Stromlobby attackiert Kohleausstieg

Verbandschef Kapferer: Im Transportsektor wird zu wenig CO2 eingespart - Elektrizitätsverbrauch wächst

Stromlobby attackiert Kohleausstieg

Das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium hat sich gegenüber dem Umweltressort durchgesetzt und übernimmt in der Regierung die Führung der Kohle-Kommission. Die Geschäftsstelle werde bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier angesiedelt, kündigt Bundeskanzlerin Angela Merkel an.cru Düsseldorf – Die Interessenvertreter der deutschen Energiekonzerne attackieren den von der großen Koalition geplanten beschleunigten Kohleausstieg, den die Kohlekommission noch im laufenden Jahr analog zum Atomausstiege auf die Schiene setzen soll und der besonders RWE, Steag und Uniper betreffen würde. “Auch wenn morgen alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, würde Deutschland seine internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz verfehlen. Das liegt daran, dass in den Sektoren Transport, Verkehr und Wärme nicht genug Kohlendioxid eingespart wird”, sagte der Chef des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Stefan Kapferer, vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung im Industrie-Club in Düsseldorf.Entgegen der landläufigen Meinung leiste die Energiewirtschaft durchaus auch jetzt schon ihren Beitrag zum Klimaschutz. Im Jahr 2017 habe der deutsche Energiesektor die CO2-Emissionen um mehr als 5 % verringert, obwohl gleichzeitig der Stromverbrauch um fast 1 % angestiegen sei. Grund dafür sei die Verdrängung konventionell erzeugter Energie durch Ökostrom. Der Anteil von Braunkohle und Steinkohle an der Stromerzeugung in Deutschland sei binnen zehn Jahren von 46 % auf 37 % im Jahr 2017 gesunken. Im Jahr 2016 hatte er noch bei 40 % gelegen. Gründe für den jüngsten Rückgang seien der steigende Preis für CO2-Emissionsrechte und der günstige Preis für Gas. Emissionsrechte verteuertVor allem der Einsatz der Steinkohle habe abgenommen. An diesem Trend werde sich wegen des weiter steigenden Preises für CO2-Emissionsrechte, der sich seit der Reform des EU-Emissionsrechtehandelssystems vor einem Jahr auf 12 Euro je Tonne CO2 verdoppelt hat, auch nichts ändern. Auch am Trend zum Ausbau der Erneuerbaren werde sich nichts ändern, da im Groko-Vertrag zusätzliche Ausschreibungen für Wind- und Sonnenprojekte vorgesehen seien.Eine weitere Verdrängung der konventionellen Erzeugung sei programmiert. Allein 2017 sei bei der Bundesnetzagentur die Stilllegung von sechs Steinkohlekraftwerken angemeldet worden. Bis 2023 würden 26 Gigawatt von insgesamt 100 Gigawatt konventioneller Erzeugungskapazität vom Markt genommen, davon allein 10 Gigawatt durch den Ausstieg aus der Atomkraft.Laut Kapferer wird die Energiewirtschaft ihre CO2-Emissionen bis 2020 um knapp 40 % gegenüber dem Stand von 1990 verringert haben, während der Verkehrssektor die Emissionen nur um 4 % verringert haben werde. “Wir können die Defizite der anderen nicht ausgleichen, weil wir gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten müssen”, sagte Kapferer. Bis 2030 solle die Energiewirtschaft ihre Emissionen um 61 % bis 62 % verringern.Voraussichtlich 2025 werde es zu einer Unterdeckung an gesicherter Leistung kommen. “Und schon ab 2023 müssen wir Strom importieren”, warnte Kapferer. Die Versorgung werde dann unsicherer, weil Belgien und den Niederlanden der Ausstieg aus Kernkraft und Kohleverstromung geplant sei.In allen Ländern um Deutschland herum gehe die gesicherte Leistung zurück. “Die Reduzierung der Kohleverstromung bis 2030 kann deshalb nicht nur über Stromimporte ausgeglichen werden”, sagte Kapferer. Während bisher nur über den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen diskutiert werde, müsse auch die Versorgungssicherheit eine größere Rolle spielen. Netzagentur überwachtDas müsse der Kohleausstiegskommission, die die Bundesregierung in Kürze unter Federführung des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums – und vielleicht auch zusätzlich des SPD-geführten Bundesumweltministeriums – einsetzen will, klar sein. Die Stilllegung zusätzlicher Kohlekraftwerke werde die Bundesnetzagentur nicht genehmigen, wenn sie die Netzstabilität gefährden würde. Die Bundesregierung müsse stattdessen Kraft-Wärme-Kopplung, den Netzausbau sowie Stromspeicher fördern und Anreize für Investitionen in kleinere Gasmotoren-Kraftwerke setzen, die die schwankende Ökostromeinspeisung flexibel ausgleichen könnten. Solche Gaskraftwerke baue niemand mehr, weil die Betreiber kein Geld damit verdienten. Nach dem Atomausstieg würden sie aber gebraucht. Sie zu bauen dauere indes sechs Jahre.