Stahlstreit mit China eskaliert
Europas Stahlindustrie ächzt unter der zunehmenden Konkurrenz aus Asien. Die Importe sind zuletzt explodiert. Mit Spannung wird deshalb die Empfehlung der EU-Kommission am Dienstag erwartet, ob China der Status als Marktwirtschaft zuerkannt werden soll. Das würde die Importschleusen noch weiter öffnen.cru Frankfurt – Europas Stahlindustrie gerät immer stärker unter Druck durch die wachsende Billigkonkurrenz aus Asien. Drei neue Zahlen beschreiben die Misere: Während die Stahlnachfrage in Europa im ersten Quartal um nur 3 % gewachsen ist, legten die Importe um 24 % zu – und die Lieferungen aus europäischer Produktion nahmen um 1 % ab. Das meldete die europäische Stahlvereinigung Eurofer am Freitag.”Die Zahlen zeigen, dass Hersteller aus anderen Regionen am meisten von dem moderaten Wachstum der Nachfrage profitieren und Marktanteile in Europa gewinnen”, erklärte Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert. Neben den weiterhin umfangreichen Importen aus China zielten immer stärker Hersteller aus Ländern wie Japan, Südkorea und Iran auf den immer noch offenen Markt in Europa. Solange globale Überkapazitäten nicht abgebaut würden und Regierungen anderer Länder an unfairen Handelspraktiken festhielten, werde sich nichts ändern.Mit seiner Kritik zielt der Cheflobbyist der europäischen Stahlindustrie vor allem auf China. Seine Warnung gewinnt an Brisanz vor einer wichtigen Weichenstellung, die die EU-Kommission in der kommenden Woche vornehmen will. Am Dienstag veröffentlicht die Brüsseler Behörde ihre Empfehlung, ob China von der Welthandelsorganisation WTO den Status einer Marktwirtschaft zuerkannt bekommen sollte. Geschähe dies Ende dieses Jahres tatsächlich, dann würde es für China mit seinen staatlich geförderten Überkapazitäten noch einfacher als bisher, den europäischen Markt mit billigem Stahl zu fluten. Drückende ÜberkapazitätenDie Importe treffen Hersteller wie ArcelorMittal, Thyssenkrupp oder Salzgitter in einer ohnehin schon schwierigen Situation. Von den Einbrüchen infolge der Finanzkrise 2008 hat sich die Stahlindustrie in Europa bisher nicht wirklich erholt. Überkapazitäten drücken auf die Preise. Schon plant der indische Mischkonzern Tata, seine notleidende Stahlsparte in Europa abzustoßen. Zu den Kaufinteressenten zählt auch Thyssenkrupp.Deutlich verschärft hat sich die Lage der Branche seit dem vorigen Sommer, als das weltgrößte Erzeugerland China angesichts der schwächelnden heimischen Nachfrage damit begann, massenhaft Stahl auf den Weltmarkt zu werfen. Die Branche in Europa sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung. Sie wirft den Chinesen vor, den Stahl deutlich unter den tatsächlichen Kosten loszuschlagen. Deshalb forderte sie stärkeren Schutz gegen diese Importe. Erste Schutzzölle sind inzwischen eingeführt. Das ließ die Preise für Stahl in jüngster Zeit wieder etwas steigen und verschaffte den hiesigen Herstellern eine kurze Atempause.Doch in dieser Woche schlug Eurofer Alarm: China könne ein serbisches Stahlwerk nutzen, um ohne Probleme billige Stähle nach Europa zu verkaufen. Mit den hohen chinesischen Staatssubventionen “wird auch das in Smederevo gekaufte serbische Stahlwerk querfinanziert”, kritisierte Eurofer-Generaldirektor Eggert das vor kurzem besiegelte chinesische Investment in Serbien.Gerade erst hatten sich beim EU-China-Gipfel in Peking hochrangige Vertreter getroffen, um über die Handelsbeziehungen zu sprechen. Zentraler Diskussionspunkt war die Vergabe des Marktwirtschaftsstatus an China. Eine Anerkennung würde die Abwehrmöglichkeiten der EU gegen unfaire Importe aus China deutlich schwächen. Es sei vereinbart worden, wie ein Ausweg aus dem Streit gefunden werden könne, sagte Chinas Außenminister Wang Yi nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini.