Sanfte Rückendeckung für Aktionäre
Die Kritik von Aktionären an der Einschränkung ihrer Rechte in virtuellen Hauptversammlungen ist in der Politik zumindest teilweise auf offene Ohren gestoßen. Die Koalitionsfraktionen haben sich kurzfristig auf einige Änderungen bei Frage- und Antragsrechten geeinigt, die vermutlich im März wirksam werden.swa Frankfurt – Die Bundesregierung hatte im Zuge der Corona-Pandemie Anfang des Jahres gesetzlich befristet die Möglichkeit geschaffen, dass Unternehmen auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ermöglichen und die Aktionärstreffen ohne Präsenz rein virtuell abhalten können. Diese Option war zunächst auf 2020 beschränkt, im Oktober war sie für das Jahr 2021 verlängert worden. Nun bessert der Gesetzgeber in einigen Punkten nach, um Aktionärsrechte zu stärken.Es war eine rege Online-Teilnahme an virtuellen Aktionärstreffen zu beobachten; die durchschnittliche Präsenz im Dax ist sogar auf über 67 % gestiegen (siehe Grafik). Institutionelle Investoren kritisierten jedoch eine Beschneidung von Aktionärsrechten, weil Fragen vor der Hauptversammlung eingereicht werden mussten, der Vorstand entscheiden konnte, welche er beantwortet, und die Unternehmen nicht verpflichtet waren, Nachfragen während der virtuellen Versammlung zuzulassen.Auf politischer Ebene wird nun versucht, einige von Investoren vorgebrachte Defizite beheben. Im Rahmen des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung haben die Fraktionen von CDU/CSU und SPD überraschend Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung angepasst. Dies wurde gestern im Rechtsausschuss des Bundestages behandelt. Initiiert wurden die Änderungen von Heribert Hirte, Mitglied im Rechtsausschuss und Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu diesem Thema.Die Rückmeldungen zu den virtuellen Hauptversammlungen 2020 hätten gezeigt, “dass die Aktionärsrechte in Teilen nur unzureichend gewahrt werden”, begründet Hirte seinen Vorstoß. Die Anpassungen sind indes nicht einschneidend. So soll aus der bislang gewährten “Fragemöglichkeit” der Aktionäre ein “Fragerecht” werden, wobei in der Begründung zum Gesetzentwurf klargestellt wird, dass dieses nicht dem im Aktienrecht in Paragraf 131 geregelten Auskunftsrecht gleichkommt. Der Vorstand habe weiterhin ein Ermessen, Fragen und deren Beantwortung zusammenzufassen. Es wird jedoch ermöglicht, Fragen zeitnah noch bis zu einen Tag vor der Hauptversammlung auf elektronischem Weg einzureichen, bislang sind zwei Tage vorgegeben.Entgegenkommen wird auch im Thema gezeigt, inwieweit Anleger berechtigt sind, Anträge in virtuellen Hauptversammlungen zu stellen. Künftig sollen zu veröffentlichende Gegenanträge und Wahlvorschläge für Aufsichtsräte als in der Versammlung gestellt gelten, sofern sie der Gesellschaft rechtzeitig zugegangen sind – sogenannte “Fiktionslösung”.Die Neuregelungen werden wohl Anfang März in Kraft treten, so dass die Unternehmen zum Auftakt der Saison noch nicht betroffen sind. In der Debatte waren noch weiter gehende Vorschläge, etwa ein Recht der Aktionäre auf Nachfragen während der Hauptversammlung. Das könnte erneut in einer breiter angelegten Reform der Hauptversammlung aufgegriffen werden. “Gelebte Best Practice”Für den Gesellschaftsrechtler Christoph Seibt, der als Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer pro Saison an die 30 Hauptversammlungen betreut, spiegeln die Änderungen zum Frage- und Antragsrecht “im Wesentlichen nur die in der HV-Saison 2020 ohnehin schon gelebte Best Practice wider, mit Ausnahme der für die Unternehmen belastenden Fristverkürzung für die Fragestellung von zwei Tagen auf einen Tag vor der Hauptversammlung, die im Ergebnis den Aktionären keinen Mehrwert bietet”. In der Praxis hätten die Unternehmen den Aktionären bereits ein Fragerecht eingeräumt und die eingereichten Fragen auch “ausnahmslos beantwortet”, sagt Seibt. Der Anwalt befürchtet, dass die Qualität der Beantwortung durch die Verkürzung der Vorbereitungszeit auf einen Tag “notgedrungen abnimmt”. Best Practice ist es aus seiner Warte auch schon in der Saison 2020 gewesen, dass rechtzeitig zugegangene Gegenanträge und Wahlvorschläge als in der Versammlung gestellt gelten – allerdings nicht bei allen Dax-Konzernen.