Steuerhinterziehung

Straf­ermittlungen gegen Private-Equity-Fonds

Im Wirtschaftsstrafrecht bahnt sich ein Schlagabtausch größeren Ausmaßes an. Nach Informationen der Börsen-Zeitung verdächtigen Strafermittler knapp zwei Dutzend Private-Equity-Fonds der Steuerhinterziehung.

Straf­ermittlungen gegen Private-Equity-Fonds

Von Stefan Kroneck, München

Einer Reihe von Private-Equity-Fonds droht in Deutschland erheblicher Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden. Nach Recherchen der Börsen-Zeitung wirft ihnen die zuständige Staatsanwaltschaft München I Steuerhinterziehung in größerem Umfang vor. Im Detail soll es sich dabei um etwa 20 Gesellschaften handeln, die überwiegend in der bayerischen Landeshauptstadt Büros unterhalten.

Die Strafermittler gehen konkret dem Verdacht nach, dass diese Unternehmen und deren Manager jahrelang Körperschafts-, Gewerbe- und Kapitalertragsteuer hinterzogen haben könnten, zugunsten auslän­discher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Eine gesammelte Anklage beziehungsweise Anklagen gegen einzelne Beschuldige werden dem Vernehmen nach vorbereitet. Das Landgericht München müsste dann die Schriftstücke auf Zulassung prüfen, um mögliche Prozesse vor Wirtschaftsstrafkammern einzuleiten.

Der Umstand ist auch deswegen heikel, da auf Steuerrecht spezialisierte Anwälte und Unternehmensberater ebenfalls im Visier der Staatsanwaltschaft stehen. Diese seien mit dem Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung konfrontiert, heißt es.

Die Behörde selbst hatte im Herbst 2020 in der Sache formell ein Strafverfahren eingeleitet, das heißt, konkrete Ermittlungen aufgenommen. 2019 waren erste Vorermittlungen angelaufen, wie zu hören ist. In der Angelegenheit wollte sich die Staatsanwaltschaft München auf Nachfrage nicht äußern. Eine Sprecherin der Behörde verwies auf gesetzliche Be­stimmungen. Rechtsgrundlage dafür ist §30 der Abgabenordnung (AO). Demnach haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren.

Reputationsschaden in Sicht

In der Private-Equity-Branche zeigt man sich ebenfalls zugeknöpft. Auf Anfragen reagierten einzelne Adressen nicht oder nur zögerlich über Umwege. Eine mit der Sache vertraute Person sprach von einer „Branchensolidarität.“ Zieht die Causa Kreise, droht der Branche ein Reputationsschaden, obwohl diese nach bisherigem Stand nur einen Bruchteil der in Deutschland tätigen Gesellschaften betrifft. In der breiten Öffentlichkeit werden Private-Equity-Häuser immer noch überwiegend negativ wahrgenommen. Der Vorwurf des damaligen SPD-Parteichefs Franz Müntefering vor 17 Jahren, bei Finanzinvestoren dieser Art handele es sich um Heuschrecken, hallt immer noch nach.

Sollten die Ermittlungen in Prozesse vor Land- und Finanzgerichten münden und zu Verurteilungen führen, befürchten Branchenvertreter auch einen erheblichen Schaden fürs Geschäft. In Deutschland sind nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) über 400 Private-Equity-Unternehmen aktiv. Diese investierten im vergangenen Jahr insgesamt fast 13 Mrd. Euro neu in Firmen. Die unter Verdacht stehenden Gesellschaften machen 5 bis 6% des ­Marktes in der größten EU-Volkswirtschaft aus.

In dem Strafverfahren steht nach Schätzungen der Börsen-Zeitung insgesamt eine Euro-Summe in Höhe eines dreistelligen Millionen- bis zu einem einstelligen Milliardenbetrag auf dem Spiel. Personen, die mit der Sache vertraut sind, halten diese Bandbreite für plausibel.

Die möglichen Forderungen auf Steuernachzahlungen und Geldstrafen der Behörden beruhen auf der Erfahrung, dass Strafermittler in Untersuchungskomplexen dieser Größenordnung die Vorgänge der vergangenen zehn Jahre rückwirkend aufrollen. Das heißt im konkreten Fall – abhängig vom Stichtag – bis einschließlich mindestens 2012, womöglich sogar bis 2010.

Strittige Rechtsauslegung

Der Gesetzgeber ist bei Steuerhinterziehung nicht zimperlich. Gemäß §370 AO drohen – je nach Umfang eines erwiesenen Delikts – Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe maximal zehn Jahre umfassen.

Ursächlich für die unklare Rechtslage ist das komplizierte deutsche Steuerrecht. Im Kern geht es um die strittige Frage, ob sogenannte „faktische Geschäftsführer“, die als inländische Manager grenzüberschreitender Aktivitäten zugleich ausländische Zweckgesellschaften eines in Deutschland ansässigen Private-Equity-Fonds de facto führen, auch deutschen Steuerpflichten der Auslandstöchter und deren Gesellschafter unterliegen. Die Staatsanwaltschaft München ist der Ansicht, dass Letzteres gilt. In der Praxis aber hätten Geschäftsführer der beschuldigten Private-Equity-Fonds die Finanzbehörden darüber vorsätzlich nicht in Kenntnis gesetzt. Diese hätten damit gegen Pflichten grob verstoßen, lautet der Vorwurf. Die Strafermittler zielen auf Steuersparmodelle ab, die bereits in der Vergangenheit Stein des Anstoßes gewesen sind.

Die Besonderheit in der aktuellen Causa liegt darin, dass in der EU und Großbritannien aktive Kapitalgesellschaften, die in Deutschland ihren Sitz haben, faktisch die Kontrolle über ausländische Fonds der gleichen Unternehmensgruppe ausüben. Das betrifft dem Vernehmen nach unter anderem britische Investoren, die in solchen Fonds Anteile zeichneten, aber als Gesellschafter über keine Einwirkungsmöglichkeiten in diesen Anlagevehikeln verfügen. Daher behandeln die Geschäftsführer der Private-Equity-Häuser die Fonds steuerlich einzeln, aber nicht als Ganzes, wie die Strafermittler fordern. Aufgrund dessen seien dem deutschen Fiskus hohe Steuereinnahmen entzogen worden. Nach Informationen der Börsen-Zeitung setzen sich die betroffenen Private-Equity-Fonds zur Wehr. Diese dringen darauf, dass die Justiz die Vorwürfe als unbegründet zurückweist. In dem Fall würden die Beschuldigten kosten- und zeitaufwendige Gerichtsprozesse vermeiden. In einem Einzelfall muss das zuständige Finanzgericht über eine Klage entscheiden, wie diese Zeitung erfuhr.

Die Private-Equity-Häuser argumentieren unter anderem, dass die bisherige Steuerpraxis vom Bundesfinanzhof, der höchsten Instanz der Finanzgerichtsbarkeit, bereits mit Urteilen im Jahr 2017 bestätigt worden sei. Dieses Thema griff die Börsen-Zeitung seinerzeit auf (vgl. BZ vom 13.5.2017).

„Goldfinger“-Prozess als Beleg

In diesem Zusammenhang er­wähnt mancher den „Goldfinger“-Prozess, in dem ebenfalls der Verdacht der Steuerhinterziehung verhandelt wurde. Im Sommer vergangenen Jahres stellte das zuständige Landgericht Augsburg das Verfahren ein und sprach die beiden Angeklagten frei. Im Kern ging es um ein umstrittenes Steuersparmodell, be­nannt nach dem James-Bond-Film „Goldfinger“. Die Beschuldigten sollen sich vor dem Fiskus arm gerechnet haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Den Ermittlern gelang es aber nicht, die Vorwürfe überzeugend zu belegen.

Doch wenn es ums Geld beziehungsweise Fair Play in der Branche geht, wackelt die zuvor zitierte Solidarität. „Da haben sich wohl einige Fonds ungeschickt verhalten“, sagte ein Branchenkenner.

Ungeachtet des Ausgangs des laufenden Strafverfahrens zeigt die Causa, welche Fallstricke das deutsche Steuerrecht birgt. Die Sache sorgt für zusätzliche Argumente, das Steuersystem zu vereinfachen. Eine grundlegende, von einigen CDU- und FDP-Politikern seit langem geforderte Reform lässt aber auch unter der neuen Bundesregierung auf sich warten.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.