Rückendeckung für Aufsichtsräte

Einrichtung eines Prüfungsausschusses soll nach Wirecard-Skandal gesetzlich vorgeschrieben werden - Aber auch höhere Haftung für Kontrolleure

Rückendeckung für Aufsichtsräte

Der Fall Wirecard hat den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Es soll künftig Sorge dafür getragen werden, dass im Aufsichtsrat ein Prüfungsausschuss eingerichtet wird. Ihm werden zusätzliche Auskunftsrechte eingeräumt. Viele Unternehmen kommen dem schon nach, aber in recht unterschiedlicher Intensität. Von Sabine Wadewitz, FrankfurtFür viele große Unternehmen ist es selbstverständlich, im Governance-Kodex wird es empfohlen und nun soll es gesetzlich verpflichtend werden: die Einrichtung eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat. In Reaktion auf mögliches Versagen von Aufsichtsrat, Abschlussprüfer, Bilanzprüfstelle und Marktaufsicht BaFin im Betrugsfall Wirecard zieht der Gesetzgeber die Zügel an und erweitert die Eingriffsrechte, gleichzeitig aber auch die Haftung für viele Beteiligte. Auch die Deutsche Börse will als Teil der Dax-Reform den Nachweis eines Prüfungsausschusses verlangen.Die Pflicht zum Prüfungsausschuss und die Stärkung des Aufsichtsrats als Vertretung der Unternehmenseigner sind Punkte in der “Lex Wirecard”, der nicht auf breiten Widerstand stößt, anders etwa als die neuen Vorgaben zur Prüferregulierung, gegen die sich im Berufsstand ein Sturm des Protestes aufbaut. Der von Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) wird auch in der Opposition kritisch gesehen, weil noch nicht detailliert analysiert worden sei, wem im Fall Wirecard welche Versäumnisse anzukreiden sind.”An dem Fall Wirecard werden einige Themen aufgehängt, die damit bei genauer Betrachtung wenig zu tun haben”, meint auch der Gesellschaftsrechtler Simon Patrick Link, Partner der Kanzlei Hengeler Mueller im Münchner Büro. “Wenn es stimmt, was man aus der Außensicht auf Wirecard vermutet, ist in dem Unternehmen in großem Stil betrogen worden. Es ist fraglich, ob so etwas durch die gesetzliche Pflicht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses zu verhindern ist. Wirecard hatte ja am Ende auch einen Prüfungsausschuss eingerichtet.” Nachschärfung zum Bilanzeid Bei Wirecard traten allerdings jahrelang erhebliche Governance-Defizite zutage. So setzte sich der Aufsichtsrat bis 2016 aus gerade mal drei Mitgliedern zusammen und wurde erst 2018 vor dem Aufstieg in den Dax auf sechs aufgestockt. Einen Prüfungsausschuss hielt das Gremium erstmals Anfang 2019 für erforderlich. Da kein anderer Financial Expert zugegen war, übernahm der damalige Aufsichtsratschef das Amt erst mal in Personalunion – entgegen den Kodex-Vorgaben.Hengeler-Anwalt Link empfiehlt, die Gesetzesvorschläge danach zu beurteilen, ob sie auch unabhängig von einem extremen Betrugsfall sinnvoll sind. Mit dem Betrugsfall lassen sich aus seiner Sicht am ehesten die Vorschläge rechtfertigen, dass Vorstand und Aufsichtsrat künftig für einen vorsätzlich falschen Bilanzeid zu Freiheitsstrafen verurteilt werden können. “Das ist eine zusätzliche strafrechtliche Sanktion genau für solch einen Fall wie Wirecard”, sagt Link. Für ihn geht die Regulierung aber hier zu weit: “Das Gesetz schießt über das Ziel hinaus, indem es nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die nur leichtfertige Begehung mit Strafe bedroht.”Dem Prüfungsausschuss sollen im Gesetz für seine Arbeit mehr Informationsrechte eingeräumt werden. So soll es ermöglicht werden, unmittelbar beim Leiter der internen Kontrolle, beim Leiter des Risikomanagements und beim Leiter der internen Revision Auskünfte einzuholen. Das soll nicht im Geheimen laufen, sondern der Vorstand ist darüber “unverzüglich zu unterrichten”.Dieses Know-how im Unternehmen zapfen auch heute schon zahlreiche Aufsichtsräte an. Sie haben sich die Möglichkeit geschaffen, mit Verantwortlichen aus Controlling, Risikomanagement und Compliance ins Gespräch zu kommen, um sich über den Kontakt mit dem Vorstand hinaus ein Bild zu machen. In rechtlicher Hinsicht war das eine gewisse Grauzone. “Der Zugriff des Aufsichtsrats auf die Führungsebene unterhalb des Vorstands passte bislang nicht ganz in die aktienrechtliche Kompetenzordnung”, erklärt Link. Um die Kontrolle durch den Aufsichtsrat zu stärken, hält er es für sinnvoll, “diese Berichtswege gesetzlich zu flankieren”.In der Besetzung des Prüfungsausschusses gibt der Kodex vor, dass der Vorsitzende unabhängig sein soll und nicht der Aufsichtsratschef in diese Rolle schlüpft. Das Gesetz geht darüber hinaus und fordert, dass der Prüfungsausschuss mehrheitlich mit unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern besetzt ist. Hier stellt sich aus Sicht von Link die Frage, ob es mit Unabhängigkeit allein getan ist. “Das Problem sind fügsame Aufsichtsräte, die immer inhaltlich mit dem Vorstand auf Linie sind und die nötige kritische Distanz vermissen lassen. Das bekommt man mit Regulierung schwer eingefangen.”Zudem soll sichergestellt werden, dass im Prüfungsausschuss Sachverstand über Rechnungslegung als auch Abschlussprüfung vorhanden ist – kumuliert in einer Person oder verteilt auf zwei Vertreter. Diese Anforderung erweitert eine bestehende Regelung. Bislang muss der im Aufsichtsrat verlangte Financial Expert Fachwissen in Rechnungslegung oder Abschlussprüfung haben, aber das überschneidet sich aus Sicht von Hengeler-Anwalt Link sowieso. “Wie sollte man Sachverstand in der Abschlussprüfung haben ohne Know-how in der Rechnungslegung – und umgekehrt?” Der Jurist hält es nicht für erforderlich, dass nun immer ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer in das Gremium berufen werden müsste, um diesem Anforderungsprofil zu genügen. Breites Spektrum an SalärenIn der Vergütung sind die meisten großen Konzerne dazu übergegangen, die Mitarbeit in Ausschüssen separat zu entlohnen. Speziell die Tätigkeit im Prüfungsausschuss wird hier meistens am höchsten honoriert. Manchmal gibt es für den Vorsitzenden 100 % seiner Aufsichtsratsvergütung obendrauf. Die Deutsche Bank lässt extra 3 Mill. Euro für Mitglieder aller Ausschüsse springen, das macht nahezu die Hälfte der Vergütung des gesamten Kontrollgremiums aus. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses Norbert Winkeljohann erhält 200 000 Euro zusätzlich für diese Aufgabe. Die Entlohnungen können weit auseinanderliegen. So streicht Rolf Nonnenmacher für den Vorsitz im Prüfungsausschuss bei Continental 270 000 Euro zusätzlich ein und für die gleiche Aufgabe bei Covestro 50 000. EuroFürstlich entlohnt wird künftig bei BMW, die im laufenden Jahr als eine der letzten im Dax die Aufsichtsratsvergütung auf reines Fixum umgestellt hat – dieses beläuft sich auf 200 000 Euro. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, der ehemalige BASF-Chef Kurt Bock, ist nach Aufsichtsratschef Norbert Reithofer (600 000 Euro) der höchstdotierte Kontrolleur mit dem Zweieinviertelfachen der Festvergütung, also 450 000 Euro beziehungsweise 250 000 Euro extra zum Fixum, die anderen vier Mitglieder im Prüfungsausschuss erhalten jeweils 400 000 Euro oder 200 000 zusätzlich. Damit soll dem deutlich gewachsenen Arbeitsumfang des Prüfungsausschusses Rechnung getragen werden, hatte der Aufsichtsrat in der Einladung zur Hauptversammlung erklärt. Die Gesamtvergütung der Organmitglieder bemisst sich jeweils nach der am höchsten bezahlten Funktion. Merck auf UmwegenMerck ist im Dax ein Sonderfall und nutzt die mit der Rechtsform der KGaA gegebenen Freiheiten. Hier hat der Aufsichtsrat keinen Prüfungsausschuss eingerichtet. Ein vergleichbares Gremium sei in Form des Finanzausschusses im Gesellschafterrat der persönlich haftenden Gesellschafterin E. Merck KG gebildet worden. Dieses nehme “im Wesentlichen” die im Kodex beschriebenen Aufgaben war, heißt es dazu.