Sportartikelkonzerne blicken schon übers Horrorjahr hinaus
Von Joachim Herr, MünchenDer Sturz zum Jahresauftakt war heftig für die Sportartikelkonzerne. Abwärts ging es mit Umsatz und Ergebnis (siehe Grafik). Im aktuellen Quartal kommt es vermutlich noch dicker. Dass es Adidas anfangs stärker als Puma traf, liegt auch daran, dass das China-Geschäft des größeren Konkurrenten mehr Gewicht hat. Der nach den USA zweitgrößte Markt für Sportartikel steuerte 2019 etwa ein Fünftel zum Konzernumsatz von Adidas bei. Puma bezifferte den eigenen Anteil auf 12 bis 13 %, Nike auf 17 %. Nike hat zudem die höchsten Online-Umsätze, allerdings auch einen anderen Quartalsrhythmus. Ohne den schwachen Monat März, für den es von den Amerikanern noch keine Zahlen gibt, ist der Vergleich verzerrt.Aber auch die kurzfristigen Aussichten sind für Adidas ungünstiger: Das Unternehmen hat im Vergleich mit der Konkurrenz besonders viele Schuhe und Textilien in den Lagern. Die Vorräte stiegen bis Ende März gegenüber dem Stichtag ein Jahr zuvor um fast ein Drittel auf 4,3 Mrd. Euro. In China kaufte Adidas Ware für einen dreistelligen Euro-Millionenbetrag zurück. Nach Schätzungen der Deutschen Bank lassen sich nur 20 % der gesamten Vorräte verkaufen. Dieses Problem könnte sich auf 2021 ausweiten, da aktuell mehr unverkaufte Lagerbestände aus dem Einzelhandel in den anderen Regionen hinzukämen, so die Analysten. “Ich glaube, es wird zu viel Bestand geben”, sagte Vorstandschef Bjørn Gulden vor kurzem auf der Hauptversammlung von Puma. Das Unternehmen versucht, die Verkäufe an den Handel um ein, zwei Monate zu verschieben. Für einen gefragten Schuh müssten die Preise nicht gesenkt werden, meint Gulden. Schwierig werde es dagegen für Saisonware wie Sandalen: “Da wird es zu Rabatten kommen.” Leichte ZuversichtZwischenzeitlich fielen wegen geschlossener Läden – zunächst in China, dann in Europa und Nordamerika – 50 bis 60 % der Umsätze weg. Um für diese harte Strecke die Liquidität zu sichern, haben die zwei deutschen Konzerne Kreditlinien (Adidas 3 Mrd. Euro, Puma 900 Mill. Euro) erhalten, zu denen die KfW den größten Teil beiträgt. “Die Liquiditätsschwierigkeiten werden die großen drei meistern”, sagt York von Massenbach, Experte für Konsumgüter und Handel von der Managementberatung Atreus. Ein Problem seien eher kleinere Partner im Einzelhandel, die zu kämpfen hätten.Dennoch: Die Erholung des Geschäfts in China und die Öffnung der Läden in Europa stimmen die Branche leicht zuversichtlich. Auch Analysten vermuten, dass die Talsohle im aktuellen Quartal erreicht wird. Puma-Chef Gulden blickt schon auf das nächste Jahr: “Ich hoffe, dass 2021 das wird, was 2020 hätte werden sollen.” Dann will das Unternehmen an das Wachstum der Vorjahre anknüpfen, das die Corona-Pandemie jäh gestoppt hat. Das Analysehaus RBC erwartet, dass Puma 2021 den Umsatz wieder mit einer zweistelligen Rate steigert, wenn auch mit einer niedrigen. 2019 wuchs der Erlös währungsbereinigt um 18 %.Auch Kasper Rorsted, der Vorstandsvorsitzende von Adidas, schaut optimistisch nach vorn: “Eine gesunde Lebensweise ist für unsere Konsumenten immer wichtiger.” Adidas werde künftig noch mehr von eigenen Initiativen profitieren, mit denen das Einzelhandels- und das Onlinegeschäft beschleunigt würden. “Als globales Unternehmen mit starken Marken sind wir für die Zukunft gut gerüstet.”Die Analysten der Baader Bank teilen die Ansicht, dass die “globalen Megatrends” intakt sind, die der Branche in den vergangenen Jahren viel Auftrieb gaben. Neben dem gewachsenen Gesundheitsbewusstsein seien dies legere Kleidung für Freizeit und Beruf sowie das allgemein große Interesse am Sport.Auch Managementberater von Massenbach erwartet, dass die mit dem Begriff “Athleisure” beschriebene sportliche Mode gefragt bleibt. “Allerdings ist der Markt für Sneaker gerade im Premiumsegment etwas überhitzt.” Für solche Schuhe in limitierter Auflage werden mehrere 1 000 Euro je Paar gezahlt. “Irgendwann kippt das”, fügt er hinzu.Entscheidend aus der Sicht von Massenbachs werden für den Unternehmenserfolg Nachhaltigkeit und smarte Textilien sein, die etwa Herzschlag und Blutzuckerspiegel messen. An erster Stelle nennt er segmentübergreifende Partnerschaften: “In den nächsten drei Jahren kommt es auf die digitale Transformation an.” Auf den Ausbau des Online-Vertriebskanals folge die nächste Stufe. “Es geht um die Kooperation mit Unternehmen anderer Branchen, um große Allianzen”, sagt er. Sinnvoll könnte aus seiner Sicht zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit Gesundheitskonzernen wie Fresenius für smarte Textilien sein, mit Lebensmittelanbietern für gesundes Essen und mit E-Gaming-Plattformen. Vorteil für NikeMit digitalen Servicedienstleistungen ist nach Meinung von Massenbachs der Weltmarktführer vorn. Die Nutzerzahl der App Nike Training Club (NTC) gehe durch die Decke. “Damit ist Nike für mich der klare Sieger.” Ein Wettbewerbsvorteil sei auch der höhere Umsatzanteil des eigenen Onlinehandels von 20 %. Adidas liegt knapp unter 15 %, Puma unter 10 %. “Wir haben logistikmäßig immer noch etwas aufzuholen”, bekennt Puma-Chef Gulden. Spätestens Anfang 2021 sollen die Lücken geschlossen sein.