Restrukturierer stellen sich auf mehr Arbeit ein
Restrukturierer stellen sich auf mehr Arbeit ein
Alix Partners will Teams in Kernbranchen auch durch Zukäufe stärken – Kearney sieht Zunahme an Zombie-Unternehmen
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Die Zahl der Restrukturierungsfälle wächst. Die Unternehmensberatung Alix Partners sieht besonders in deutschen Kernbranchen Handlungsbedarf und will sich dort gezielt verstärken. Laut einer Kearney-Analyse wächst zudem die Zahl der Zombie-Unternehmen. Einige von ihnen werden zum Spekulationsobjekt.
Kreditkosten und geopolitische Unsicherheiten sind zurzeit die beiden Hauptfaktoren, die Unternehmen in Schieflage bringen, wie die am Mittwoch veröffentlichte „Turnaround & Transformation Survey“ von Alix Partners zeigt. Für die Studie wurden die weltweit 700 Führungskräfte mit Restrukturierungsbezug wie Kreditgeber, Banker und Anwälte befragt, darunter 165 aus Deutschland. Besonders alarmiert sind die Restrukturierer mit Blick auf Deutschland: 29% wählten es als die Region aus, die 2024 mit höchster Wahrscheinlichkeit vor Herausforderungen gestellt werden dürfte. Das ist der höchste Wert unter allen zur Auswahl stehenden Regionen.
Laut der Umfrage sehen zwei Drittel der Teilnehmer aus Deutschland Schwierigkeiten auf die Automobilbranche zukommen, in Amerika oder Großbritannien sind es jeweils nur etwa 20%. „Der Druck durch eine schwache Konjunktur und ein maues Konsumklima ist in Deutschland besonders hoch“, sagt Rainer Bizenberger, Co-Head Turnaround und Restrukturierung bei Alix Partners in der DACH-Region, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er sieht auf die Restrukturierungsberater in den kommenden Jahren mehr Arbeit zukommen.
Rainer Bizenberger, Alix PartnersWir merken, dass der Restrukturierungsbedarf deutlich und sukzessive steigt.
Im Automotive-Bereich hat Alix Partners im Mai das Beratungsgeschäft des auf die Automobilindustrie spezialisierten Unternehmens Berylls in München übernommen, 160 Beschäftigte kamen an Bord. Auch in anderen Branchen schaut Alix Partners sich nach Verstärkung um. „Wir merken, dass der Restrukturierungsbedarf deutlich und sukzessive steigt“, sagt Bizenberger. Die Teams sollen daher in den Kernbranchen wachsen, auch über Akquisitionen. „In Deutschland schauen wir besonders auf den Konsumgüter- und Handelsbereich, aber auch auf Maschinen- und Anlagenbau.“
Alix Partners will Restrukturierungsteam ausbauen
Das Kernteam an Restrukturierungsspezialisten umfasst in Deutschland derzeit etwa 60 Personen, die in Projekten mit Branchen- und Funktionsexperten zusammenarbeiten. In den kommenden zwei bis drei Jahren will Bizenberger das Kernteam auf 90 bis 100 Restrukturierer ausbauen. Er erwartet, dass der aktuelle Trend zu verstärkten Restrukturierungsaktivitäten noch einige Zeit anhalten wird.
Unternehmen, die in den kommenden Jahren Leveraged Loans und hochverzinsliche Anleihen refinanzieren müssen, dürften dies nur schwer bewältigen können, heißt es in der Studie. Ein bloßes Verlängern der Laufzeiten genüge für eine Restrukturierung nicht, dafür müssten die zugrundeliegenden operativen Herausforderungen angegangen werden. Mehr als ein Drittel der befragten Turnaround-Experten geht jedoch davon aus, dass die Mehrheit der notleidenden Unternehmen, die sich kürzlich durch Anpassungen auf der Passivseite oder Aufnahme von Kapital finanziellen Spielraum verschafft haben, binnen drei Jahren erneut in Schieflage geraten wird.
Kearney rechnet mit mehr Zombie-Unternehmen
Die Anzahl der Unternehmen, die im operativen Geschäft nicht genug Gewinn erzielen, um ihre finanziellen Schuldenverpflichtungen zu erfüllen, ist 2023 einer Analyse der Unternehmensberatung Kearney zufolge weltweit weiter gestiegen. Für die Erhebung wurden Datensätze von etwa 76.000 Unternehmen seit dem Jahr 2000 analysiert. Die Zahl dieser als Zombies bekannten Unternehmen steigt seit 2010 im Schnitt jährlich um 8,8%. 2023 zählte Kearney 827 neue Zombies, während 534 diesen Status dank verbesserter Finanzlage ablegen konnten. 127 Zombies wurden vom Markt genommen oder gingen in anderen Firmen auf.
Bei Investoren stoßen Zombie-Unternehmen der Studie zufolge trotz ihres prekären Status durchaus auf Interesse. „Wir sehen, dass die Zombifizierung global, aber auch in Deutschland weiter voranschreitet. Mich überrascht, wie wenig die Kapitalmärkte auf diese Entwicklung reagieren“, sagt Kearney-Partner Nils Kuhlwein. Anstatt Unternehmen ohne funktionierendes Geschäftsmodell auszusortieren, würden diese von Investoren mit Anleihen und Krediten über Wasser gehalten.
Nils Kuhlwein, KearneyWir sehen, dass die Zombifizierung global, aber auch in Deutschland weiter voranschreitet. Mich überrascht, wie wenig die Kapitalmärkte auf diese Entwicklung reagieren.
Für die Analysen wurden mehr als 7.700 M&A-Transaktionen untersucht. Zombie-Firmen waren zwar nur in 5% der Fälle beteiligt, wurden aber hoch bewertet: „Zombies werden im Schnitt mit einem Transaktionswert von viermal Umsatz gekauft, während gesunde Unternehmen mit 2,5-mal Umsatz bewertet werden“, sagt Kuhlwein. „Strategische Investoren, die sich verheißungsvolle Innovationen oder eine Forschungs- und Entwicklungspipeline sichern wollen, zahlen oft enorme Preise für Zombies, auch bei einer Zweit- oder Drittübernahme.“ In 81% der Fälle gehen Zombies an strategische Käufer, etwa wenn Pharma-Konzerne junge Biotechs übernehmen.
Zinsen werden für Zombies zum Stressfaktor
Auf kurze Sicht können Käufer gute Renditen mit Zombies erwirtschaften, nach einem Jahr lag der Total Shareholder Return laut Kearney mit fast 15% mehr als doppelt so hoch wie bei gesunden Unternehmen. Allerdings verpufft der Effekt mit der Zeit. Drei Jahre nach der Transaktion war der Total Shareholder Return deutlich negativ.
Kuhlwein erwartet, dass das Zombie-Heer weiter wächst: „Laut unseren Stresstests zu den Zinssätzen wird der Anstieg der Zombie-Unternehmen ziemlich sicher so weitergehen – besonders, da sich viele Unternehmen vor Corona zu niedrigen Zinsen finanziert haben und nun eine Refinanzierung ansteht.“ Konnten Unternehmen sich vor der Pandemie mitunter zu 1,5% Zinsen finanzieren, seien heute Zinssätze von 6% üblich.