Industrieautomatisierung

Siemens greift nach US-Softwarekonzern Altair

Siemens expandiert mit der zweitteuersten Übernahme der Firmengeschichte in den USA. Der Konzern kauft die Software-Firma Altair Engineering für 10 Mrd. Dollar.

Siemens greift nach US-Softwarekonzern Altair

„Die Akquisition von Altair ist ein bedeutender Meilenstein für Siemens“: Mit diesen Worten kommentierte Siemens-Vorstandschef Roland Busch die geplante Übernahme der US-Softwarefirma, die in der Nacht auf Donnerstag bekanntgegeben wurde. Es entstehe das weltweit umfassendste KI-gestützte Design- und Simulationsportfolio.

Gemessen am Marktanteil in zwei Kernsegmenten der Industrieautomatisierung rangieren die kombinierten Einheiten laut Siemens mit 15% auf dem zweiten Platz. Siemens-Vorstand Cedrik Neike sagte in einer Analystenkonferenz, dieses Marktvolumen habe im vergangenen Jahr 16 Mrd. Dollar betragen. Es wachse bis zum Jahr 2028 voraussichtlich um 11% jährlich.

Über die Akquisition in der Industrieautomatisierung war erstmals am 21. Oktober öffentlich spekuliert worden. Die Kernsparte Digital Industries, die das Geschäft mit Industrieautomatisierung betreibt, ist stark in China vertreten. Dort litt sie zuletzt unter einer Absatzschwäche.

Hohe Multiples

Den Altair-Aktionären wird ein Preis von 113 Dollar pro Aktie angeboten, dies entspricht einer Börsenbewertung von 10,6 Mrd. Dollar. Siemens gibt den Kaufpreis inklusive übernommenen Cash-Reserven mit ungefähr 10 Mrd. Dollar an. Siemens hatte bisher nur für den Strahlentherapie-Spezialisten Varian mehr Geld ausgegeben. Allerdings hatte die Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers die US-Firma erworben, wenngleich mit Finanzierungshilfe von der Siemens AG.

Der Angebotspreis entspreche einer Prämie von 19% auf den unbeeinflussten Schlusskurs am 21. Oktober, hieß es. Altair erklärte, es werde 13% mehr als der bisherige Höchstkurs vor Annahme des Angebots bezahlt. An der Nasdaq notierte das Papier mit rund 109 Dollar.

Die Multiples des Altair-Kaufs sind beachtlich. Altair erlöste im vergangenen Geschäftsjahr gut 600 Mill. Dollar, davon 550 Mill. Dollar mit Software-Produkten. Der Nettoverlust betrug 9 Mill. Dollar und das bereinigte Ebitda 129 Mill. Dollar. Siemens rechnet nach eigener Aussage mit einem Umsatzeffekt von mittelfristig mehr als 500 Mill. Dollar pro Jahr, der langfristig auf mehr als 1 Mrd. Dollar anwachsen werde.

Siemens kündigte an, die Transaktion werde sich ab dem zweiten Jahr nach Vollzug positiv auf das Ergebnis je Aktie (vor Effekten aus der Kaufpreisallokation) auswirken. Zu diesem Zeitpunkt seien Kostensynergien (auf Ebitda-Ebene) von 150 Mill. Dollar pro Jahr geplant. In einer Präsentation für Investoren wird beispielhaft auf die Einstellung der Börsennotierung verwiesen.

Finanzierung mit Barmitteln

Zugleich wird allerdings betont, das Simulationsportfolio von Altair sei im hohen Maß komplementär zur Siemens-Produktpalette. Altair-Vorstandschef James Scapa spricht davon, in den Bereichen Simulation, Datenwissenschaft und Hochleistungsrechnen breit vertreten zu sein. Siemens verfüge über eine starke Position in den Bereichen Mechanik und EDA-Design – also der elektronischen Designautomatisierungssoftware (EDA), die für das Herstellen und Prüfen von Halbleitern eingesetzt wird. Das beispielsweise auf die Mechatronic konzentrierte Siemens-Produktlebenszyklusmanagement wird unter dem Kürzel PLM gefasst.

Siemens erklärte, die Akquisition – deren Vollzug in der zweiten Hälfte des nächsten Kalenderjahres erwartet wird – werde vollständig in bar mit bestehenden Mitteln finanziert. Der Verschuldungsgrad, der zuletzt in Höhe des Ebitda lag und den der Konzern in der Regel auf das 1,5fache des Ebitda begrenzen will, solle niedrig gehalten werden mithilfe des abgeschlossenen Verkaufs von Innomotics (Unternehmenswert 3,5 Mrd. Euro) und des Abstoßens von Anteilen an börsennotierten Unternehmen. Dazu gehören Siemens Healthineers und Siemens Energy.

Flughafenlogistik verkauft

Siemens kündigte am Donnerstag darüber hinaus an, das Flughafenlogistikgeschäft der Siemens Logistics Gruppe an Vanderlande zu veräußern. Der Kaufpreis, dargestellt durch den Unternehmenswert, betrage 300 Mill. Euro. Der Abschluss werde 2025 erwartet. Vanderlande ist auf logistische Prozessautomatisierung spezialisiert und erlöste mit mehr als 9.000 Beschäftigten zuletzt 2,2 Mrd. Euro.

Altair erklärt, Tausende Kunden in den Bereichen Fertigung, Biowissenschaften und Energie zu haben. Das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Troy (Michigan), das im Jahr 2017 an die US-Börse Nasdaq ging, hat mehr als 3.500 Beschäftigte. Davon arbeiteten 1.400 im Bereich Forschung und Entwicklung.

Siemens wurde bei dem Übernahmeangebot von Goldman Sachs als Investmentbank und von Latham & Watkins als Rechtsberater begleitet. Altair setzte auf der Finanzseite auf Citi and J.P. Morgan, als Juristen sind Davis Polk & Wardwell und Lowenstein Sandler an Bord. Den Verkauf der Flughafenlogistik begleiteten für Siemens Goldman Sachs und die Kanzlei Hengeler Müller. 

Siemens greift nach US-Softwarekonzern Altair

Münchner bieten für börsennotierten Konkurrenten rund 10 Mrd. Dollar – Zweitteuerster Zukauf in der Firmengeschichte – Komplementäre Aufstellung

Siemens kauft den US-Softwarekonzern Altair Engineering für 10 Mrd. Dollar. Die Münchner erwerben damit komplementäre Kompetenzen in der Industrieautomatisierung. Es ist der zweitteuerste Zukauf in der Firmengeschichte. Zur Finanzierung denkt Siemens über den Verkauf von Anteilen an Beteiligungen nach.

mic München
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