Tanz mit dem Teufel

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 1.2.2013 Spätestens mit dem Amtsantritt des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Autoland Baden-Württemberg wurde die Zeit reif für die Ökopartei, ihre grundsätzliche Opposition gegen die...

Tanz mit dem Teufel

Von Ulli Gericke, BerlinSpätestens mit dem Amtsantritt des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Autoland Baden-Württemberg wurde die Zeit reif für die Ökopartei, ihre grundsätzliche Opposition gegen die automobilen CO2-Schleudern zu überdenken. Wenn schon, denn schon, muss sich Ralf Fücks, Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung, gedacht haben, als er den Stier bei den Hörnern packte und einen Auto-Kongress zusammen mit dem mächtigen Lobbyverband VDA Verband der Automobilindustrie anschob. Wie ein “Tanz mit dem Teufel” müsse dies für manche Ohren klingen, räumte er bei der Begrüßung gestern ein – wohl wissend, dass sich die Böll-Stiftung mit dem Kongress “Auto 3.0 – die Zukunft der Automobilindustrie” eine Reihe kritischer Kommentare einfing. Als reine Alibi-Veranstaltung für den VDA wurde das Treffen abqualifiziert, das der Stiftung “hochgradig peinlich” sein sollte. Ein anderer Kritiker polemisierte, da schreibe “die Partei der besserverdienenden Zweitwagenbesitzer” mal wieder Geschichte, nach dem Motto: “Ich häng so gern am Nasenring der Autolobby”. Und schließlich: “Ich schäme mich dafür, mal Mitglied bei den Grünen gewesen zu sein, die früher mal eine Umweltpartei war.”Anders als bei diesen emotionalen Einwürfen ging es bei der “nicht ganz gewöhnlichen Konferenz” (so Fücks) sehr sachlich zu. Alle Beteiligten, egal ob auf dem Podium oder im voll besetzten Saal, wussten, dass die Autobranche eine der Schlüsselindustrien hierzulande ist mit einer überragenden struktur- und beschäftigungspolitischen Bedeutung. Folglich gehe es nicht um einen “Schmusekurs” oder “Fraternisierung” mit der Autoindustrie, sondern um eine ökologische “Neuerfindung des Kraftfahrzeugs”, versicherte der Initiator der Tagung.Auf dieses Stichwort hatte VDA-Präsident Matthias Wissmann nur gewartet. Der eloquente CDU-Mann bedankte sich erst einmal brav bei den Grünen, da sie “für uns zu den wichtigsten Partnern” des Lernprozesses gehörten, den die Industrie seit Jahren vornimmt. Dies habe dazu geführt, dass laut Kraftfahrt-Bundesamt deutsche Autos inzwischen in neun von zehn Segmenten umweltfreundlicher seien als Importwagen. Mehr als 20 Mrd. Euro investiere die hiesige Industrie Jahr für Jahr in Forschung und Entwicklung, davon knapp die Hälfte in Antriebe, seien es spritsparende Verbrennungsmotoren, Hybride, Brennstoffzellen oder Elektroantriebe – “wir alle wollen weg vom Öl”. Und da die Branche das “Glück” habe, 80 % des weltweiten Premiummarkts zu bedienen, könnten sich die Firmen auch die hohen Kosten für die modernsten Technologien leisten.Da auch Fücks den Industriestandort und die Exportfähigkeit als Basis für künftigen Wohlstand stark halten will, sei klar, dass die Zukunft nicht in durchschnittlichen Massenprodukten liegen kann, sondern nur in hochwertiger Spitzentechnologie. Entsprechend müsse man Premium neu definieren: “Öko ist Premium” – vor allem angesichts der absehbaren Verdoppelung der weltweiten Fahrzeugflotte. Hierbei gehe es nicht nur um graduelle Verbesserungen, sondern um einen Richtungswechsel der Autoindustrie.”So viel Kooperation wie möglich, so viel Konfrontation wie nötig”, beschrieb Fücks die Herangehensweise der Böll-Stiftung gegenüber der Industrie. Gestern konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kooperation Oberwasser hat.—–Die grüne Böll-Stiftung veranstaltet einen Auto-Kongress mit dem Lobbyverband VDA.—–