Steinkohleregeln empören Energiekonzerne

Zwangsabschaltungen schon ab 2024 möglich - Steag, RWE, Uniper, EnBW und Vattenfall betroffen

Steinkohleregeln empören Energiekonzerne

cru Frankfurt – Der Braunkohle-Deal mit Entschädigungen von 4,4 Mrd. Euro steht. Jetzt geht es im aktuellen Gesetzentwurf zum Kohleausstieg, der der Börsen-Zeitung vorliegt, um die Steinkohle. Deren Aus wird deutlich billiger: Es gilt als sicher, dass der Steinkohleausstieg in der geplanten Form durch Auktionen den Bund unter 1 Mrd. Euro kosten wird. “Wir empfinden das als krasse Ungleichbehandlung”, sagt ein Sprecher von Deutschlands größtem Steinkohleverstromer Steag mit Blick auf die Milliardenentschädigungen für die Braunkohlekraftwerke.Gut 20 Gigawatt Steinkohlekraftwerke betreiben Steag, RWE, Uniper, EnBW, Vattenfall und weitere Versorger in Deutschland noch. Bis Ende 2022 soll ein Viertel davon vom Netz gehen. Anders als bei den Braunkohlekraftwerken soll es für die beschleunigte Abschaltung keine direkt mit den Betreibern ausgehandelte Entschädigung geben.Stattdessen werden in den nächsten sechs Jahren Auktionen durchgeführt, bei denen derjenige Steinkohlekraftwerksbetreiber den Zuschlag erhält, der die geringste Subvention für die Abschaltung fordert. Es gibt jedoch einen Haken: Da bis Ende 2022 alle Atomkraftwerke und ein Viertel der Braunkohlekapazität vom Netz gehen, kann mit den Steinkohlekraftwerken, die derzeit wegen steigender CO2-Preise und wegen der Ökostromschwemme unrentabel sind, bald vielleicht wieder gutes Geld verdient werden.Es kann dem Gesetzgeber also passieren, dass in den Auktionen nicht so viel Kapazität zur Schließung angeboten wird, wie gewünscht ist. Für diesen Fall plant der Bund in dem Gesetzentwurf Zwangsabschaltungen von Steinkohlekraftwerken ab 2024. Schon im Vorfeld waren die Energiekonzerne darüber empört. Klagen möglichJetzt erwägen einige Unternehmen sogar, vor Gericht gegen die Regeln zum Steinkohleausstieg vorzugehen. “Die Regelungen greifen in ungerechtfertigter Weise in das Eigentumsrecht der Betreiber von Kohlekraftwerken ein”, sagte Anwalt André Lippert von der Kanzlei Taylor Wessing der Börsen-Zeitung. “Betreiber, die sich entscheiden, ihr Steinkohlekraftwerk stillzulegen, können Kompensationen durch Teilnahme an Ausschreibungen erhalten. Diese freiwilligen Ausschreibungen sind aber nicht tauglich, eine verfassungsrechtlich gebotene Kompensation für erlittene finanzielle Nachteile zu gewähren.”Die Ausgestaltung der Ausschreibungen trage der durch das Eigentumsrecht geschützten Nutzungsmöglichkeit der Kohlekraftwerke und dem Vertrauen in den Bestand der getätigten Investitionen nicht ausreichend Rechnung. Mehr noch: Das Design des Ausschreibungsmechanismus führe gerade dazu, dass Betreiber besonders stark emittierender Kraftwerke größere Chancen haben, einen finanziellen Ausgleich zu erlangen, als Betreiber moderner oder modernisierter Anlagen. Dies benachteilige vor allem Betreiber moderner oder modernisierter Anlagen und verkehre die grundrechtlich gebotene Kompensation für Eingriffe in das Eigentum ins Gegenteil. Anlagen, die nicht den Zuschlag mit Ausgleichszahlung erhalten, müssen entschädigungslos spätestens bis 2038 stillgelegt werden.Steinkohlekraftwerke könnten schon ab 2024 ohne Entschädigungsverfahren abgeschaltet werden, geht aus dem Gesetzentwurf zum Kohleausstieg hervor. Ab 2027 sollen generell Kraftwerke ohne Prämie abgestuft nach Alter und CO2-Ausstoß die Produktion einstellen. Vorgesehen ist, dass bis 2022 nur noch Steinkohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 15 Gigawatt am Netz sind, was etwa 30 großen Anlagen entspricht. Derzeit produzieren noch Steinkohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 21 Gigawatt. Der Ausstieg aus der Braunkohle war in gesonderten Verhandlungen mit den Betreibern geklärt worden. Das letzte Kohlekraftwerk soll spätestens 2038 vom Netz.Bei den Steinkohleanlagen geht die Regierung bis 2026 über Ausschreibungen: Zunächst wird ab 2020 eine gewisse Menge an Steinkohleleistung festgelegt, die vom Netz gehen soll. Dann fordert der Bund die Betreiber auf, Entschädigungsforderungen für die Abschaltung einzureichen, wobei eine Summe vorgegeben wird, die höchstens gezahlt wird. Diese Summe sinkt zudem von Jahr zu Jahr. Im Entwurf ist die Prämienhöhe noch offen gelassen. Gehen weniger Gebote ein als ausgeschriebene Kapazitäten, können diese überschüssigen im folgenden Jahr erneut ausgeschrieben werden. Nach Alter vom NetzIm jetzt vorliegenden Entwurf ist auch eine Übergangsphase von 2024 bis 2026 vorgesehen. Melden sich in den Jahren zuwenig Kraftwerke zur Abschaltung an, greift die Zwangsabschaltung dann bereits. Auch hier gilt: Die Kraftwerke werden nach Alter vom Netz genommen. Damit stehen die Betreiber unter Druck, gerade ältere Kraftwerke für eine Prämie anzumelden, da sie sonst ganz leer ausgehen könnten.Ausnahmen sind Anlagen gerade in Süddeutschland, die zur Versorgungssicherheit weiter nötig sind und nicht abgeschaltet werden dürfen. Als sicher gilt, dass das Steinkohlekraftwerk Datteln als letztes vom Netz gehen wird. Es soll erst in diesem Jahr die Produktion aufnehmen und gilt als besonders effizient.