Siemens übertrifft die Erwartungen des Kapitalmarktes
Der Auftakt zum neuen Geschäftsjahr ist Siemens wesentlich besser gelungen als erwartet. „Mit einem starken Start in das Geschäftsjahr 2025 schaffen wir klares Momentum für eine kontinuierliche Wertsteigerung für unsere Stakeholder“, sagte Vorstandsvorsitzender Roland Busch bei der Vorlage der Zahlen des ersten Quartals. Der Siemens-Aktienkurs reagierte zu Handelsbeginn mit einem Plus von 5% auf den Rekordwert von 225 Euro.
Das Ergebnis des industriellen Geschäfts sank zwar um 8% auf 2,52 Mrd. Euro. 21 Analysten hatten im Schnitt jedoch nur 2,44 Mrd. Euro erwartet. Der Nettogewinn stieg um die Hälfte auf 3,9 Mrd. Euro. Der Verkauf des Unternehmens Innomotics brachte einen Gewinn nach Steuern von 2,1 Mrd. Euro. Der Umsatz kletterte auf vergleichbarer Basis um 3% auf 18,4 Mrd. Euro. Siemens hielt an der Prognose für das gesamte Geschäftsjahr (30. September) fest.
Personalabbau berücksichtigt
Der Rückgang des operativen Gewinns resultiert aus der Schwäche im Automatisierungsgeschäft der Sparte Digital Industries, die bereits seit gut einem Jahr anhält. Der Umsatz dieser Aktivitäten sei um 19% auf 2,7 Mrd. Euro gesunken, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas. Dies sei „erneut insbesondere auf den Abbau von Lagerbeständen bei unseren Kunden und Distributoren im kurzzyklischen Fabrikautomatisierungsgeschäft zurückzuführen“. In der Prozessautomatisierung seien die Erlöse dagegen nur um 2% zurückgegangen, das Softwaregeschäft der Sparte legte um 15% zu.
In der Folge sank der Spartenumsatz um 11%, die operative Marge brach von 19,6% auf 14,5% ein. Sie landete damit wie von Siemens angekündigt unter der Zielbandbreite für das Geschäftsjahr von 15 bis 19%. Allerdings hätte die Marge ohne Kosten für Personalabbau in Höhe von 52 Mill. Euro mit 15,8% in der Zielbandbreite gelegen. Analysten hatten einen Wert inklusive Personalabbau von nur 13,6% erwartet.
„Deutschland im Krisenmodus“
Siemens gibt keine Entwarnung angesichts der Konjunkturlage. „Die gesamte wirtschaftliche Dynamik blieb verhalten“, bilanzierte Busch. Es habe wenig Bereitschaft zu investieren gegeben, etwa in Kernbranchen wie Automotive und Maschinenbau. Europa als Schlüsselregion für Siemens komme nicht in Schwung: „Insbesondere Deutschland sehen wir weiterhin im Krisenmodus.“ Hier warteten die Wirtschaft und die Gesellschaft dringend auf klare Impulse und Handlungen einer neuen Regierung.
Er habe keine Sorge, dass die Jahresprognose von dem starken Dollar in irgendeiner Form berührt werde, sagte Thomas. Die Auswirkungen der Beschlüsse der US-Regierung auf Siemens seien noch nicht zu quantifizieren. Es gebe ein Potpourri unterschiedlicher Einflussgrößen. Beispielsweise denke die neue Administration auch über die Unternehmenssteuern nach.
Neue Zölle hätten eine höhere Inflation zur Folge, sagte Busch. Jedoch habe Siemens einen hohen lokalen Wertschöpfungsanteil. Es ist von 28 Fabriken und 48.000 Beschäftigten die Rede. Der Einfluss von Zöllen sei nicht null, aber durch diese lokale Fertigung gepuffert, sagte Busch. Es gebe auch für Siemens positive Gegeneffekte zu den Zöllen, weil Siemens-Kunden aufgrund der Zölle neue Fertigungen in den Vereinigten Staaten bauten.
Das Unternehmen gibt teilweise Entspannung für das wichtige Automatisierungsgeschäft. „Wir gehen davon aus, dass damit nun auch die Talsohle erreicht ist“, sagte Thomas mit Blick auf den Umsatz. Busch erklärte, die Erholung komme vor allem durch China: „Dort erwarten wir, dass unsere Kunden ihre Lagerbestände bis Ende des zweiten Quartals weitestgehend abgebaut haben.“
Kehrtwende für Digital Industries
Der Optimismus speist sich aus dem Auftragseingang. Alle Automatisierungsgeschäfte hätten wesentliche Verbesserungen gegenüber dem Vorquartal und mehr Ordereingänge als Umsatz registriert, sagte Thomas. Dieses Book-to-Bill-Verhältnis der Sparte Digital Industrie sei in der Folge erstmals seit zwei Jahren mit 1,04 über den Wert von 1 gestiegen. Der Auftragseingang habe sich um 6% auf 4,2 Mrd. Euro erhöht. Der Auftragseingang des Konzerns sank dennoch um 7% auf 20,1 Mrd. Euro, weil die Bahntechniksparte Mobility weniger Großaufträge an Land zog.
Die Sparte Smart Infrastructure löst mit einem Anstieg des operativen Ergebnisses von 1% auf 891 Mill. Euro klar Digital Industries als Hauptgewinnbringer ab. Das 17. Plus im Vergleich zum Vorjahresquartal gelang, obwohl im Vorjahresquartal ein Sondergewinn von 94 Mill. Euro vereinnahmt worden war.
Rekorde von Smart Infrastructure
Thomas attestierte der Sparte eine herausragende Leistung und lupenreine Abarbeitung des Auftragsbestands. Der Auftragseingang sei um 5% auf den Rekordwert von 6,2 Mrd. Euro gestiegen. Skaleneffekte und eine höhere Kapazitätsauslastung hätten dazu beigetragen, dass die operative Ergebnismarge von 16,4 (ohne Sondergewinn) auf 16,9% kletterte. Die Sparte landete damit nur leicht unter ihrem Zielband für das Geschäftsjahr von 17 bis 18%. Die Analysten hatten im Schnitt mit lediglich 16,6% gerechnet.
Die Finanzlage von Siemens verbesserte sich im ersten Quartal weiter. Der freie Mittelzufluss kletterte um die Hälfte auf 1,6 Mrd. Euro. Busch kennzeichnete dies als „klares Highlight“. Hinzu kamen die Erlöse aus dem Innomotics-Verkauf in Höhe von 3,1 Mrd. Euro, so dass die industrielle Nettoverschuldung um 3,9 Mrd. Euro auf 5,5 Mrd. Euro sank.
Mittelzuflüsse würden auch aus dem weiteren Verkauf der Siemens Energy-Beteiligung verzeichnet, sagte Thomas. Sie liege inzwischen bei 14,3% nach 14,96% zum 29. Januar und 17,1% Ende September 2024, es werde über die Börse verkauft. Die Einnahmen betragen laut Thomas 1,2 Mrd. Euro, die auch zur Finanzierung des Altair-Kaufs eingesetzt würden. Ein Vollzug der Transaktion könne bereits im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres möglich sein, sagte Busch. Jedoch hänge dies von den Genehmigungsverfahren ab. Ursprünglich war der Vollzug für die zweite Hälfte angekündigt worden.
Für das laufende zweite Quartal erwartet Thomas, dass der Auftragseingang der Sparte Digital Industries in etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen wird. Der vergleichbare Umsatz werde im hohen einstelligen Prozentbereich sinken, bei einem Anstieg der Erlöse aus dem Automatisierungsgeschäft. Die Ergebnismarge werde auf dem Niveau des ersten Quartals liegen.
Sondergewinne in Sicht
Dagegen bleibt die Sparte Smart Infrastructure auf Expansionskurs. Der Umsatz werde auf vergleichbarer Basis am oberen Ende unseres Zielkorridors der Jahresprognose von 6 bis 9% zulegen und die operative Ergebnismarge in etwa in der Mitte der Jahres-Bandbreite von 17 bis 18% liegen.
Für die Bahntechnik-Sparte Mobility rechnet Thomas im zweiten Quartal mit einem vergleichbaren Umsatzplus am unteren Ende der prognostizierten Bandbreite 2024/2025 von 8 bis 10%. Die Marge werde eher am unteren Ende des Zielkorridors von 8 bis 10% liegen.
Im zweiten Quartal rechnete Siemens darüber hinaus erneut mit Sondergewinnen. Der Abschluss der Veräußerung des Wiring Accessoires-Geschäfts der Sparte Smart Infrastructure werde möglicherweise einen außerordentlichen Gewinn bringen, sagte Thomas. Die Finanzierungssparte Siemens Financial Services werde von dem Verkauf eines Anteils an einer Beteiligung in Indien profitieren.