RECHT UND KAPITALMARKT

Sanktionen für Kapitalmarktverstöße verschärft

Bundestag beschließt höhere Strafen für Einzelpersonen und Unternehmen bei Insidergeschäften und Marktmanipulation

Sanktionen für Kapitalmarktverstöße verschärft

Von David Pasewaldt und Julia Baedorff *)Am 13. Mai 2016 wird der Bundesrat über das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) beraten, das der Bundestag am 14. April verabschiedet hat. Erteilt er seine Zustimmung, was erwartet wird, werden demnächst umfangreiche Verschärfungen der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bei Insidergeschäften und Marktmanipulation in Kraft treten. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll erweiterte Aufgaben und Befugnisse erhalten.Mit dem neuen Gesetz sollen Vorgaben der europäischen Marktmissbrauchsverordnung und Marktmissbrauchsrichtlinie (Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation) im deutschen Recht verankert werden. Neben neuen Regelungen zur Ad-hoc-Publizität sowie zu Insiderlisten und Director’s Dealings sind ein Kernbereich dieser Regelwerke die Verbote von Insidergeschäften und Marktmanipulation, die derzeit in den §§ 12 bis 14 WpHG und § 20a WpHG geregelt sind. Ergänzt werden diese Vorschriften durch die §§ 38 und 39 WpHG, nach denen entsprechende Verstöße Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten darstellen. Sie enthalten zudem Regelungen zu den subjektiven Voraussetzungen einer Haftung und zu den Sanktionen. Hier setzt die Marktmissbrauchsrichtlinie an, deren Vorgaben bis Juli 2016 im deutschen Recht umzusetzen sind. Täterkreis ausgeweitetKünftig sollen alle vorsätzlichen Insidergeschäfte für jede Einzelperson strafbar sein. Nach geltender Rechtslage ist nur ein Verstoß gegen das Verbot des Handelns mit Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation (Handelsverbot) eine für jedermann strafbare Tat. Einen strafbaren Verstoß gegen die Verbote der Weitergabe von Insiderinformation und des Empfehlens eines Erwerbs oder einer Veräußerung von Insiderpapieren auf der Grundlage von Insiderinformation kann derzeit dagegen nur ein bestimmter Personenkreis begehen, zu dem namentlich Geschäftsführungsmitglieder oder Mitglieder von Aufsichtsorganen zählen (Primärinsider). AbschwächungLeichtfertiges Handeln soll allerdings künftig bei allen Insidergeschäften nur noch eine Ordnungswidrigkeit begründen. Gegenüber der derzeitigen Rechtslage ist dies eine Abschwächung, da leichtfertige Verstöße gegen das Handelsverbot bisher noch als Straftat zu ahnden sind. Leichtfertig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders großem Maße außer Acht lässt. Einfach fahrlässiges Handeln, für das jede Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt ausreicht, soll hingegen auch nach dem 1. FiMaNoG weder bei Insidergeschäften noch bei Marktmanipulation eine Ordnungswidrigkeit begründen.Nach den Neuregelungen soll der Straftatbestand einer vollendeten Marktmanipulation weiterhin voraussetzen, dass der Täter durch sein Handeln den Preis eines Finanzinstruments beeinflusst. Ohne eine solche Beeinflussung stellen sowohl vorsätzliche als auch leichtfertige Manipulationshandlungen weiterhin lediglich Ordnungswidrigkeiten dar. Das neue Gesetz sieht allerdings, anders als bisher, bei der Marktmanipulation eine Versuchsstrafbarkeit vor. Folglich würden reine Marktmanipulationshandlungen ohne Preisbeeinflussung künftig bereits in den Bereich der Strafbarkeit fallen, wenn der Täter eine solche zumindest für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt.Die Strafandrohungen für Einzelpersonen sollen bei der Marktmanipulation kräftig anziehen, um europäischen Standards zu genügen. So soll die Höchststrafe von derzeit fünf Jahren Freiheitsstrafe auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe angehoben werden, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande gehandelt hat. Bei Fällen mit Unternehmensbezug wäre das Risiko von Vorwürfen der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung besonders hoch, wie die Erfahrungen mit anderen Straftatbeständen in der Praxis zeigen. Zudem soll bei gewerbs- oder bandenmäßiger Marktmanipulation künftig eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe gelten. Damit würden entsprechend qualifizierte Marktmanipulationen nicht länger nur Vergehen darstellen, sondern in die schwerere Deliktskategorie der Verbrechen fallen. Höchststrafe unverändertNach den allgemeinen Regeln des Strafrechts wären somit künftig bereits ein Sichbereiterklären und die Verabredung zur Begehung einer solchen Markmanipulation strafbar. In strafprozessualer Hinsicht wären zugleich die Möglichkeiten einer Verfahrenseinstellung gegen Auflagen und Weisungen, insbesondere gegen Zahlung einer Geldauflage, und einer Erledigung im Strafbefehlsverfahren ausgeschlossen.Für Insiderstraftaten und – einfache – Marktmanipulation soll die Höchststrafe mit fünf Jahren Freiheitsstrafe hingegen unverändert bleiben. Bei Ordnungswidrigkeiten sollen leichtfertige Insidergeschäfte bei Einzelpersonen künftig mit einer Geldbuße von bis zu 5 Mill. Euro geahndet werden können, was gegenüber dem derzeit geltenden Höchstbetrag von 200 000 Euro eine erhebliche Verschärfung darstellt. Dasselbe soll für vorsätzliche Marktmanipulationshandlungen ohne Preisbeeinflussung gelten, wenn nicht ohnehin ein strafbarer Versuch vorliegt, sowie für leichtfertige Marktmanipulation. Bis 15 Mill. EuroAuch die Sanktionen für Unternehmen sollen deutlich angehoben werden. Gegen sie sollen künftig sowohl bei vorsätzlichen als auch bei leichtfertigen Verstößen gegen die Verbote von Insidergeschäften und Marktmanipulation grundsätzlich Geldbußen bis zu 15 Mill Euro verhängt werden können. Doch sollen auch Geldbußen darüber hinaus möglich sein, und zwar in Höhe von 15 % des Jahresumsatzes des Unternehmens. Für solche Sanktionen gegen Unternehmen soll wie bisher eine unternehmensbezogene Straftat oder Ordnungswidrigkeit eines Mitglieds der Geschäftsführung oder einer sonstigen Leitungsperson als Anknüpfungstat erforderlich sein. Allerdings soll dafür auch künftig insbesondere eine ordnungswidrige Aufsichtspflichtverletzung (§§ 130, 9 OWiG) ausreichen, die zum Beispiel angenommen werden kann, wenn in dem betreffenden Unternehmen kein angemessenes Compliance-Management System existiert.Sowohl für Unternehmen als auch für Einzelpersonen soll die Geldbuße darüber hinaus das Dreifache des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils betragen können, wobei für Unternehmen auch der genannte Betrag von 15 Mill. Euro oder 15 % des Jahresumsatzes überschritten werden kann. Mehr Macht für die BaFinSchließlich soll die BaFin mit erweiterten Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden. Beispielsweise soll sie künftig bei einem Verdacht von Insidergeschäften oder Marktmanipulation die Herausgabe von Daten von einem Telekommunikationsbetreiber verlangen können. Zudem soll der BaFin ermöglicht werden, eine Warnung unter Nennung des Unternehmens oder der Einzelperson, die gegen das Verbot von Insidergeschäften oder Marktmanipulation verstoßen hat, auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Ob hierfür eine rechtskräftige Verurteilung erforderlich sein soll, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wünschenswert wäre, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.Gerade vor dem Hintergrund dieser erweiterten Aufgaben und Befugnisse der BaFin sollten Banken und börsennotierte Unternehmen die anstehenden Neuregelungen im Rahmen der Kapitalmarkt-Compliance zeitnah umsetzen, das heißt insbesondere interne Richtlinien anpassen und relevante Mitarbeiter entsprechend schulen.—-*) Dr. David Pasewaldt und Dr. Julia Baedorff sind Senior Associates in der Gruppe White Collar, Regulatory & Compliance von Clifford Chance.