AUTOZÖLLE

Schlecht gepokert

Statistiken, gutes Zureden, Investitionsankündigungen und ein Besuch der Auto-Bosse im Weißen Haus - am Ende werden wohl alle Bemühungen umsonst gewesen sein. Handelsminister Wilbur Ross soll US-Präsident Donald Trump bereits empfohlen haben,...

Schlecht gepokert

Statistiken, gutes Zureden, Investitionsankündigungen und ein Besuch der Auto-Bosse im Weißen Haus – am Ende werden wohl alle Bemühungen umsonst gewesen sein. Handelsminister Wilbur Ross soll US-Präsident Donald Trump bereits empfohlen haben, Strafzölle auf Autoimporte aus der EU zu erheben – aus Gründen der nationalen Sicherheit. Die Mercedes S-Klasse ist also gefährlich? Das klingt an den Haaren herbeigezogen. Die Stringenz seiner Argumentation hat den derzeitigen US-Präsidenten allerdings noch nie weiter geschert. Das ist nicht erst bekannt, seit er für die Finanzierung seiner versprochenen Mauer zu Mexiko den nationalen Notstand ausgerufen hat, obwohl die dafür erforderliche Dringlichkeit selbst ihm zufolge nicht vorlag.Was also bedeutet das sich abzeichnende diplomatische Debakel für die Autoindustrie? Die gute Nachricht: Der laufende Ausbau der nordamerikanischen Produktion lohnt sich mehr denn je. SUVs wie sie in Spartanburg, Tuscaloosa und Chattanooga vom Band rollen, gewinnen im Produktmix gegenüber importierten Limousinen an Bedeutung. Zudem sind die USA für VW, Daimler und BMW zwar ein enorm wichtiger Markt. Eine Abhängigkeit – wie bei GM und Ford von ihrem Heimatmarkt – gibt es aber nicht. Die deutschen Hersteller sind im wahrsten Sinne des Wortes global aufgestellt. Das gilt auch für große Zulieferer wie Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen.Demnach würden die Zölle die hiesige Autoindustrie zwar schmerzen, aber kaum unheilbare Wunden reißen. Die US-Autobauer, die durch Zölle auf Fahrzeugteile ebenfalls betroffen sein können, sehen daher zu Recht keinen Anlass zu jubeln. Wenn die importierte S-Klasse sich um 15 000 Dollar verteuert, stört dies deren Käufer womöglich weniger als die klammen Käufer eines Chevrolet Impala, sollte dieser künftig auch nur 1 500 Dollar mehr kosten.Ein wenig mehr Selbstvertrauen würde der deutschen Autoindustrie gut zu Gesicht stehen – und wäre auch in den zurückliegenden Verhandlungen hilfreich gewesen. Trump sieht – so viel lässt sich nach zwei Jahren im Amt festhalten – Verhandlungen als Wettstreit und wertet die Wünsche des Gegenübers als Schwächen. Die Autoindustrie hat Trump mit ihrem Umgarnen signalisiert, wo er sie treffen kann. Wenn er dieses Wissen nun nutzt, bleibt er sich nur treu. Um in Zukunft bessere Ergebnisse zu erzielen, braucht es grundlegend andere Verhandlungsstrategien. Wer pokern will, darf nicht gleich in der ersten Runde alle Karten auf den Tisch legen.