IM GESPRÄCH: TILLMANN PEETERS

Sanierungsexperte schlägt Alarm

Kriterien für Hilfskredite müssen nachgebessert werden - "Erste Insolvenzwelle trifft uns vor Ostern"

Sanierungsexperte schlägt Alarm

Von Annette Becker, DüsseldorfDie Politik steckt in der Klemme. Einerseits hat die Regierung der Wirtschaft schnelle und unbürokratische Hilfen bei der Bewältigung der Coronakrise versprochen. Andererseits soll Trittbrettfahrern der Zugang zu dem milliardenschweren Hilfskrediten verbaut werden. Alle Unternehmen mit makelloser Bilanz bekommen Hilfe. Zur Wahrheit gehört nach Einschätzung des Sanierungsexperten Tillmann Peeters aber auch, dass die Vielzahl der Unternehmen nicht über eine solche Bilanz verfügt.Der Geschäftsführer der Sanierungsberatung Falkensteg schätzt, dass etwa die Hälfte der betroffenen Unternehmen “einen Fleck auf der Weste” habe, prinzipiell aber überlebensfähig sei. An Hilfskredite kämen diese Unternehmen allerdings nicht, weil den Geschäftsbanken das Risiko verständlicherweise zu groß sei. Wegen Corona solle kein Unternehmen untergehen, versprachen Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzminister. Doch die Beweislast, dass die Liquiditätsklemme Folge der Viruskrise ist, liege bei den Unternehmen, moniert Peeters. “Das ist das Gegenteil von schnell und unbürokratisch”, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Da die Hilfen nur für Unternehmen gälten, die keine Krisenvorerkrankung haben, fielen zahlreiche Gesellschaften durchs Raster. Eine der Voraussetzungen für Förderkredite sei beispielsweise, dass die Unternehmen im abgelaufenen Turnus ein positives Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) geschrieben haben. “Ein negatives Ebit ist ein Ausschlusskriterium”, weiß Peeters.Erschwerend komme hinzu, dass Unternehmen aus manchen Branchen schon im Vorjahr mit Gegenwind kämpften. Die gesamte Automobilbranche habe schon zuvor in der Krise gesteckt. Es sei aber sicher nicht politisch gewollt, wesentliche Teile dieser Branche abzuwickeln. Von daher wirbt Peeters nachdrücklich um eine Absenkung der Kriterien zum Erhalt der Hilfskredite. Noch kaum Mandatierungen”Die Kriterien, um in den Genuss von Staatshilfe zu kommen, sind Schönwetterkriterien. Wir brauchen aber Sturmkriterien”, verdeutlicht der Experte und betont, dass es ihm keineswegs darum gehe, jedem Unternehmen zu helfen, das laut aufschreie. Ohne Absenkung der Kriterien bestehe jedoch die Gefahr, dass der Zweck der Hilfskredite verfehlt werde. In der täglichen Sanierungspraxis gebe es derzeit noch keinen Ansturm. “Momentan vertrauen die Unternehmen noch auf Staatshilfe. Wir bekommen zwar viele Anfragen, aber wenig Mandatierung. Das wird sich schnell ändern”, sagt Peeters, der befürchtet, dass “uns noch vor Ostern die erste Insolvenzwelle trifft”.Vielen Managern aus der Sanierungsindustrie graue vor diesem Tag. “Insolvenz ist vielfach keine Lösung, denn die Sanierung ist bei stillstehendem Betrieb fast nicht möglich”, begründet der Fachanwalt für Insolvenzrecht. Statt Sanierung drohe dann die Abwicklung.Schon heute zeige sich, dass viele der im Zuge einer Sanierung angebahnten Verkäufe momentan nicht abgeschlossen werden könnten. Richtig zur Sache dürfte es allerdings erst später gehen, wenn die Unternehmen ihre vorhandene Liquidität aufgebraucht haben und die Wirtschaft noch nicht wieder auf Hochtouren läuft. “Mir erscheinen die Szenarien der Wirtschaftsweisen als zu optimistisch. Nach dem Ende des Shutdown wird es zwei bis drei Monate dauern, bis wieder alles hochgefahren ist”, macht Peeters deutlich. Tücken bei KurzarbeitergeldTücken macht der Sanierungsexperte auch in der Kurzarbeiterregelung aus. “Beim Kurzarbeitergeld wird es zwei bis drei Monate dauern, bis tatsächlich Geld vom Arbeitsamt fließt. Die wenigsten Unternehmen haben aber ausreichend Geld, um Löhne und Gehälter für drei Monate auszuzahlen”, warnt Peeters und verweist darauf, dass juristisch gesehen schon dann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, alle fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.