Mehrkosten im Qimonda-Vergleich drücken Infineon
Mehrkosten von 532 Mill. Euro drücken Infineon
Chipkonzern einigt sich mehr als 15 Jahre nach Pleite der Speicherchiptochter mit Qimonda-Insolvenzverwalter auf Vergleich
sck München
15 Jahre und acht Monate nach der Pleite ihrer früheren Speicherchiptochter Qimonda haben sich Infineon und der Insolvenzverwalter Michael Jaffé auf einen umfangreichen Vergleich geeinigt. Damit endet ein langjähriger Rechtsstreit für den größten deutschen Halbleiterhersteller mit hohen Zusatzbelastungen. Das Dax-Mitglied teilte am Donnerstagabend nach Börsenschluss ad hoc mit, sich nach langen Verhandlungen auf einen Vergleichsbetrag von 800 Mill. Euro verständigt zu haben.
Von dieser Summe seien 753,5 Mill. Euro in die Insolvenzmasse von Qimonda für deren Gläubiger einzuzahlen, wie die Anwaltskanzlei von Jaffé darlegte. Dieser Betrag entspricht dem 3,5-Fachen der bisher von Infineon in der Causa zurückgestellten Summe von 221 Mill. Euro, wie aus den zurückliegenden Quartalsberichten hervorgeht. Das heißt, dass auf Infineon im Ende September auslaufenden Geschäftsjahr 2024 noch Mehraufwendungen von 532 Mill. Euro zukommen. Infineon bezifferte die Netto-Belastung auf 660 Mill. Euro aufgrund steuerlicher Effekte.
Anleger reagieren vergrätzt
Dieser Differenzbetrag werde das Ergebnis und den Cashflow aus nicht fortgeführten Geschäfts belasten, warnte der Konzern mit Sitz in Neubiberg bei München. Die Überweisung erfolge aus vorhandenen Barmitteln. Die bisherige Prognose von Vorstandschef Jochen Hanebeck für das operative Segmentergebnis bleibt von dieser Warnung unberührt.
Die Anleger reagierten auf die Nachricht vergrätzt. Die Infineon-Aktie büßte zum Wochenschluss gegen den Markttrend im frühen Xetra-Handel zeitweise 1,5% auf 31,65 Euro ein. Zur gleichen Zeit gewann der Dax 0,3%.
Mit der Einigung beider Seiten endet ein Rechtsstreit vor dem Landgericht München I, der 2010 mit einer Klage von Jaffé gegen Infineon auf Schadenersatz begonnen hatte. Der Insolvenzverwalter forderte ursprünglich vom einstigen Qimonda-Mutterkonzern 3,4 Mrd. Euro plus Zinsen zurück. Im Detail handelte es sich bei Jaffé um eine Unterbilanz- und Differenzhaftungsforderung. Infineon hielt diese Ansprüche für unbegründet. Der Insolvenzverwalter berief sich seinerzeit auf Sacheinlagen von Infineon zur Auslagerung des Massenchipgeschäfts im Jahr 2006. Jaffé war der Auffassung, dass das von Infineon eingebrachte Geschäft in Form einer wirtschaftlichen Neugründung nicht ausreichend werthaltig gewesen sei. Er forderte daher von Infineon, die Differenz zu den Ausgleichsbeträgen der an Infineon im Zuge der Abspaltung von Qimonda ausgegebenen Aktien zu erstatten.
„Abwägung“ der Rechtsrisiken
Ein vom Gericht vor elf Jahren in dem komplexen Sachverhalt bestellter Gutachter kam Anfang 2024 zum Ergebnis, dass sich aus dem Vorgang ein negativer Wert für die eingebrachten Aktivitäten ergäbe. Gegen das Gutachten erhoben zwar beide Seiten offiziell Einwände, das Resultat des Experten beschleunigte aber offenbar den Willen der Beteiligten zu einer außergerichtlichen Verständigung. Jaffé berichtete von „langwierigen und schwierigen“ Verhandlungen, um einen Vergleich zustande zu bringen.
Infineon schrieb von einem „für beide Seiten akzeptablen“ Vergleich. „Die Entscheidung von Infineon beruhte v.a. auf einer umfassenden Abwägung der Prozess- und sonstigen Risiken. Infineon war durchweg und ist weiterhin von der Unbegründetheit der Klage überzeugt. Diese gerichtlich feststellen zu lassen, hätte aber eine weitere langjährige Prozessführung vorausgesetzt, ggf. über mehrere Instanzen hinweg, und wäre mit einer nicht unerheblichen Unsicherheit verbunden gewesen, dass die Gerichte dies anders entscheiden.“ Nun sei Rechtssicherheit wiederhergestellt, rechtfertige der Konzern den für ihn teuren Ausgang der Auseinandersetzung.
Qimonda-Kapitel schließt sich
Mit dem Vergleich endet endgültig ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte des einst aus einer Abspaltung von Siemens hervorgegangenen Chipherstellers, der im März 2000 an die Börse gegangen war. Nach der Abspaltung ihrer damals defizitären und schwankungsanfälligen Speicherchipaktivitäten brachte Infineon ihre Tochter Qimonda im August 2006 in New York an die Börse. Das IPO war ein Misserfolg, da das Interesse der Investoren gering war. Die Geschäfte liefen schlecht. Die Fehlbeträge häuften sich. Die liquiden Mittel schrumpften. Im Januar 2009 musste Qimonda Insolvenz anmelden, drei Monate danach eröffnete das zuständige Amtsgericht das Insolvenzverfahren.
Im Zuge des Zusammenbruchs von Qimonda wurde seinerzeit auch Infineon am Markt kurzweilig als Pleitekandidat gehandelt. Der Aktienkurs sackte im Frühjahr 2009 auf Penny-Stock-Niveau ab. Ende März notierte die Aktie bei 0,35 Euro. Das entsprach damals einem Marktwert von nur noch 400 Mill. Euro. Dieser Kurs markierte einen Tiefpunkt. Infineon konnte die Existenzkrise aber mit einem Coup abwenden. Im Sommer 2009 holte Infineon den US-Finanzinvestor Apollo via Kapitalerhöhung vorübergehend mit an Bord. Von da an setzte eine Erfolgsserie des Unternehmens ein. Heute zählt Infineon zu den etablierten europäischen Leistungshalbleiterproduzenten, die ansehnliche Margen erwirtschaften. Der Marktwert der Firma beträgt derzeit 42 Mrd. Euro.