Rheinmetall öffnen sich in England neue Türen
Für Rheinmetall öffnen sich in England neue Türen
Deutsch-britische Verteidigungsallianz forciert Kooperation der Rüstungsindustrie – Minister Pistorius unterzeichnet Vereinbarung in London
cru Frankfurt
Deutschland und Großbritannien rücken in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik enger zusammen. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey haben am Mittwoch in London eine neue Verteidigungsvereinbarung unterzeichnet. Die sogenannte „Trinity House Vereinbarung“, benannt nach dem Ort der Unterzeichnung, sei die erste Abmachung dieser Art, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit. Sie stelle Weichen für engere Zusammenarbeit beider Länder und sei auch Ausdruck der britischen Neuausrichtung gegenüber Europa.
Deutschland und Großbritannien gehören zu den europäischen Partnern mit den höchsten Rüstungsausgaben. Damit öffnen sich neue Türen für den Rüstungskonzern Rheinmetall. Denn die Vereinbarung enthält konkrete Schlüsselprojekte für die engere Zusammenarbeit in den Dimensionen Luft, Land, See, Weltraum und Cyber. Zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sollen die Industriekooperationen ausgebaut werden, besonders beim Heer.
Rheinmetall stellt in seinen britischen Werken in Dorset, Telford, Bristol und im Nordosten des Landes militärische Fahrzeuge her, darunter den Rad-Transportpanzer Boxer und – zusammen mit BAE in der britischen Tochter RBSL – den Challenger 3 Kampfpanzer. Allein für den Boxer, den Rheinmetall in Kooperation mit Krauss Maffei Wegmann baut, erwartet Rheinmetall laut Präsentation zur Halbjahresbilanz ein Auftragspotenzial von 15 Mrd. Euro über die nächsten zehn Jahre. In derselben Präsentation wird für das auf dem Boxer montierte mobile Flugabwehrsystem Skyranger ein Potenzial von 10 Mrd. Euro angenommen und für die nächsten Jahre mit einer Wachstumsrate von jährlich 30% für das Geschäft in Großbritannien gerechnet.
500 Boxer bestellt
Das britische Heer hatte 500 Boxer im Wert von 3,2 Mrd. Euro bestellt. Großbritannien und Deutschland wollen jetzt bei der Entwicklung künftiger Anpassungen enger zusammenarbeiten. In Großbritannien will Rheinmetall zudem ein neues Rohrwerk mit 400 zusätzlichen Arbeitsplätzen bauen. Dort geht es nicht nur um Kanonenrohre für die Artillerie, sondern auch um Rohre für den neuen britischen Kampfpanzer Challenger 3, wie ein Rheinmetall-Sprecher betonte. Investiert werden zunächst 50 Mill. Pfund. Das Umsatzpotenzial liegt bei mehr als 100 Mill. Euro pro Jahr.
Zudem gibt es einen Dialog mit der britischen Regierung darüber, ob Rheinmetall künftig in dem Land nicht nur Schießpulver, sondern auch vollständige Munition produziert. In jedem Fall kommen Turm und Waffenanlage für den Challenger 3 von Rheinmetall. Damit wird der Challenger 3 auf eine modernere Glattrohrkanone umgestellt.
Ab sofort sollen auch deutsche Aufklärungsflugzeuge in Schottland stationiert werden, um den Nordatlantik zu überwachen, U-Boote aufzuspüren und Hochseekabel vor Sabotage durch Russland zu schützen. „Wir tragen gemeinsam zum Schutz der kritischen Unterwasserinfrastruktur bei, indem wir sicherstellen, dass es ein klares Unterwasser-Lagebild gibt.“
„Mit verschiedenen Projekten in den Bereichen Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber erhöhen wir gemeinsam unsere Fähigkeiten“, sagte Verteidigungsminister Pistorius in London. „Wir tragen damit gemeinsam dazu bei, den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO zu stärken. Unsere Kooperationsprojekte sind für andere Partner offen. (...) Russland führt Krieg gegen die Ukraine, steigert seine Waffenproduktion immens und greift unsere Partner in Osteuropa, aber auch uns immer wieder mit hybriden Mitteln an.“ Die neue Vereinbarung sei ein weiterer Schritt von der Joint Declaration of Intent vom 24. Juli 2024 hin zu dem völkerrechtlich bindenden bilateralen Vertrag zwischen den Regierungen Großbritanniens und Deutschlands, dessen Unterzeichnung für Januar 2025 geplant ist.
Aktienkurs unbeeindruckt
Der Kurs der Rheinmetall-Aktie gab am Mittwoch zeitweise um 0,5% auf 491,40 Euro nach. Die Marktkapitalisierung des Konzerns hat sich aber auch so noch binnen eines Jahres verdoppelt auf 21,4 Mrd. Euro. Haupteigentümer sind zahlreiche Fonds wie Capital Research, Vanguard oder Fidelity. Deutsche Bank Research hat das Kursziel vor dem Kapitalmarkttag am 18. und 19. November von 510 auf 550 Euro angehoben. Das Management dürfte das Flugabwehrgeschäft näher beleuchten, schrieb Analyst Christoph Laskawi. Zahlen für das dritte Quartal gibt es am 7. November.
Deutschland und Großbritannien rücken in der Verteidigung und Rüstung enger zusammen. Damit öffnen sich auch neue Türen für Rheinmetall. Der deutsche Konzern wird in Großbritannien Kanonenrohre für die Artillerie und den neuen britischen Kampfpanzer Challenger 3 produzieren.