IM BLICKFELD

Spanien feiert das Comeback der Immobilienbranche

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 15.8.2017 Der US-Fonds Blackstone wird nach der Transaktion mit Santander von letzter Woche zum größten privaten Immobilienanbieter Spaniens; Nummer 1 bleibt die halbstaatliche Bad Bank Sareb. Für gut 5...

Spanien feiert das Comeback der Immobilienbranche

Von Thilo Schäfer, MadridDer US-Fonds Blackstone wird nach der Transaktion mit Santander von letzter Woche zum größten privaten Immobilienanbieter Spaniens; Nummer 1 bleibt die halbstaatliche Bad Bank Sareb. Für gut 5 Mrd. Euro übernehmen die Amerikaner die Mehrheit an einer neuen Firma, in die Santander die faulen Aktiva des jüngst übernommenen Banco Popular übertrug, deren Wert auf 10 Mrd. Euro festgesetzt wurde. Der Deal ließ auch über die Landesgrenzen aufhorchen. Es ist die ultimative Bestätigung dafür, dass sich Spaniens Immobilienmarkt nach dem Platzen der Blase vor neun Jahren zurückmeldet. Neuer Rekord in MadridSeit einiger Zeit haben Investoren, besonders aus dem angelsächsischen Raum, die vermeintlichen Chancen in Spanien nach dem drastischen Preiseinbruch auf dem Immobilienmarkt wiederentdeckt und kaufen umfangreiche Pakete auf. Das wiederum kommt Banken wie Santander zugute, die immer noch Altlasten aus dem Bauboom abbauen müssen. Neben dem Preisverfall spielen auch die gute Konjunktur mit einem Wirtschaftswachstum von über 3 % sowie die Rekorde in der Tourismusbranche eine entscheidende Rolle. Vergangene Woche beispielsweise kaufte eine Investorengruppe den historischen Mercado de San Miguel in der Madrider Altstadt, ein nach dem Umbau zur Gourmetzone bei Touristen äußerst beliebter alter Markt. Mit knapp 40 000 Euro pro Quadratmeter wurde dabei ein neuer Rekord für Gewerbegebäude in Spanien aufgestellt.Vier der fünf größten spanischen Immobilienunternehmen erreichten zuletzt eine Marktkapitalisierung über Nettobuchwert. In den letzten Monaten sind zahlreiche Immobilienfonds an die Börse gegangen. Diese sogenannten “socimi” sind besondere Gesellschaften zur kollektiven Investition in Immobilien, die von der Körperschaftsteuer befreit sind und sich daher bei Anlegern zunehmender Beliebtheit erfreuen.Im ersten Halbjahr fanden 236 000 Immobilientransaktionen statt, 13,5 % mehr als im Vorjahreszeitraum, wie das Nationale Statistikamt INE mitteilte. Die Volkswirte der Großbank BBVA rechnen für 2017 mit einer halben Million Wohnungen, die den Besitzer wechseln, ein Anstieg von 10 % gegenüber 2016. “Wir haben unsere Prognose aufgrund der bestimmenden Faktoren am Markt um drei Punkte angehoben: unter anderem die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Hypothekenzinsen und die Entwicklung der europäischen Wirtschaft”, erklärt Félix Flores, Analyst bei BBVA Research Real Estate.Seit 2013 steigen die Verkäufe von Wohnimmobilien wieder stetig, auch wenn sie immer noch weit von den Hochzeiten des Booms entfernt sind, als fast 900 000 Wohnungen im Jahr veräußert wurden. Das gilt auch für die Preise. Im ersten Halbjahr stiegen diese gegenüber 2016 um 3,6 %, wie die Zahlen des Gutachters Tinsa zeigen. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis von 1 250 Euro liegt aber dennoch deutlich unter den 2 000 Euro, die vor dem Einbruch des Marktes 2008 bezahlt wurden. Aufgrund dieser Zahlen halten es viele Experten für unangebracht, dass in Spanien manche jetzt schon eine neue Blase heraufbeschwören. “Es stimmt, dass einige Immobilienprodukte in bestimmten Gegenden steigen, dort wo mehr Arbeitsplätze entstanden sind und das Interesse der Investoren größer ist. Aber in einem Großteil des Staates fallen die Preise, sowohl für den Verkauf als auch für die Vermietung”, kommentiert Fernando Encinar, Chefanalyst von idealista.com, dem führenden Immobilienportal des Landes. Keine BlaseSeine Firma analysiert die Preisentwicklung nicht nur auf Grundlage der Verkäufe, sondern aller Objekte, die sie im Angebot hat und die oft trotz Abschlägen keinen Abnehmer finden. “Es ist daher merkwürdig, wenn jetzt von einer Immobilienblase gesprochen wird”, so Encinar. “Nach zehn Jahren in der Wüste war klar, dass der Sektor irgendwann einmal wieder Lebenszeichen von sich geben musste.”Die begehrten Regionen, in denen die Preise steigen, sind wie gehabt die Balearen und Gebiete entlang der Mittelmeerküste sowie natürlich die guten Lagen in den Metropolen Madrid und Barcelona. Die katalanische Hauptstadt ist mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 4 300 Euro am teuersten, gefolgt vom derzeit sehr angesagten baskischen Seebad San Sebastián mit fast 4 000 Euro und Madrid mit 3 100 Euro. Am anderen Ende des Spektrums steht Avila, eine kleine Provinzhauptstadt in Nordkastilien, wo der Quadratmeter Wohnraum 950 Euro kostet.Ein weiterer wichtiger Unterschied zu den Exzessen, die zur Immobilienblase geführt hatten, ist, dass die Banken heute weitaus vorsichtiger mit der Vergabe von Hypotheken vorgehen, trotz historisch niedriger Zinsen. Die meisten Geldinstitute haben zuletzt zwar wieder deutlich mehr Kredite zum Wohnungskauf vergeben. Doch dieser Anstieg kann den Abbau von Altlasten noch nicht ausgleichen, sodass fast alle im Immobiliengeschäft weiterhin Verluste schreiben. Außerdem arbeitet die spanische Regierung derzeit an einem neuen Hypothekengesetz, dass die Regeln verschärfen soll. KonjunkturrisikenZu den Risiken zählt, auf der anderen Seite, die Möglichkeit, dass sich die Konjunktur in Spanien abkühlt und die Zinsen in Europa wieder steigen. Auch der Brexit könnte Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Briten haben, die sich gerne in Spanien zur Ruhe setzen.Doch gegenwärtig ist der Optimismus am Markt zu spüren. In Madrid haben sich die lokalen Behörden und ein Baukonsortium um BBVA nach Jahrzehnten auf ein milliardenschweres Projekt geeinigt, bei dem der Norden der Stadt ein völlig neues Gesicht erhält und 11 000 Wohnungen sowie ein neues Büroviertel mit mehreren Türmen entstehen sollen. Fast schon wie zu Zeiten des Booms.