Sicherere Ölversorgung sorgt für Investitionsschub

Nach den Anschlägen in Saudi-Arabien stehen die USA im Fokus - Ausrüster profitieren - Kurse am Boden

Sicherere Ölversorgung sorgt für Investitionsschub

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtInvestoren haben die großen US-Ölfeldausrüster bis vor kurzem nicht mal mehr mit der Beißzange angefasst. Die Aktien von Schlumberger, Halliburton & Co. lagen auf Niveaus wie zuletzt in der Finanzkrise von 2008/2009; teilweise musste man bis ins vorige Jahrtausend zurückgehen, um auf tiefere Notierungen zu stoßen. Die Ursache liegt auf der Hand: Die Energiewende und die herrschende Klimamanie, die die Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe zu einem Sakrileg haben werden lassen, sind Gift für die Branche, die von Aufträgen der großen Ölkonzerne lebt. Doch die distanzierte Haltung gegenüber Ölfeld-Dienstleistern hat sich nach den Anschlägen auf Ölanlagen in Saudi-Arabien vor knapp zwei Wochen geändert.Nach den Angriffen hat der Ölpreis einen Sprung von rund 60 auf knapp 70 Dollar je Barrel Brent gemacht. Davon profitierten die Aktien von Ölkonzernen und deren Zulieferern, zumal – wie immer in Krisen, die die Versorgung mit dem Schmierstoff tangieren – reflexartig Gelder in Ölaktien flossen. Doch das wieder geweckte Interesse der Anleger an den Ölfeldausrüstern und -dienstleistern dürfte von Dauer sein. Fragile Förderung am Golf Die Hauptgründe für die Kurserholung liegen tiefer. Denn durch die Anschläge in der Nacht zum 14. September ist vielen Marktakteuren wieder deutlich vor Augen geführt worden, wie fragil die Lage am Persischen Golf und damit auch die Ölversorgung der Welt ist. Den Angreifern war es gelungen – wenn wohl auch nur für einige Wochen -, die tägliche Ölproduktion in Saudi-Arabien um 5,7 Mill. Barrel zu reduzieren; das war mehr als die Hälfte der zuletzt geförderten Menge und entspricht fast 6 % des global geförderten Öls.Saudi-Arabien hatte 2018 nach Angaben von BP einen Anteil von 13 % an der Ölförderung weltweit und lag damit auf Rang 2 hinter den USA mit 16,2 %. Die dritte Stelle nahm Russland mit 12,1 % ein, weit vor Kanada mit 5,5 %. Allerdings hatte Saudi-Arabien mit 17,1 % den höchsten Anteil an der weltweit exportierten Menge von 2,23 Mrd. Tonnen. Mit Abstand folgten Russland (11,4 %) und der Irak (8,5 %).Ein Blick auf die Verteilung der globalen Ölreserven macht noch klarer, dass sich die Importländer bzw. westliche Konzerne wie Royal Dutch Shell, ExxonMobil, BP, Chevron oder Total um alternative Versorgungsmöglichkeiten kümmern müssen. Mit mehr als 48 Mrd. Tonnen liegt nach jüngsten Zahlen von Statista Venezuela vorn; in dem südamerikanischen Land tobt jedoch ein Machtkampf. Als Folge befindet sich Venezuela in einer tiefen Wirtschaftskrise; die Ölproduktion liegt darnieder. Knapp hinter Venezuela verfügt Saudi-Arabien mit 41 Mrd. Tonnen über die zweitgrößten Erdölreserven, gefolgt von Kanada (27 Mrd.), Iran (21 Mrd.) und Irak (20 Mrd.). Kettenreaktion absehbar Von den fünf Ländern mit den größten Ölreserven liegt also nur eines in einer krisenfreien Zone. Sollte sich der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran verschärfen – und die Anschläge auf die Ölverarbeitungsanlage in Abquaiq sowie die Förderanlage in Kurais offenbaren eine erhebliche Eskalationsbereitschaft -, wäre es um die Versorgungssicherheit der Industrieländer mit dem schwarzen Gold wohl geschehen. Zwar sind vor allem asiatische Volkswirtschaften Abnehmer saudischen Öls, doch Lieferausfälle würden zu einer Kettenreaktion mit globalen Auswirkungen führen. Nichtkonventionelle Vorräte Die Ölkonzerne müssen also mehr in Förderung und Verarbeitung investieren als zuletzt, soll nicht irgendwann aufgrund von bewaffneten Konflikten, die die Ölproduktion einer Region stark einschränken oder gar zum Erliegen bringen, ihr Handelsgut knapp werden. Und diese Investitionen dürfen konsequenterweise nicht irgendwo getätigt werden, sondern in möglichst sicheren Regionen, die zugleich ölreich sind – also vor allem in Nordamerika. Davon würden die Platzhirsche Schlumberger, Baker Hughes, Halliburton und National Oilwell Varco enorm profitieren, die u.a. Bohrmaschinen, Hochleistungspumpen und -bohrköpfe, Turbinen und Filteranlagen liefern sowie technische Dienste wie Ölquellenanalysen, Kartografierung und Erschließung von Lagerstätten, Wartung, Bohrspülungen oder Sandkontrolle anbieten.Über einen Investitionsschub dürften sich Vanguard und BlackRock besonders freuen: Die US-Vermögensverwalter halten an Schlumberger 7,9 bzw. 6,8 %, an Halliburton 7,5 und 7,1 % und an National Oilwell Varco 10,9 bzw. 6,8 %.Mit den ausgewiesenen Ölreserven in Kanada und den USA gibt es jedoch ein Problem: Es handelt sich größtenteils um nichtkonventionelle Ölressourcen; in Kanada muss das Öl aus Ölsand und in den USA durch Fracking aus Schiefergestein gewonnen werden. Beide Verfahren belasten in starkem Maße die Umwelt.So weist der Abbau von Ölsand im Tagebau, die Bitumenextraktion und die Aufbereitung des Bitumens zu raffinationsfähigem synthetischen Erdöl eine deutlich schlechtere Ökobilanz auf als die konventionelle Ölförderung. Negativ ist vor allem der hohe Wasser- und Energieverbrauch. So zerstörte der Übertage-Abbau des Ölsandes im kanadischen Bundesstaat Alberta den Wald, die Moore und die Flüsse in den betreffenden Gebieten.Die Berechnung der Kosten und Wirtschaftlichkeit der Förderung und Verarbeitung von Ölsanden ist schwierig, da unklar ist, in welcher Höhe ökologische Kosten einkalkuliert werden müssen. Der Ölsand-Boom in der ersten und anfangs der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts endete deswegen in einem Fiasko: Obwohl durch technischen Fortschritt die Ausbeute immer weiter stieg und die Kosten pro erzeugtem Barrel Öl sanken, liefen bei fast allen im Ölsandgeschäft tätigen Unternehmen die Kosten aus dem Ruder. Milliardenabschreibungen und Geschäftsaufgaben waren die Folge. Sehr flexible Produktion Die Zukunft der Ölsand-Ausbeutung in Kanada ist auch deswegen ungewiss, weil sich im südlichen Nachbarland das Fracking-Verfahren rasant ausbreitete, auch jetzt noch erhebliches Potenzial besteht und die Produktion innerhalb kurzer Zeit gestoppt bzw. wieder aufgenommen werden kann. Auch hier kommt es zu erheblichen Umweltbelastungen, deren Tragweite umstritten ist.Aufgrund der politischen Lage in den USA und des verhältnismäßig geringen Widerstands in der Bevölkerung kann davon ausgegangen werden, dass die Investitionen in den Aus- und Aufbau sowie die Modernisierung der dortigen Ölanlagen vor einem Schub steht. Zumal die im Ölpreis enthaltene Risikoprämie nach den Anschlägen in Saudi-Arabien gestiegen ist.Mit einem spürbar schwächeren Ölpreis ist daher bis auf Weiteres nicht zu rechnen – es sei denn, aus der weltweit beobachtbaren Konjunkturabkühlung wird eine veritable globale Rezession, die auch die USA erfasst, wo sich die Wirtschaft bislang erstaunlich robust zeigt.