Steinkohle-Lobby setzt sich durch
Auf den letzten Metern vor der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes haben sich die Interessenvertreter der überwiegend kommunalen Betreiber jüngerer Steinkohlekraftwerke mit ihren Forderungen durchgesetzt. Unternehmen wie Steag, Trianel und MVV erhalten in Summe Hilfen von 2 Mrd. Euro zusätzlich.cru Frankfurt – Das gesamte Gesetzeswerk zum Kohleausstieg, das mit milliardenschweren Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber verbunden ist, soll am Freitag den Bundestag und unmittelbar danach den Bundesrat passieren. Demnach soll das letzte Kohlekraftwerk spätestens 2038 vom Netz. Ein Vorziehen auf 2035 ist möglich. Der gesamte Ausstieg ist zudem durch öffentlich-rechtliche Verträge mit den Unternehmen abgesichert.Das Paket besteht zum einen aus den Hilfen für die besonders betroffenen Kohleregionen von bis zu 40 Mrd. Euro. Zum anderen aus den Entschädigungsregeln für die Braunkohlekonzerne RWE, Leag und EnBW von gut 4,3 Mrd. Euro sowie aus den zuletzt noch umstrittenen Ausgleichszahlungen für die Steinkohle. Die Entschädigungen für die Steinkohlekraftwerke betreffen vor allem die kommunalen Betreiber Steag, Trianel und MVV Energie – und können sich auf insgesamt 2 Mrd. bis 3 Mrd. Euro summieren.Entschädigungen bei Stilllegungen von vergleichsweise jungen Steinkohlekraftwerken, aber auch die Hilfen für die Umrüstung von Steinkohlekraftwerken auf das klimafreundlichere Gas sollen nun größer als geplant ausfallen. Der Umrüstungsbonus wird von 180 Euro pro Kilowatt auf 390 Euro mehr als verdoppelt. Dies gilt aber nur für maximal 25 Jahre alte Kraftwerke und bei Umrüstung bis Ende 2023. Bei späterer Umrüstung sinkt der Bonus demnach jedes Jahr. Bei älteren Anlagen fällt er geringer aus.Um Steinkohle-Meiler komplett vom Netz zu nehmen, hatte die Regierung ein Verfahren mit Ausschreibungen gewählt: Die Betreiber können sich jährlich um einen Abschaltbonus bewerben. Wer am wenigsten fordert, bekommt den Zuschlag. Diese Ausschreibungen sollen nun bis 2027 und damit ein Jahr länger als geplant laufen. Zuletzt 2026 soll überprüft werden, ob es für junge Kraftwerke mit Baujahr ab 2010 außerhalb dieses Systems noch eine Kompensation gibt. EnBW verweigert UnterschriftDer Energieversorger EnBW will jedoch den Vertrag zum Ausstieg aus der Braunkohle zunächst nicht unterzeichnen. Von Tag eins der Verhandlungen an habe man rechtliche Bedenken deutlich gemacht, sagte ein Sprecher. Konkret geht es um den Schutz vor möglichen Entschädigungsansprüchen des Braunkohlelieferanten Mibrag gegenüber dem Karlsruher Energieversorger.Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Pläne zum Kohleausstieg und die Milliardenhilfen des Bundes für die betroffenen Kohleregionen verteidigt. “Ich glaube, wir haben etwas Großes geschafft”, sagte sie am Mittwoch in der Regierungsbefragung des Bundestags. “Insgesamt ist das ein ganz, ganz wichtiger Schritt, den wir jetzt gehen.” Merkel sagte, man könne nicht sagen, dass die Kohlekommission mit der Summe von 40 Mrd. Euro “knauserig war”.Die Kanzlerin räumte ein, dass die große Koalition nicht voll den Empfehlungen der Kohlekommission gefolgt sei. Es sei aber auch nie gesagt worden, dass diese 1 zu 1 umgesetzt würden. “Im Grundsatz folgen wir dem Ausstiegspfad und den Vorgaben, was die Produktionsmenge angeht, einigermaßen. Ich weiß, dass wir Hänger haben in der Mitte der 20er Jahre”, betonte Merkel.NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat den Kompromiss gelobt: “Die Einigung des Bundeskabinetts auf den Kohlekompromiss ist ein Meilenstein für mehr Klimaschutz und mehr Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland”, sagte Laschet. Mit dem Kompromiss der großen Koalition habe sich “am Ende auch unser intensiver Einsatz für eine faire Regelung für die jungen Steinkohlekraftwerke und damit für Investitionssicherheit am Standort Deutschland ausgezahlt”, sagte Laschet.Vorgesehen sind Hilfen des Bundes von insgesamt 40 Mrd. Euro, die den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg beim Umbau ihrer Wirtschaft sowie beim Ausbau der Infrastruktur helfen sollen. Geplant ist dazu noch eine Bund-Länder-Vereinbarung. SPD-Bundestagsfraktionsvize Sören Bartol sagte, der Bund lasse die Länder nicht allein: “Die betroffenen Länder stehen nun ebenfalls in der Verantwortung, den Wandel erfolgreich zu gestalten.” Stadtwerke sehr zufriedenDie Kraftwerksbetreiber haben die Einigung in der Koalition auf erweiterte Entschädigungsregeln für Steinkohle gelobt. “Die Änderungsanträge der Abgeordneten von Union und SPD zum Kohleausstiegsgesetz sind eine deutliche Verbesserung des Regierungsentwurfes”, sagte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Kommunalen Unternehmen (VKU). Verwunderlich ist die positive Reaktion nicht: Stadtwerke besitzen einen großen Teil der Steinkohlekraftwerke.