Rüstung "German free" gefragt
Von Christoph Ruhkamp, DüsseldorfIn der Weltpolitik spielt die Ermordung des saudischen Journalisten und Regierungskritikers Jamal Kashoggi kaum noch eine Rolle. Für Europas Rüstungsindustrie sind die Folgen jedoch noch immer deutlich spürbar. Seitdem Bundeskanzlerin Angela Merkel im Herbst 2018 einen Rüstungsexportstopp gegen Saudi-Arabien verhängte, liegen etliche Lieferungen auf Eis. Beim Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall sind es 110 Militärlastwagen im Wert von 120 Mill. Euro. Prinzipiell gibt es eine Exportgenehmigung für die Fahrzeuge, aber sie wird derzeit nicht angewendet – mindestens bis Ende September 2019 nicht.Schwerer als die Rheinmetall-Orders wiegen die Aufträge aus Saudi-Arabien – das Land ist viertgrößter Rüstungseinkäufer der Welt – für ein Grenzsicherungssystem von Airbus und für die Instandhaltung des Eurofighter sowie für Patrouillenboote von der Lürssen-Werft, die vielfach mit Thyssenkrupp kooperiert. Alles, was deutsche Teile enthält, darf nicht mehr nach Saudi-Arabien gelangen.”Rüstungsexporte sind immer hochpolitisch. Wir akzeptieren jederzeit das Primat der Politik in diesem Bereich”, sagt Rheinmetall-Sprecher Peter Rücker. Aber er wirbt zugleich auch für ein Ende des Exportstopps nach Saudi-Arabien. “Wer keine Rüstungsgüter in diese Region liefert, hat auch weniger Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Politik der arabischen Staaten”, gibt er zu bedenken.Neben der Ermordung Kashoggis gibt es noch einen Grund für den Exportstopp. Er findet sich im Koalitionsvertrag: der Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi-Arabien im Jemen. Die SPD wollte die Rüstungsexporte an die von Saudi-Arabien geführte Kriegsallianz im Jemen eigentlich ganz stoppen. Umgesetzt wurde dies nicht: Die Bundesregierung hat in ihrem ersten Amtsjahr Rüstungslieferungen im Wert von rund 400 Mill. Euro an die Jemen-Kriegsallianz genehmigt – trotz eines von Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbarten Exportstopps. Argwöhnisch beobachtetDoch zeitigt der Rüstungsexportstopp gegen Saudi-Arabien auch noch ganz andere Wirkungen für Europas Rüstungskonzerne: “Die Deutschen werden seither argwöhnisch beobachtet. Als Partner für Gemeinschaftsprojekte sind sie weniger willkommen als bisher, weil nicht mehr klar ist, wohin am Ende exportiert werden darf und wohin nicht”, sagt Rheinmetall-Sprecher Rücker.Auf Rüstungsmessen wird für bestimmte Produkte schon mit dem Label “German free” geworben, um so die Liefersicherheit zu betonen. Die französische Botschafterin in Deutschland, Anne-Marie Descôtes, warnte jüngst in einem Aufsatz, dass die deutschen Exportregeln “ernste Konsequenzen für die Kooperation im Verteidigungssektor” hätten.Theoretisch könnte das auch ein Zukunftsprojekt von Rheinmetall negativ betreffen. Der Konzern will sich mit dem Partner Krauss-Maffei Wegmann und dessen deutsch-französischem Joint Venture Nexter um die Entwicklung und Produktion eines deutsch-französischen Kampfpanzers bewerben – ein Projekt mit einem potenziellen Auftragsvolumen von 100 Mrd. Euro.Analyst Harald Eggeling von Oddo BHF erwartet Belastungen für das Rüstungsgeschäft durch die neue politische Landschaft in Deutschland. Nach dem Erdrutschsieg der Grünen werde eine künftige Regierungskoalition voraussichtlich die Rüstungsexportregeln verschärfen und die Verteidigungsausgaben senken. Der Kurs der Rheinmetall-Aktie stieg indes am Montag um 1,4 % auf 102,40 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich damit seit 2015 auf 4,5 Mrd. Euro verdoppelt.Während die deutsche Rüstungsindustrie bei Exporten in Länder außerhalb der Nato einen schweren Stand hat, ist man in den Nachbarländern stolz auf Exporterfolge – auch auf die Lieferungen in arabische Länder. Frankreichs Armeeministerin Florence Parly berichtete am 29. Mai der Assemblée Nationale erfreut, dass die französischen Rüstungsexporte 2018 um 30 % auf 9,1 Mrd. Euro gestiegen seien, insbesondere dank Saudi-Arabien. Es sei “eines der besten Ergebnisse für Frankreich in den letzten 20 Jahren”, sagte Parly. “Das sind 50 % mehr als unser üblicher durchschnittlicher Export von rund 6 Mrd. Euro pro Jahr.” Insbesondere begrüßte Parly die europäische Ausrichtung eines Teils dieser Exporte: “In diesem Jahr gehen 25 % unserer Waffenexporte an unsere europäischen Partner.” Paris stolz auf ErfolgeGleichwohl bleiben für den Zeitraum 2009 bis 2018 die Länder Indien, Saudi-Arabien und Katar die drei wichtigsten Kunden Frankreichs, mit einer Steigerung der Waffenverkäufe an die saudische Regierung im Jahr 2018 um mehr als 50 % – trotz des Jemen-Kriegs. Damit hält Frankreich seinen Platz in den Top 5 der Rüstungsexporteure weltweit, offiziell mit Platz 3 für 2018 und wahrscheinlich auch Platz 3 nach den USA und Russland 2019. Frankreich verzeichnete 2018 Rüstungsaufträge aus Saudi-Arabien in Höhe von 945 Mill. Euro, aus Indien von 408 Mill. Euro, und die Lieferungen nach Katar wurden auf fast 2,4 Mrd. Euro verdoppelt dank des Verkaufs von zusätzlichen Rafale-Kampfflugzeugen und 28 NH90-Hubschraubern.