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Spaniens Tourismusbranche klagt über mangelnde Hilfen

Börsen-Zeitung, 17.9.2020 ths Madrid - An der spanischen Mittelmeerküste genießen die sehr wenigen Touristen zurzeit warme Spätsommertage. Ein Großteil der Hotels, Restaurants und Shops hat bereits die Schotten dichtgemacht. Das heißt, jene Lokale,...

Spaniens Tourismusbranche klagt über mangelnde Hilfen

ths Madrid – An der spanischen Mittelmeerküste genießen die sehr wenigen Touristen zurzeit warme Spätsommertage. Ein Großteil der Hotels, Restaurants und Shops hat bereits die Schotten dichtgemacht. Das heißt, jene Lokale, die sich nach dem Ende des Lockdowns im Frühjahr überhaupt trauten, wieder zu öffnen. Denn in den meisten Ferienorten blieben viele Hotels gleich geschlossen. Die Auslastung der zur Verfügung stehenden Betten lag meistens unter 50 %. Spaniens Tourismusbranche hat die schlimmste Hochsaison seit Jahrzehnten hinter sich. Die Zahl der Touristen aus dem Ausland sank bis Juli um 72 %, da vor allem die wichtigsten Märkte wie Großbritannien und Deutschland einbrachen.Und die Aussichten auf Besserung sind angesichts der weiter geltenden Reisebeschränkungen anderer Länder für Spanien sowie der derzeit wieder steigenden Infektionszahlen düster. “Es ist wenig wahrscheinlich, dass die globalen Tourismusströme vor 2022 das Niveau von vor dem Ausbruch der sanitären Krise erreichen werden”, urteilt etwa die spanische Notenbank. Das ist ein gesamtwirtschaftliches Problem, denn die Reisebranche ist der wichtigste Wirtschaftszweig Spaniens mit einem Anteil am Bruttoinlandprodukt von rund 12 % und etwas mehr noch bei der Beschäftigung.Dabei hatten die Hoteliers, Restaurantbesitzer, Fluglinien und Reisebüros zu Beginn des Sommers, als die Corona-Pandemie einigermaßen im Griff zu sein schien, noch Hoffnungen gehegt, mit einem blauen Auge davonzukommen. Doch mit den landesweiten Lockerungen und den mangelnden Kontrollen der spanischen Behörden breitete sich das Virus im Juli wieder auf. Die britische Regierung verhängte eine 14-tägige Quarantänepflicht für Spanien-Rückkehrer. Danach folgte die Reisewarnung der Bundesregierung, die schließlich ganz Spanien erfasste. Auch andere Länder verhängten empfindliche Beschränkungen. “Absolut unzureichend”Derzeit richten sich alle Blicke auf die spanische Zentralregierung. Der Forderungskatalog der Unternehmen und Konzerne der Reisebranche ist lang. Im Juni hatte Ministerpräsident Pedro Sánchez einen mit 4,2 Mrd. Euro dotierten Plan für den Tourismus angekündigt, der unter anderem Hilfen für die Digitalisierung und mehr Nachhaltigkeit in der Branche vorsah. Diese Maßnahmen seien “absolut unzureichend”, kritisierte ObservaTUR, ein Interessenverband von führenden Reisebüros, der Fluglinie Iberia, der Bahngesellschaft Renfe oder dem IT-Konzern Amadeus. Er befürchtet, dass sich die Lage im Jahresschlussquartal verschlechtern wird und verlangt dringend Hilfen der Regierung.Dieser Forderung schließt sich der Dachverband der Arbeitgeber CEOE an. “Der Tourismus sind nicht nur die Hotels, Reiseveranstalter oder Fluglinien”, erklärte der Präsident der CEOE, Antonio Garamendi. “Es betrifft auch Waschsalons, Einzelhandel, Gastronomie oder Lokale des Nachtlebens, die größtenteils von Tourismus abhängig sind”, so der Verbandschef. Die Regierung verweist darauf, dass man bislang 25 Mrd. Euro an Hilfen der einen oder anderen Form für die Branche aktiviert habe. Derzeit wird über eine Verlängerung der Sonderbedingungen für die Kurzarbeit verhandelt, welche der wahre Rettungsanker vieler Betriebe ist.Manche Restaurants und Hotels haben seit Ausbruch der Pandemie ihre gesamte oder Teile der Belegschaft in die Kurzarbeit geschickt. Bis August war etwa die Hälfte des Personals wieder zur Arbeit zurückgekehrt. Doch die düsteren Aussichten und die saisonbedingte Pause im Winter machen eine Ausweitung der Sonderkonditionen, wonach die Pandemie Grund genug für einen Antrag auf Kurzarbeit ist, unabdingbar, wenn man eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe in dem Gewerbe vermeiden will. Steuersenkung gefordertNeben direkten Zuschüssen fordern die Unternehmer auch eine Senkung der Mehrwertsteuer für die Branche von 10 % auf 7 %, so wie es andere Länder vorgemacht haben. “Wir haben momentan wenig Spielraum für Steuersenkungen”, gestand die für Tourismus verantwortliche Ministerin Reyes Maroto der kanarischen Zeitung El Día. Sie verweist auf die Schwierigkeiten der Minderheitsregierung ihrer Sozialisten mit dem Linksbündnis Unidas Podemos, die derzeit um die nötigen Stimmen für einen neuen Staatshaushalt ringen, der neue sektorale Hilfen beinhalten würde.Für die Idee von Reisegutscheinen für die eigenen Bürger, wie etwa in Italien, ist die Regierung offen. Im Sommer lief eine Kampagne zur Förderung des Inlandtourismus. Viel mehr Spanier als sonst machten tatsächlich Urlaub im eigenen Land, vor allem im Norden, der von der Pandemie weniger betroffen war. Doch das reichte bei weitem nicht, um das Fernbleiben der Sonnentouristen aus Nordeuropa auszugleichen.In der Flugbranche brach das Passagieraufkommen im Juli und August gegenüber dem Vorjahr um 80 % ein. Die Tickets sind derzeit so günstig wie selten. “Aber wenn das Vertrauen der Verbraucher fehlt, könne auch Preisabschläge die Nachfrage nicht ankurbeln”, kommentierte der Präsident des spanischen Luftfahrtverbandes ATA, Javier Gándara.Alle Hoffnung der Branche, darunter Großkonzerne wie Tui, richten sich nun auf die Wintersaison auf den Kanarischen Inseln. Die spanische Regierung verhandelt gerade mit ihren britischen Kollegen über einen sicheren Korridor zu den Inseln, der als Vorbild für andere Länder gelten könnte. Die großen Hotelgruppen, wie die börsennotierten Meliá oder NH, versichern, dass die Lage sehr volatil ist, da sich die Corona-Auflagen in Europa wöchentlich ändern. Man könne geschlossene Hotels gegebenenfalls binnen 48 Stunden wieder öffnen, heißt es bei der mallorquinischen Riu-Gruppe.