Siemens bietet 10 Mrd. Dollar für Altair
„Die Akquisition von Altair ist ein bedeutender Meilenstein für Siemens“: Mit diesen Worten kommentierte Siemens-Vorstandsvorsitzender Roland Busch die geplante Übernahme der US-Softwarefirma, die in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag bekanntgegeben wurde. Es entstehe das weltweit umfassendste KI-gestützte Design- und Simulationsportfolio. Gemessen am Marktanteil in den wichtigen Segmenten (PLM und EDA) rangieren die kombinierten Einheiten laut Siemens mit 15% allerdings auf dem zweiten Platz. Über die Akquisition in der Industrieautomatisierung war erstmals am 21. Oktober öffentlich spekuliert worden.
Mit dem Zukauf der 1985 gegründeten Altair Engineering erwirbt der Konzern nicht nur zusätzliche Kompetenzen in der Industrieautomatisierung. Er erschließt sich auch verstärkt den Absatzmarkt USA, in dem sich die Kernsparte Digital Industries bislang schwertat. Sie ist stark in China vertreten, litt dort aber zuletzt unter einer Absatzschwäche. Finanzvorstand Ralf Thomas hatte die Underperformance in den USA Ende September in einem Interview der Börsen-Zeitung damit erklärt, dass die diskrete Automatisierung – in der der Konzern stark sei – dort keine prominente Rolle spiele. Zugleich hatte er sich sehr interessiert gezeigt, die Strategie des Zukaufs von Softwaregeschäften fortzusetzen.
Hohe Multiples
Den Altair-Aktionären wird ein Preis von 113 Dollar pro Aktie angeboten, so dass ein Kaufpreis von 10,6 Mrd. Dollar errechnet werden kann. Siemens spricht von einem Unternehmenswert von ungefähr 10 Mrd. Dollar. Der Angebotspreis entspreche einer Prämie von 19% auf den unbeeinflussten Schlusskurs am 21. Oktober, hieß es. Siemens hatte bisher nur für den Strahlentherapie-Spezialisten Varian mehr Geld ausgegeben. Allerdings hatte die Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers die US-Firma erworben, wenngleich mit Finanzierungshilfe von der Siemens AG.
Die Multiples des Altair-Kaufs sind beachtlich. Altair erlöste im vergangenen Geschäftsjahr gut 600 Mill. Dollar, davon 550 Mill. Dollar mit Software-Produkten. Der Nettoverlust betrug 9 Mill. Dollar und das bereinigte Ebitda 129 Mill. Dollar. Siemens rechnet nach eigener Aussage mit einem Umsatzeffekt von mittelfristig mehr als 500 Mill. Dollar pro Jahr, der langfristig auf mehr als 1 Mrd. Dollar anwachsen werde.
Siemens kündigte an, die Transaktion werde sich ab dem zweiten Jahr nach Vollzug positiv auf das Ergebnis je Aktie (vor Effekten aus der Kaufpreisallokation) auswirken. Zu diesem Zeitpunkt seien Kostensynergien (auf Ebitda-Ebene) von 150 Mill. Dollar pro Jahr geplant. In einer Präsentation für Investoren wird beispielhaft auf die Einstellung der Börsennotierung verwiesen.
Finanzierung mit Barmitteln
Zugleich wird allerdings betont, dass Simulationsportfolio von Altair sei im hohen Maß komplementär zur Siemens-Produktpalette. Altair-Vorstandschef James Scapa spricht davon, in den Bereichen Simulation, Datenwissenschaft und Hochleistungsrechnen breit vertreten zu sein. Siemens verfüge über eine starke Position in den Bereichen Mechanik und EDA-Design – also der elektronischen Designautomatisierungssoftware (EDA), die für das Herstellen und Prüfen von Halbleitern eingesetzt wird. Das auf die Mechanik konzentrierte Siemens-Produktlebenszyklusmanagement wird unter dem Kürzel PLM gefasst.
Siemens erklärte, die Akquisition – deren Vollzug in der zweiten Hälfte des nächsten Kalenderjahres erwartet wird – werde vollständig in bar mit bestehenden Mitteln finanziert. Der Verschuldungsgrad, der zuletzt in Höhe des Ebitda lag und den der Konzern in der Regel auf das 1,5fache des Ebitda begrenzen will, solle durch die liquiden Mittel aus dem bereits abgeschlossenen Verkauf von Innomotics unterstützt werden (Unternehmenswert 3,5 Mrd. Euro). „Darüber hinaus verfügt Siemens über erhebliches Finanzierungspotenzial durch den Verkauf von Anteilen an börsennotierten Unternehmen“, heißt es in der Pressemitteilung. Zu den prominentesten Werten im Portfolio gehören Siemens Healthineers und Siemens Energy – von letzteren Engagement will sich Siemens schon seit geraumer Zeit vollständig trennen.
Flughafenlogistik verkauft
Siemens kündigte am Donnerstag darüber hinaus an, das Flughafenlogistikgeschäft der Siemens Logistics Gruppe an Vanderlande zu verkaufen. Der Kaufpreis, dargestellt durch den Unternehmenswert, betrage 300 Mill. Euro. Der Abschluss werde im Kalenderjahr 2025 erwartet. Vanderlande ist auf logistische Prozessautomatisierung spezialisiert und erlöste mit mehr als 9.000 Beschäftigten zuletzt 2,2 Mrd. Euro.
Altair erklärt, Tausende Kunden weltweit in den Bereichen Fertigung, Biowissenschaften und Energie zu haben. Das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Troy (Michigan), das im Jahr 2017 an die US-Börse Nasdaq ging, hat nach eigenen Angaben mehr als 3.500 Beschäftigte. Davon arbeiteten 1.400 im Bereich Forschung und Entwicklung.