ANSICHTSSACHE

Steuerliche Forschungsförderung löst die Investitionsbremse

Börsen-Zeitung, 6.11.2015 In Deutschland wird zu wenig investiert. Trotz guter konjunktureller Entwicklung, sinkender Energiepreise, niedriger Zinsen und exportfreundlicher Wechselkurse bewegen sich die Ausrüstungsinvestitionen im Verhältnis zum...

Steuerliche Forschungsförderung löst die Investitionsbremse

In Deutschland wird zu wenig investiert. Trotz guter konjunktureller Entwicklung, sinkender Energiepreise, niedriger Zinsen und exportfreundlicher Wechselkurse bewegen sich die Ausrüstungsinvestitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung Deutschlands. Zugleich steigt durch die Digitalisierung der Wirtschaft der internationale Wettbewerbsdruck. Schnellere Innovationszyklen und steigende Anforderungen der Kunden gerade in der Zulieferindustrie erfordern auch bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mehr Engagement in Forschung und Entwicklung (FuE).Zwar wird Deutschland in internationalen Vergleichen regelmäßig eine hohe Innovationsfähigkeit bescheinigt. Diverse Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Wissensintensivierung in der Wirtschaft vor allem in den großen Betrieben stattgefunden hat. Dafür spricht auch, dass KMU 60 % der Erwerbstätigen beschäftigen, mehr als 40 % der Bruttoanlageinvestitionen tätigen, 30 % des Umsatzes erwirtschaften, aber nur 10 % des FuE-Budgets der Wirtschaft beisteuern. Fachkräftemangel zehrtEine mögliche Erklärung dafür lautet, dass KMU sehr viel stärker als Großunternehmen von den Auswirkungen des Fachkräftemangels betroffen sind und es ihnen allein deshalb immer schwerer fällt, eigene FuE-Kapazitäten aufzubauen bzw. zu erhalten. Die FuE-Tätigkeit der mittelständischen Wirtschaft zu fördern und so die Investitionsneigung zu erhöhen ist eine vorrangige wirtschaftspolitische Aufgabe. Die niedersächsische Landesregierung hat deshalb entschieden, bis 2020 insgesamt 905 Mill. Euro in die Sicherung der Fachkräftebasis und in den Transfer von Wissen, Kompetenzen und Technologien zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu investieren. Bedarf auf BundesebeneWir brauchen aber auch auf Bundesebene neue Instrumente zu Steigerung der Innovations- und Investitionsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen. Mein Ziel ist es deshalb, in Deutschland eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung im Mittelstand zu etablieren. So können Unternehmen unterstützt werden, die kurzfristig Innovationsprozesse anschieben und umsetzen wollen, aber auch solche, die dauerhaft und kontinuierlich in Forschung und Entwicklung investieren. Ich freue mich, dass sich auch die High-Level-Group des Bündnisses für Industrie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in einer gemeinsamen Erklärung aller 15 Partner für eine steuerliche FuE-Förderung für kleine und mittelständische Unternehmen ausgesprochen hat. Eine Untersuchung der EU-Kommission aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass – außer Deutschland und Estland – alle Mitgliedstaaten der EU vergleichbare steuerliche Anreize für mehr Investitionen in FuE setzen. Das österreichische Modell überzeugt in besonderer Weise, es ist aus meiner Sicht gut geeignet, in ähnlicher Form in Deutschland Anwendung zu finden.In Österreich können Unternehmen neben der Projektförderung eine Prämie in Höhe von 10 % für alle Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen beim Finanzamt beantragen. Diese “Forschungsprämie” gilt in Österreich als ein wichtiges Standortargument für innovative Unternehmen. Seit ihrer Einführung im Jahr 2002 stieg der Anteil der FuE-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt von 2,1 % auf 2,8 %. Im selben Zeitraum legte der Anteil in Deutschland nur um 0,4 Prozentpunkte, in der EU um noch bescheidenere 0,2 Prozentpunkte zu.Nachahmenswert ist auch die unbürokratische Handhabung der österreichischen Forschungsprämie. Das Antragsverfahren wird standardisiert und elektronisch abgewickelt. Die Einbindung von Technologieexperten der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft zur Prüfung und Bestätigung der Anspruchsvoraussetzungen erhöht die Rechts- und Planungssicherheit der antragstellenden Unternehmen. Gefordert wird ein wissenschaftlicher bzw. technologischer Fortschritt von allgemeiner Relevanz, angelehnt an dem im Frascati Manual der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definierten Forschungsbegriff. Mittelstand profitiertTrotz dieser recht hohen Anforderungen an den Innovationsgrad werden 84 % der Anträge auf Forschungsprämie von KMU gestellt. Da die Prämie für eigenbetriebliche FuE nicht gedeckelt ist, liegt der KMU-Anteil an der beantragten Fördersumme bei 30 %. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ob man in Deutschland nicht sogar auch niedrigschwellige Innovationen steuerlich fördern sollte, um noch mehr mittelständische Betriebe unterstützen zu können.Als ein Flächenland mit mittelständischer, industrieller Prägung und als Gastgeber technologischer Weltleitmessen wie CeBIT und Hannover Messe hat Niedersachsen ein besonders großes Interesse daran, die Investitionsschwäche zu überwinden und die Wettbewerbsfähigkeit von KMU in einer zunehmend digitalisierten Welt zu sichern. Ich bin davon überzeugt, dass eine steuerliche FuE-Förderung dazu geeignet ist, innovative Entwicklungen und Prozesse in kleinen und mittleren Unternehmen anzustoßen und zu beschleunigen und in der Folge deren Investitionsneigung nachhaltig zu erhöhen.Anders als in Österreich aber sollten wir die Forschungsprämie auf FuE-Personalaufwendungen im Mittelstand beschränken. So kämen wir zu einer stärkeren Wissensorientierung in der Belegschaft und würden die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Suche nach qualifiziertem Personal verbessern, Anreize für Weiterbildungsaktivitäten setzen und letztlich dem Fachkräftemangel im Mittelstand vorbeugen.—-Stephan Weil (SPD) ist seit dem 19. Februar 2013 Niedersächsischer Ministerpräsident.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Stephan WeilMein Ziel ist es, in Deutschland eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung im Mittelstand zu etablieren.——-