Rock Tech setzt auf Belebung der Elektromobilität
Im Gespräch: Dirk Harbecke
"Wir glauben an den europäischen Markt“
Der CEO des Lithium-Produzenten Rock Tech rechnet mit Belebung der Elektromobilität – Finanzierung der Anlage in Brandenburg soll bis Jahresende stehen
Von Joachim Herr, München
Das kanadisch-deutsche Start-up Rock Tech plant den Bau einer Fabrik für Lithiumhydroxid in Guben an der Grenze zu Polen. Die Finanzierung des Projekts für 800 Mill. Euro soll bald stehen. CEO Dirk Harbecke lässt sich vom erlahmtem Wachstum der E-Mobilität in Europa nicht beirren.
Die schleppende Entwicklung der Elektromobilität in Europa, vor allem in Deutschland, bereitet Dirk Harbecke kein Kopfzerbrechen, wie er beteuert: „Das hat keine Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell“, sagt der Chairman und CEO des börsennotierten kanadisch-deutschen Start-ups Rock Tech. „Die ersten Lithiumanlagen in Europa werden alle gebraucht werden.“
Bisher gibt es noch keine, produziert wird in Asien, vor allem in China. Rock Tech plant, Ende 2026 oder Anfang 2027 mit der Produktion von Lithiumhydroxid in Guben in Brandenburg an der Grenze zu Polen zu beginnen. Voraussetzung ist, dass die Finanzierung des 800 Mill. Euro teuren Projekts gelingt. Harbecke gibt sich zuversichtlich, die Verhandlungen mit Investoren und für den Kreditanteil mit Banken bis Ende dieses Jahres abzuschließen. „Spätestens dann werden die ersten Bagger rollen.“
Größter Kunde ist Mercedes-Benz
Die Verbindung Lithiumhydroxid ist ein wichtiger Grundstoff für Batterien. Nach Harbeckes Meinung werden sich Elektroautos auch in Europa durchsetzen. Die Frage sei nur, wie hoch die Wachstumsraten in den nächsten Jahren seien. „Wir glauben an den europäischen Markt“, sagt er. Zudem sei Mercedes-Benz ein starker Kunde. Der Stuttgarter Autohersteller hat vor knapp zwei Jahren vereinbart, dass Rock Tech von 2026 an im Jahresdurchschnitt 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid liefert. Allerdings ist es gut möglich, dass sich der Beginn verschiebt.
Mercedes-Benz wäre der größte Abnehmer. Rock Tech plant mit einer Kapazität von 24.000 Tonnen in Guben. In Ontario in Kanada wird der Bau eines zweiten sogenannten Lithiumkonverters angestrebt. Ziel des Unternehmens ist, mit einer Jahreskapazität von 120.000 Tonnen in Europa und Nordamerika im günstigen Fall einen Marktanteil von 30% zu erreichen.
Unterstützung aus China
Die Anlage in Guben wird, wenn sie gebaut wird, nicht die erste in Europa sein. AMG Lithium ist nach eigenen Angaben gerade dabei, in Bitterfeld-Wolfen im Chemiedreieck in Sachsen-Anhalt „eine Raffinerie für Lithiumhydroxid in Batteriequalität in Betrieb“ zu nehmen. Chairman und CEO des Unternehmens ist der frühere Vorstandschef der Metallgesellschaft Heinz Schimmelbusch (80). Rock Tech nimmt für sich jedoch in Anspruch, im Gegensatz zu AMG die gesamte Wertschöpfungskette in der Produktion von Lithiumhydroxid abzudecken. Die beginnt mit dem Rohmaterial direkt aus Minen oder mit Lithium aus dem Recycling.
Das größte Fragezeichen für Rock Tech in Guben erkennt Unternehmenschef Harbecke nicht in den Verhandlungen über die Finanzierung. „Im November oder Dezember werden wir die Zusagen von unseren Equity-Partnern haben“, sagt er. Stattdessen erwähnt er das Hochfahren der Produktion: „Das größte Risiko ist die Implementierung.“ In Australien habe ein Projekt deshalb viel länger gedauert.
Wie in der Zementindustrie
"Wir lernen aus den Fehlern, die andere gemacht haben.“ Rock Tech habe deshalb auch Technikpartner aus China, das in der Produktion von Lithiumhydroxid führend sei, und aus Australien. Berater seien zudem deutsche Chemieunternehmen sowie der Zementhersteller Schwenk in Ulm. „Ein Teil unserer Anlage sind große Drehrohröfen, die auch die Zementindustrie einsetzt.“
„Wir verbinden Innovationen mit bewährten Prozesse, die in China eingesetzt werden“, sagt Harbecke. Die Chinesen hätten auf diesem Gebiet noch mehr Know-how. "Wir bauen kreative Ideen ein, die wir aus der deutschen Chemieindustrie kennen, um Prozesse besser, schneller und kostengünstiger zu machen.“
Spekulationen über Investoren
Angesprochen auf Bestrebungen in der deutschen Wirtschaft und Politik, die Abhängigkeit von China zu verringern, antwortet Harbecke, das hänge von der Branche ab. „In die Elektromobilität investieren die Chinesen global viel mehr als die europäischen Hersteller.“ Deutschland brauche den Markt in China. „Wir müssen unsere Produkte auch dort verkaufen können.“ Kooperationen für die Produktion von Batteriezellen sind aus seiner Sicht notwendig. „In diesem Sektor sind die Zeiten längst vorbei, in denen die Chinesen unser Know-how übernommen haben“, meint er. "Wir können von ihnen massiv profitieren.“
Spekuliert wird, dass ein chinesisches Unternehmen auch zu den Investoren von Rock Tech gehören wird. Harbecke sagt dazu nur, verhandelt werde mit großen Partnern aus der Lieferkette – Autoherstellern und globalen Lithium-Unternehmen. Auf die Frage nach Mercedes-Benz antwortet er, als größter Kunde sei das strategische Interesse des Unternehmens klar.
„Die Anleger warten“
Voraussichtlich seien auch ein oder zwei Finanzinvestoren dabei, obwohl diese wegen der derzeit niedrigen Preise für Lithium vorsichtig seien. Das Eigenkapital soll 220 Mill. Euro betragen, ein Teil davon steuert der kanadische Mutterkonzern bei. Mit Banken wird über Kredite im Volumen von 480 Mill. Euro verhandelt. Die restlichen 100 Mill. Euro haben das Land Brandenburg (90 Mill.) und das Eisenbahnbundesamt (10 Mill.) als Fördermittel in Aussicht gestellt.
Die Marktkapitalisierung von Rock Tech ist mit 80 Mill. Euro recht niedrig, die Aktie ein Penny-Stock. Harbecke begründet dies mit dem derzeit schwachen Markt für Lithium-Aktien und damit, dass das Geschäftsmodell erklärungsbedürftig sei. Zum Beispiel werde Rock Tech künftig einen großen Teil des Materials aus dem Recycling beziehen. „Die Anleger warten darauf zu sehen, dass die Anlage wirklich gebaut wird“, sagt Harbecke. „Und wenn wir unsere Equity-Partner bekannt geben, wird das auch einen großen Unterschied ausmachen.“