Geplante Continental-Kooperation mit Rheinmetall

Schließe Standort, biete Arbeitnehmer

Durch Umstrukturierungen muss Continental Stellen streichen. Einige betroffene Beschäftigte will der Zulieferer über Kooperationen vermitteln. Das Modell bietet Vorteile – allerdings sollten Unternehmen die Rechnung nicht ohne die Mitarbeiter machen.

Schließe Standort, biete Arbeitnehmer

Für die Beschäftigten von Continental sind es unruhige Zeiten. Der Autozulieferer steckt in einer Umstrukturierung, Stellenstreichungen und Standortschließungen inklusive. Mitarbeiter, die ihren Conti-Job verlieren, werden aber vielleicht andernorts händeringend gesucht: So erwartet der Wehrtechnikkonzern Rheinmetall einer Mitteilung zufolge allein im laufenden Geschäftsjahr ein Umsatzwachstum von bis zu 40% im Vergleich zum Vorjahr und will deshalb Personal aufbauen.

Mitte Juni haben beide Unternehmen eine „Absichtserklärung zur Zusammenarbeit“ unterzeichnet: „Ziel der Vereinbarung ist es, den in den nächsten Jahren stark wachsenden Personalbedarf von Rheinmetall teilweise durch die von der Transformation betroffenen Beschäftigten von Continental zu decken“, heißt es.

Kooperationen mit Stiebel Eltron und Siemens Mobility

Bis zu 100 Beschäftigte des Continental-Standorts in Gifhorn könnten eine Beschäftigungsperspektive bei Rheinmetall im 55 Kilometer entfernten Unterlüß finden. Ähnliche Kooperationen hat Continental nach eigenen Angaben bereits mit Stiebel Eltron und Siemens Mobility geschlossen. Für die Vermittlung nutzt das Unternehmen auch seine Mitgliedschaft in der „Allianz der Chancen“ (AdC).

In der 2021 gegründeten „Allianz der Chancen" sind mittlerweile mehr als 70 Unternehmen und Institutionen engagiert. „Der direkte Draht zu anderen Personalverantwortlichen in der Region macht es möglich, Projekte schnell zu entwickeln und anzugehen“, sagt Sophia von Rundstedt, Geschäftsführerin der gleichnamigen Unternehmensberatung, die ebenfalls AdC-Mitglied ist. Allerdings hänge es nicht allein von den beteiligten Unternehmen ab, ob der auf den ersten Blick so naheliegende Wechsel von Beschäftigten funktioniert: „Man darf den Faktor Mensch nicht unterschätzen.“

Man kann auf dem Papier ein perfektes Match haben – aber davon bewegt sich der Mensch nicht.

Unternehmensberaterin Sophia von Rundstedt

Sie berät regelmäßig in Situationen, in denen Unternehmen Beschäftigte entlassen – und erlebt dabei viel Unsicherheit. „Viele Menschen reagieren auf Veränderungen erst einmal skeptisch und ängstlich“, beobachtet sie. Diese Sorgen zu adressieren und darauf Antworten zu finden sei ein wichtiger Teil des Prozesses. Andernfalls könnte jedes noch so passende Angebot beim Kandidaten durchfallen: „Man kann auf dem Papier ein perfektes Match haben – aber davon bewegt sich der Mensch nicht.“

Um Vorbehalte abzubauen, spricht von Rundstedt sich für eine Orientierungszeit aus. „So könnten Beschäftigte die neue Rolle testen, während der Vertrag mit dem alten Arbeitgeber noch läuft“, erklärt sie. Rechtlich ist dies allerdings eine Arbeitnehmerüberlassung – und die bringt bürokratischen Aufwand mit sich, den insbesondere Mittelständler nur schwer stemmen können. „Ich würde mir an dieser Stelle ein schlankeres Verfahren wünschen“, sagt von Rundstedt.

Neue Perspektiven gesucht

Die Anpassung des Personalbestands treibt derzeit viele Unternehmen um. In einer Umfrage der HR-Strategieberatung Human und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung unter 400 Praktikern aus dem Personalbereich hat im vergangenen Sommer mehr als die Hälfte der Teilnehmer angegeben, dass sie bereits ein Workforce-Transformation-Projekt begleitet hätten. Die Projektbudgets lagen der Befragung zufolge bei durchschnittlich 2 bis 4 Mill. Euro, die Projekte dauerten im Schnitt ein bis zwei Jahre. Die häufigsten Gründe für die Anpassungen waren Kosten, Digitalisierung und Automatisierung sowie veränderte Geschäftsmodelle.

Sophia von Rundstedt erlebt bei Betroffenen oft Unsicherheit. Foto: von Rundstedt

Wie erfolgreich die Vermittlung bei Continental läuft, wird sich in einigen Monaten zeigen. Die Vereinbarungen sollen „den Beschäftigten der von der Transformation betroffenen Standorte“ neue Perspektiven bieten, erklärt Ariane Reinhart, Conti-Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit, in einer Mitteilung. Rheinmetall-Personalvorstand Peter Sebastian Krause zeigt sich darin „überzeugt, dass die Continental-Beschäftigten hervorragende Qualitäten mitbringen, die für uns bei Rheinmetall von hohem Wert sein können“. Rheinmetall arbeite an vergleichbaren Kooperationen mit anderen Industriepartnern in verschiedenen Branchen.

Finanzielle Belastung kann sinken

Beschäftigte mit anderen Unternehmen zu vernetzen ist einer von mehreren Wegen, neben Qualifizierungsmaßnahmen oder der Suche nach alternativen internen Stellen. Häufig laufen diese Stränge bei Transformationsprogrammen parallel. Wie vertragliche Rahmenbedingungen im Falle einer Vermittlung an ein anderes Unternehmen ausgestaltet werden, müssen die Beschäftigten jeweils mit ihrem neuen Arbeitgeber verhandeln. Für die abgebenden Unternehmen kann eine erfolgreiche Vermittlung finanzielle Erleichterung bringen: „Die finanzielle Belastung durch Abfindungszahlungen kann dadurch ganz erheblich sinken“, sagt von Rundstedt.

Die Vermittlung durch Firmen untereinander ist ihrer Beobachtung nach oft effizienter als die durch behördliche Stellen. „Der direkte Draht zwischen Personalverantwortlichen ist einfach schneller.“ Sie geht davon aus, dass selbst organisierte Weitervermittlungen weiter zunehmen werden. Dabei sieht sie regionale Netzwerke als wichtigen Erfolgsfaktor. Die Agentur für Arbeit sei auch regelmäßig bei Terminen der „Allianz der Chancen“ dabei – im Idealfall wird sie aber gar nicht zuständig, sagt die Beraterin: „Ziel ist es, dass die Beschäftigten nahtlos von einem Arbeitgeber zum nächsten wechseln, ohne sich arbeitsuchend melden zu müssen.“

Schließe Standort, biete Arbeitnehmer

Continental will Beschäftigte mit Rheinmetall zusammenbringen – Initiative „Allianz der Chancen“ setzt auf regionale Kontakte

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
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