"Risikolandschaft ist komplizierter geworden"

EY-Experte Heißner: Betrug und Korruption sind immer schwerer von legalen Geschäften abzugrenzen

"Risikolandschaft ist komplizierter geworden"

md Frankfurt – Die Fälle von tatsächlichem oder vermeintlichem Betrug bzw. Korruption im Wirtschaftsleben sind Legion: Manipulationen verschiedener Autohersteller – allen voran Volkswagen – zur Umgehung gesetzlich vorgegebener Grenzwerte für Autoabgase (“Diesel-Skandal”), der Vorwurf eklatanten Betruges durch den US-Generikahersteller Akorn, erhoben nach der geplatzten Übernahme durch den Gesundheitskonzern Fresenius, oder Verstöße gegen die Sanktionen gegen Russland bzw. russische Firmen und Privatpersonen nach der völkerrechtswidrigen Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim – um nur einige zu nennen. Doch schon diese drei prominenten Beispiele aus jüngerer Zeit zeigen, wie vielfältig das Problem und komplex die Materie ist. “Vielfach weiß selbst der ehrbare Kaufmann gar nicht mehr, was richtig und was falsch ist”, schilderte Stefan Heißner, Leiter Forensik bei Ernst & Young (EY), vor Medienvertretern das Dilemma, in dem sich selbst verantwortungsbewusste Teilnehmer am Wirtschaftsleben befinden. So kann es nach Aussage Heißners fünf Jahre dauern, bis entschieden wird, ob das Geschäft von heute – etwa eine Lieferung nach Russland – den geltenden Vorschriften entspricht oder einen Verstoß gegen die Sanktionen darstellt. “Die Risikolandschaft ist deutlich komplizierter geworden und wird von Jahr zu Jahr komplizierter”, sagte der EY-Spezialist für den Schutz von Unternehmen vor Kriminalität. Dax-30-Konzerne beschäftigen deswegen Hunderte von Mitarbeitern in ihren Compliance- und Rechtsabteilungen. Doch “wie soll ein deutscher Mittelständler das darstellen?”, lautet die rhetorische Frage von Heißner. Er empfiehlt – nicht ganz uneigennützig – die Auslagerung der Compliance. EY leiste das für knapp 50 Unternehmen, darunter in Teilbereichen auch für Dax-Konzerne. Die Zahl ist überschaubar, “aber der Trend ist da”. Eine Insel der Seligen? Aus deutscher Sicht gibt es jedoch auch Positives zu berichten: Nach einer weltweiten Umfrage unter Vorstandsmitgliedern und Fachleuten in den Unternehmen müsste Deutschland in Bezug auf das Wirtschaftsleben eine weitgehend betrugsfreie Zone sein, denn keiner der Befragten hierzulande hält Korruption für verbreitet. Selbst in der Schweiz (2 %) und Finnland sowie Schweden (4 %) ist dieser Anteil höher. In anderen Industriestaaten ist die Quote sogar weit höher (Japan: 12 %; USA: 18 %; Frankreich: 20 %; Russland: 28 %). Den hohen Wert von 34 % für Großbritannien sieht Heißner im Zusammenhang mit der großen Bedeutung Londons als Finanzumschlagplatz. Die höchste prozentuale Zustimmung auf die Frage “Sind korrupte Methoden im Geschäftsleben in ihrem Land weit verbreitet?” und damit den schlechtesten Wert unter den europäischen Flächenstaaten gibt es in Italien mit 68 %. Global stehen Brasilien (96 %), Kolumbien (94 %) und Nigeria (90 %) auf dem Verliererpodest.Obiges Ergebnis bedeutet aber nicht, dass in Einzelfällen nicht sogar die eigene Firma betroffen sein kann. So antworteten 18 % der deutschen Manager auf die Frage “Gab es in ihrem Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren einen bedeutsamen Betrugsfall?” mit “Ja”; ein im internationalen Vergleich hoher Wert. In Italien, das von den eigenen Managern als ziemlich korrupt eingeschätzt wird, bejahten dagegen nur 4 % diese Frage.