Streit über Rückkehr aus dem Homeoffice
dpa-afx Berlin
Viele Unternehmen wollen, dass ihre Beschäftigten bei weiter sinkenden Coronazahlen so schnell wie möglich aus dem Homeoffice ins Büro zurückkommen. „Die Impffortschritte in Gesellschaft und Unternehmen müssen mit einer parallelen Rückkehr in einen normalen Geschäftsbetrieb verbunden sein“, forderte etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einem an die Bundesregierung adressierten Zehn-Punkte-Papier. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier stellt Lockerungen in Aussicht – die Gewerkschaften jedoch treten kräftig auf die Bremse.
Tatsache ist: Die Corona-Neuinfektionen sinken in großen Schritten. Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) eine Sieben-Tage-Inzidenz von unter 60 – weit entfernt von der politisch festgelegten Marke von 100, bei der die Bundesnotbremse mit Ausgangsbeschränkungen greift. Doch wann ist die Inzidenz niedrig genug für eine Rückkehr in ein Einzelbüro und wann für die Rückkehr in ein Großraumbüro? Politisch festgelegt ist das nicht. Virologen und das RKI warnen allerdings vor Übermut: „Wir dürfen nicht zulassen, dass das Virus wieder Oberhand gewinnt, weil wir auf einmal zu viel wollen“, mahnte RKI-Präsident Lothar Wieler vor Pfingsten. Die Befürchtung: ein Jo-Jo-Effekt.
Der BDI will Lockerungen nicht an die Inzidenz, also die wöchentlichen Infektionen pro 100000 Einwohner knüpfen, sondern an den Anteil geimpfter und von Corona genesener Mitarbeiter. Die Bundesregierung solle ein Stufenkonzept aufstellen und festlegen, bei welchem Anteil Geimpfter und Genesener Homeoffice auf ein Mindestmaß verringert oder ganz abgeschafft werden könne. Das Gleiche soll für die Coronatests im Betrieb, für Hygieneauflagen und Quarantänezeiten passieren. Um Dienstreisen zu erleichtern, sollten auch hier Beschränkungen zurückgenommen werden.
Wirtschaftsminister Altmaier stimmte die Unternehmen auf Lockerungen ein. Es werde schrittweise weniger Vorschriften geben. „Ich glaube, dass die Idee, dass man zur Normalität zurückkehrt, sicherlich auch bedeutet, dass man dann dort, wo es Sinn macht, auch wieder vor Ort arbeiten kann.“
Derzeit müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zweimal wöchentlich Schnelltests zur Verfügung stellen. Außerdem soll laut Infektionsschutzgesetz Arbeit im Homeoffice die Regel sein – zumindest bei Beschäftigten, die im Büro arbeiten. Die Unternehmen müssen das Arbeiten von zu Hause ermöglichen, wenn keine zwingenden Gründe dagegen sprechen. Die Beschäftigten müssen dies im Normalfall auch annehmen. Beide Regelungen – die zu Tests und die zum Homeoffice – laufen nach bisheriger Planung Ende Juni aus.
Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds sind sie im Moment noch angemessen. „Auch wenn die Infektionszahlen zurückgehen – wir haben die Pandemie noch lange nicht bewältigt“, mahnte DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Deswegen wäre es unverantwortlich, jetzt übereilt alle wirkungsvollen Mechanismen, die helfen, die Pandemie einzudämmen, über Bord zu werfen.“