Start-up-Gründungen gehen zurück
kro Frankfurt
Das Gründungsgeschehen in Deutschland hat sich im Lichte der zahlreichen globalen Wirtschaftskrisen erstmals seit 2019 wieder verlangsamt. Kam es im zweiten Halbjahr 2021 hierzulande noch zu 1618 Neugründungen, so waren es in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres nur noch 1508, wie der Bundesverband Deutsche Start-ups gemeinsam mit dem Informationsdienst Startupdetector auf Basis von Handelsregisterdaten ermittelt hat. Das entspricht einem Rückgang von 7 %.
Mit Blick auf die fünf wichtigsten Hotspots für Start-up-Gründungen − das sind Berlin, München, Hamburg, Köln und Frankfurt am Main − entwickelten sich die Aktivitäten zuletzt vor allem in Hamburg schwach: Hier wurden im zweiten Halbjahr 2022 noch 79 innovative Jungunternehmen aus der Taufe gehoben und damit fast ein Viertel weniger als in der zweiten Jahreshälfte 2021.
Auch in der Frankfurter Start-up-Szene kam es mit einem Rückgang von 17 % zu einem deutlichen Dämpfer. Selbst im unangefochtenen Start-up-Mekka Berlin sank die Zahl neuer Jungfirmen um 8 %, Köln verbuchte einen Rückgang von 4 %.
Lediglich in München wurde ein Anstieg von 3 % auf 122 Neugründungen registriert. Der Freistaat gilt in zwei der fünf beliebtesten Gründungssektoren − Medizin und Mobilität − derzeit als wichtigster Standort in Deutschland (in der Medizin zusammen mit Berlin). In den beiden stark auf Unternehmenskunden fokussierten Branchen entstanden zuletzt 29 beziehungsweise 3 neue Unternehmen (siehe Grafik).
Viele Krisenbranchen in Berlin
Der Blick auf die regionale Branchenverteilung erklärt auch ein Stück weit das zuletzt schleppende Gründungsgeschehen in Berlin. In der Hauptstadt passiert nicht nur im Bereich Medizin, sondern auch in den Sektoren Software und E-Commerce im Vergleich zu anderen deutschen Städten am meisten.
Im Zuge der jüngsten Tech-Korrektur an den Aktienmärkten und des mauen Konsumklimas brach die Zahl der Neugründungen in diesen beiden Sektoren im ersten Halbjahr jedoch deutlich um 37 % beziehungsweise 24 % ein.
Die allgemein schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben auch Wagniskapitalgeber im ersten Halbjahr deutlich zurückhaltender auftreten lassen. Laut dem jüngsten „Start-up-Barometer“ von EY sank die Zahl der Finanzierungsrunden in Berlin im Vergleich zum selben Zeitraum aus dem Vorjahr um etwa 17 % auf 219. In den meisten anderen Bundesländern blieben die Zahlen dagegen stabil, teilweise kam es sogar zu einem Anstieg. Auch das Deal-Volumen schrumpfte − in Bayern sogar noch deutlich stärker als in Berlin. Das Interesse ging insgesamt vor allem im Bereich E-Commerce, aber auch mit Blick auf Fintechs und Insurtechs zurück.
Unistädte stechen hervor
Das hiesige Gründungsgeschehen wird bei aller Aufmerksamkeit der Geldgeber auf die großen Metropolregionen aber keineswegs nur dort bestimmt − zumindest nicht, wenn man es im Pro-Kopf-Verhältnis betrachtet. Tatsächlich liegen im Ranking der wichtigsten Städte bei den Neugründungen pro 100 000 Einwohner vor allem auch Städte mit Universitätsnähe wie Freiburg, Aachen oder Heidelberg weit vorne. „Die bemerkenswerten Gründungsaktivitäten um deutsche Hochschulen zeigen, welch gewaltiges Potenzial unsere Forschungslandschaft darstellt“, findet Magdalena Oehl, Vizevorsitzende des Start-up-Verbands. Diese Chancen müssten genutzt werden − viele wichtige Ziele seien in der Start-up-Strategie der Bundesregierung bereits formuliert worden. Das Ende Juli vom Bundeskabinett verabschiedete Papier sieht diverse Maßnahmen zur Erleichterung von Start-up-Ausgründungen aus der Wissenschaft vor. Unter anderem soll die Übertragung geistigen Eigentums künftig mit Standardlösungen vereinfacht werden.