"Super Senior" hält in Sanierungen Einzug
wb Frankfurt – Noch ist die heraufziehende Krise erst in Ansätzen spürbar. Doch Autozulieferer und Einzelhändler kippen immer häufiger um. Die TMA Deutschland, die über 300 Restrukturierungsexperten aus Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften, Insolvenzverwaltung sowie Banken vereint, geht davon aus, dass es deutlich härtere Zeiten geben wird. TMA-Vorstandsmitglied Oliver Kehren von Morgan Stanley erwartet, dass es nicht wie 2008 eine Kapitalmarktkrise geben wird, sondern eine Strukturkrise. Und diese werde nicht so rasch überwunden wie der tiefe Einbruch 2008. Diesmal werde es deutlich anspruchsvoller für in Schwierigkeiten geratene Unternehmen, durchzuhalten – schon allein, weil die Work-out-Abteilungen der Banken abgebaut und durch Computer ersetzt worden seien und die EZB darauf dringe, dass sich Kreditinstitute frühzeitig von möglicherweise kriselnden Darlehen trennen.Die TMA-Experten, die sich für Sanierungen abseits der Insolvenz und frühzeitiges Handeln stark machen, halten es mehrheitlich für notwendig, den Rechtsrahmen für Sanierungs- und Massekredite anzupassen. “Die Sanierungsfinanzierung sollte privilegiert werden”, fasst es Leo Plank von der Kanzlei Kirkland & Ellis zusammen. Die Krisenfinanzierung sollte “so vorrangig wie möglich” sein, was bedeute, dass mit Einziehen von Super-Senior-Strukturen andere Gläubiger im Rang zurücktreten, damit frisches Geld aufgenommen werden kann. Dazu gehöre auch eine Roll-up-Finanzierung, wobei ein Teil der Altforderungen in der Kapitalstruktur dem Rang nach ganz nach oben in den Sanierungs-/Massekredit gerollt werden, wenn die Darlehensgeber gleichzeitig eine neue Finanzspritze setzen. Dies setzt laut Plank voraus, dass sämtliche Geldgeber zustimmen; dabei sind “Akkord- oder Konsens-Störer” den Restrukturierern ein Dorn im Auge. Denn es müsse vor allem volkswirtschaftlicher Schaden vermieden werden, betont Michael Baur von Alix Partners. Rechtlich bisher noch nicht möglich ist der Eintritt neuer vorrangiger Gläubiger wie in den USA. Debtor-in-Possession Financing erfordere Korrekturen in der Besicherung. Für die rechtliche Seite dieser komplexen Verfahren trommelt die TMA seit Jahren für eine Spezialisierung der Gerichte mit erfahrenen Experten, statt die Befugnisse bei den ohnehin überforderten Amtsgerichten zu belassen. Für die Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtline sei es erforderlich, die Überschuldung als verpflichtenden Insolvenzantragsgrund abzuschaffen. Das Sanierungsverfahren sollte den Debt-to-Equity-Swap und damit den Eingriff ins Beteiligungsrecht ermöglichen. “Die vorinsolvenzliche Sanierung kann die Wettbewerbsfähigkeit eines kriselnden Unternehmens operativ wiederherstellen, sagt Georg Bernsau von der TMA, Namenspartner der Kanzlei BBL Bernsau Brockdorff & Partner. “Dabei fällt die regelmäßig mit einem Insolvenzantrag einhergehende Stigmatisierung weg.”