RWE und Uniper starten erste Flüssiggas-Terminals
cru Frankfurt – Die Bundesregierung und das Land Niedersachsen erhöhen das Tempo beim Aufbau einer Infrastruktur zum Import von Flüssigerdgas (LNG). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat dazu am Donnerstag Pachtverträge über die Anmietung von vier schwimmenden Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) – sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU) unterzeichnet – in Zusammenarbeit mit den Energiekonzernen RWE und Uniper. Das soll die Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland verringern.
Die Reedereien Höegh LNG und Dynagas stellen je zwei der LNG-Terminals auf Spezialschiffen bereit. Diese haben addiert eine Kapazität von mindestens 20 Mrd. Kubikmetern pro Jahr zur Regasifizierung von per Tanker angeliefertem Flüssiggas. Das entspricht laut Bundeswirtschaftsministerium etwa einem Fünftel des deutschen Bedarfs.
Betrieben werden die Anlagen von RWE und Uniper – auf Basis eines Dienstleistungsvertrags mit dem Bund. „Wir müssen unsere Energieversorgung heute mehr denn je auf robustere Säulen stellen“, sagte Habeck. Versorgungssicherheit gebe es langfristig nur, wenn die Infrastruktur für LNG ausgebaut werde. Zu den größten LNG-Exporteuren der Welt gehören die USA, Australien und Katar. Die EU ist bestrebt, ihre Energieversorgung rasch auf solche Lieferanten umzustellen, um Russland für den Einmarsch in der Ukraine zu strafen. Im April hatte Moskau aufgrund eines Zahlungsstreits unerwartet die Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt.
Dringliche Aufgabe
Das machte es noch dringlicher, die Abhängigkeit von Gas, Kohle und Öl aus Russland zu verringern. Gas deckt ein Viertel des deutschen Energiebedarfs, und Deutschland hat den Anteil des russischen Gases an den Importen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine von etwa der Hälfte auf 35% gesenkt. Bis Mitte 2024 soll dieser Anteil auf 10% sinken.
Die Bundesregierung hat sich den Embargos der EU gegen russisches Öl und russische Kohle angeschlossen, die bis Ende 2022 in Kraft treten. Das Wirtschaftsministerium bestätigte, dass die Bundesregierung 2,94 Mrd. Euro (3,1 Mrd. Dollar) für die schwimmenden LNG-Terminals und die Infrastruktur für deren Anschluss an das Netz bereitstellt. Die Anbindung übernimmt der Gasnetzbetreiber Open Grid Europe, der dem Finanzinvestor Macquarie gehört.
Das erste schwimmende Terminal in der niedersächsischen Hafenstadt Wilhelmshaven an der Nordwestküste soll Ende 2022 in Betrieb gehen und ein weiteres in Brunsbüttel Anfang 2023. Als Standorte für die anderen Terminals sind Stade, Rostock, Hamburg und Eemshaven im Gespräch. Deutschland benötigt jährlich 95 Mrd. Kubikmeter Gas, verfügt aber derzeit über keine eigenen LNG-Terminals – und die Terminals in Nachbarländern wie den Niederlanden, Frankreich und Belgien sind bereits ausgelastet.
Längerfristig geplant ist der Bau mehrerer fester LNG-Terminals, die bis 2026 in Betrieb gehen. Uniper investiert 65 Mill. Euro in ein Terminal in Wilhelmshaven, dessen Bau bereits läuft. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Welt auf den Kopf gestellt“, sagte CEO Klaus-Dieter Maubach. „Das gilt insbesondere für die Energiewirtschaft.“
Wirtschaftsminister Habeck legt am Montag ein Gesetz vor, das die Genehmigungsverfahren für LNG-Projekte beschleunigt und es Umweltverbänden erschwert, sie anzufechten. Laut Habeck bedeuten die derzeitigen bürokratischen Hürden, dass der Bau eines LNG-Terminals fünf Jahre dauern würde. Man habe aber gute Chancen, das zu schaffen, was in Deutschland bisher eigentlich unmöglich war – „einen LNG-Terminal innerhalb von etwa zehn Monaten zu bauen und ihn an die deutsche Gasversorgung anzuschließen“, sagte Habeck laut Nachrichtenagentur Bloomberg.
Wasserstoff von Wintershall
Unterdessen will der Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea – ebenfalls am Standort Wilhelmshaven – künftig umweltschonenden Wasserstoff aus norwegischem Erdgas produzieren. Im Rahmen des Großprojekts BlueHyNow sollen dabei über 200000 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde hergestellt werden, wie das Unternehmen ankündigte. Das entspreche einem Jahresvolumen von 5,6 Terawattstunden (TWh) und etwa dem dreifachen Energieverbrauch des Wolfsburger VW-Werks im Jahr 2019.