche der verschärfte Wettbewerb und schwache Margen zu schaffen. Im Zuge der Konsolidierung bilden sich zusehends regionale Monopole, Duopole oder enge Oligopole. Just Eat Takeaway gilt als Marktführer in Europa. Den deutschen Markt dominiert der Konzern mit seiner Tochtergesellschaft Lieferando. Aus den USA hat sich Just Eat Takeaway gerade mit der Trennung von Grubhub zurückgezogen und damit nach zweieinhalb Jahren Käufersuche den Schlussstrich unter ein Desaster gezogen. Delivery Hero wiederum ist vor allem in Südostasien mit Schwerpunkt Südkorea und in Nahost tätig. Aus dem Heimatmarkt Deutschland hat sich das Unternehmen zurückgezogen.

Die Just-Eat-Takeaway-Aktie reagierte am Montag im Handelsverlauf mit einem Kurssprung von 54% auf 19,16 Euro. Auch die Delivery-Hero-Aktie profitierte: Sie legte zeitweise 8% zu. Demgegenüber sackte der Prosus-Kurs am Montag 7% ab. Die Offerte impliziert einen Aufschlag von 63% zum Schlusskurs vom vergangenen Freitag und von 49% zum Dreimonats-Durchschnitt. Zuvor war die Just-Eat-Takeaway-Aktie im Vergleich zu den Spitzenkursen aus dem Jahr 2020 und Anfang 2021 von mehr als 100 Euro um fast 90% abgestürzt.

Mögliche Konsolidierungsschritte

Analysten hatten bereits im Vorfeld diskutiert, wie die weitere Konsolidierung aussehen könnte. Laut Marcus Diebel von der US-Bank J.P. Morgan könnte das Lateinamerika-Geschäft von Delivery Hero mit den iFood-Aktivitäten in Brasilien zusammengelegt werden. Innerhalb Europas gebe es Potenzial für Synergien zwischen Just Eat Takeaway und Delivery Hero, etwa in Österreich, Polen, Italien und Spanien. In Südostasien will Platzhirsch Grab Holdings laut einem Medienbericht den kleineren indonesischen Konkurrenten GoTo schlucken.

Wandler werden zurückgezahlt

Die Beteiligten wollen die Transaktion bis Jahresende abschließen. Prosus will den Kauf aus dem Barmittelbestand finanzieren. Die Mindestannahmeschwelle ist mit zunächst 95% hoch, sie kann aber auf 67% sinken. Der Bieter habe ein überzeugendes Angebot vorgelegt mit einer attraktiven Barprämie für die Aktionäre, kommentiert Just Eat Takeaway. Prosus habe sich verpflichtet, Kapital für die Umsetzung der Wachstumsstrategie bereitzustellen. Die Wandelschuldverschreibungen von Just Eat Takeaway werden den Angaben zufolge zum Settlement oder danach zurückgezahlt. Der Sitz soll Amsterdam bleiben. Es sei keine wesentliche Verringerung der Gesamtbelegschaft geplant. Falls Just Eat Takeaway einem überlegenen Konkurrenzangebot zustimmt, ist eine Strafzahlung von 41 Mill. Euro fällig. Prosus hingegen muss bis zu 410 Mill. Euro berappen, falls Behörden die Übernahme untersagen.

KI soll Geschäft voranbringen

Bei Just Eat Takeaway will Prosus vor allem den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ausbauen. Blaupause für die Umgestaltung sei die Tochter iFood in Brasilien. Die Implementierung von KI habe die Abläufe bei iFood revolutioniert und das Kundenerlebnis und die Unterstützung für die Fahrer verbessert. Ähnliche Möglichkeiten bestünden bei Just Eat Takeaway.

In die Transaktion geht Just Eat Takeaway mit einem operativen Gewinnsprung. Dank besserer Geschäfte in Großbritannien und Irland legte der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) im vergangenen Jahr um 36% auf 460 Mill. Euro zu. Der über die Plattform abgewickelte Bruttotransaktionswert (GTV) schrumpfte in lokalen Währungen um 2% auf 26,3 Mrd. Euro. Ohne Nordamerika sei er um 2% gestiegen, teilt Just Eat Takeaway weiter mit. Damit sei die Guidance erreicht worden.

Dicker Jahresfehlbetrag

„Wir haben unsere Produkte weiterentwickelt und neue Partner gewonnen, insbesondere in den Bereichen Lebensmittel, Elektronik und Pharmazie“, sagt CEO Groen. Unter dem Strich stehen aber 1,65 (2023: 1,85) Mrd. Euro Verlust, die vor allem auf Goodwillabschreibungen auf Grubhub zurückgehen. Für das laufende Jahr stellt Groen zwischen 360 Mill. und 380 Mill. Euro adjustiertes Ebitda in Aussicht. Der GTV soll währungsbereinigt um 4 bis 8% vorankommen.

„Prosus kommt als Weihnachtsmann mit zweimonatiger Verspätung“, kommentiert die Investmentboutique Bryan Garnier die Offerte. Das Barangebot sei großzügig, die Wahrscheinlichkeit eines Gegenangebots oder einer Aufstockung seien gering. Laut der Investmentbank Jefferies erfolgt die Übernahme zu einem vergleichsweise niedrigen Multiple von 9,5, bezogen auf das Verhältnis von Unternehmenswert zu Ebitda. Delivery Hero beispielsweise werde mit dem 14-Fachen bewertet. Just Eat Takeaway sei bei Investoren am öffentlichen Kapitalmarkt schon lange in Ungnade gefallen. Weitere transformative Fusionen und Übernahmen hält Jefferies kurzfristig für unwahrscheinlich.

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